Vor wenigen Tagen endete Staffel neun von "Der Lehrer", die erste mit dem neuen Hauptdarsteller Simon Böer. Wie geht es für die Serie weiter, Herr Bartel?

Trotz der tollen Zusammenarbeit mit Simon Böer und der Sony müssen wir mit Blick auf die Zahlen leider sagen, dass das Publikum den neuen Weg, den wir mit dem Format eingeschlagen haben, nicht in dem Maß mitgegangen ist, wie wir es gehofft haben. Wir haben uns daher dazu entschieden, in diesem Jahr keine zehnte Staffel von "Der Lehrer" zu beauftragen. Und natürlich stellen wir uns die Frage, woran es letztlich gelegen hat – auch wenn man das sicher nicht auf einen Grund herunterbrechen kann. Augenscheinlich hat es sicher nicht geholfen, dass der Alltag Schule, den die Serie seit Staffel eins erzählt, im realen Leben als Referenz schon seit einem Jahr nicht mehr so wirklich stattfindet. Aber so einfach wollen wir es uns nicht machen – man muss die Gründe auch innerhalb des Formats suchen. Wenn man sich die Quoten anschaut, muss man sagen, dass der Rückgang schon früher begonnen hat. Sicherlich spielt da auch das Ende der Liebesgeschichte von Stefan Vollmer und Karin Noske eine wesentliche Rolle. Aber nach acht erfolgreichen Staffeln die Haupt- und Titelrolle neu zu besetzen, ist vermutlich die kniffligste Aufgabe, die man im Seriengeschäft gestellt bekommen kann.  



Wurden da Fehler gemacht?

Im Nachhinein würde ich sagen, dass wir gemeinsam mit der Sony vielleicht noch radikaler hätten denken müssen. Wir haben die Hauptfigur konzeptionell gezielt anders angelegt als Stefan Vollmer, aber das Erzählprinzip von "Der Lehrer" relativ unangetastet gelassen. Das ist nicht immer optimal aufgegangen. An Simon Böer, der sich dieser großen Aufgabe gestellt hat, lag es in meinen Augen jedenfalls nicht. Er hat einen tollen Job gemacht und hatte zudem auch tolle Zustimmungswerte in der Medienforschung. Das Publikum mochte die neue Figur, was die Lücke der über Jahre hinweg liebgewonnenen Figur aber nicht komplett schließen konnte. Insofern gilt ihm, aber auch dem ganzen Ensemble vom Lehrer und natürlich auch noch mal Hendrik Duryn unser herzlicher Dank für die wirklich herausragende Arbeit über so eine lange Zeit.

Wir sind aber überzeugt, dass die Geschichte der "Cobra" nicht auserzählt ist. Hauke Bartel, RTL Bereichsleiter Fiction

Wie geht es mit "Alarm für Cobra 11" weiter, da stehen noch acht Folgen aus. Die Serie ist kürzlich 25 Jahre alt geworden. In den vergangenen eineinhalb Jahren liefen von dem Format nur sechs Episoden in Erstausstrahlung, Ist diese Dosierung hilfreich, um einen Re-Start zu pushen?

Bei der "Cobra" spielt die Versorgungslage in Zeiten von Corona eine besondere Rolle. Richtig ist auch, dass wir uns seit der Neuaufsetzung Gedanken machen, wie es weitergeht. Dazu sind wir im Gespräch mit der Produktionsfirma. Wir sind aber überzeugt, dass die Geschichte der "Cobra" nicht auserzählt ist. Für alles Weitere bitte ich um Geduld.

Aber passt die Cobra noch ins Programm, das ja auch im Serienbereich ernsthafter geworden ist?

Wir haben die "Cobra" neu aufgesetzt. Auch im Gefäß einer Action-Serie kann man ernsthafte Themen behandeln, wie wir anhand der Geschichte von Rechtsradikalen, die die Polizei unterwandern, sehen. Das zeigt, dass man auch in diesem Punkt innerhalb der "Cobra" relevante Familienunterhaltung für ein großes Publikum umsetzen kann.

Alarm für Cobra 11 © TVNow/Guido Engels Darf sich Hoffnung machen: Erdogan Atalay ermittelt seit fast 25 Jahren als Semir Gerkhan in "Cobra 11". Für RTL sind die Geschichten noch nicht auserzählt.


Nochmal nachgehakt: Hat die "Cobra" eventuell als 90-Minüter eine Zukunft? Die öffentlich-rechtlichen Krimireihen werden immer erfolgreicher, auch bei den Jungen.

Das ist uns nicht entgangen. Die Verabredung, wöchentlich eine Stunde mit der gewohnten Lieblingsserie zu haben, ist noch ein Überbleibsel der großen Zeit der US-Procedurals, spielt zur Zeit aber nicht mehr die große Rolle in der linearen Prime-Time. Die 90er-Reihen der öffentlich-rechtlichen Kollegen, die quasi eine lose Verabredung für einen kompletten Fernsehabend eingehen, sind zunehmend an diese Stelle getreten. Damit setzen wir uns auch für die "Cobra" auseinander.

Wie geht es mit dem Genre Sitcom bei RTL weiter?

Bei "Magda macht das schon" stand fest, dass es nach der aktuellen Staffel nicht weitergehen würde. Auch "Sekretärinnen" und "Schwester, Schwester" haben leider nicht die Zuschauerzahlen erreicht, die sie für eine Fortsetzung empfohlen hätten. Was ich schade finde, weil beide Serien von tollen Teams mit viel Herzblut und großer Lust auf Unterhaltung getragen wurden. Trotzdem heißt das: Auch beim Thema Sitcom stehen die Zeichen eher auf Umbruch. Die Fiction hat wie kein anderes Genre durch das Ankommen von Streaming in der Mitte der Gesellschaft einen Wandel erlebt. Ein Wandel, den wir aktiv gestalten. Als ich gemeinsam mit Frauke Neeb die Verantwortung für die Fiction der Mediengruppe RTL übernommen habe, war schon klar, dass sich einiges verändern wird. Wir haben dann zur Berlinale im letzten Jahr den riesigen Aufschlag an neuen Serien für TVNow in Zusammenarbeit mit RTL und Vox gehabt. Dass sich daraus auch fürs lineare Line-Up große Änderungen ergeben, liegt auf der Hand.

"Es muss dann auch nicht zwangsläufig der Donnerstag sein." Hauke Bartel will bei Serien-Programmierungen flexibler werden

Bleibt es bei einem Fiction-Abend von RTL pro Woche? Früher gab es ja sogar zwei.

Grundsätzlich haben feste Fiction-Abende Vor- und Nachteile. Ich glaube sicher nicht, dass wir in Zukunft zwei Abende über das gesamte Jahr mit deutscher Fiction bespielen werden. Wir werden uns aber sehr genau anschauen, wie man bei den kommenden, neuen Projekten gewisse Gewohnheiten schaffen kann. Dabei sind wir auch offen dafür, feste Line-Ups aufzubrechen, wenn es dem Sehgenuss dient. Es muss dann auch nicht zwangsläufig der Donnerstag sein.

Was planen Sie nun anstelle von "Der Lehrer", "Schwester, Schwester" und Co.?

"Der Lehrer" ist eine starke Serie gewesen, weil sie es geschafft hat, über mehr als 90 Folgen Relevanz, Anspruch, Haltung und Erfolg zu verknüpfen. Eine herausragende Leistung – und daher an dieser Stelle auch noch mal ein riesengroßes Dankeschön an Astrid Quentell und das Team der Sony und an unseren Headautoren Yannick Posse, der die Serie von Anfang an geprägt hat.

Und dass wir mit "Der Lehrer" nicht weitermachen, heißt nicht, dass wir uns vom Ansatz, Serien mit Haltung zu erzählen und vom Thema Schule verabschieden. Die Schule ist eine Welt, in der man wichtige Themen der Gesellschaft erzählen kann. Die Sony wird bei den Überlegungen sicher ein wichtiger Partner sein. Das wird aber noch ein bisschen dauern. Spannend wird übernächste Woche die Ausstrahlung von "Wirecard" bei RTL im Rahmen eines Themenabends – übrigens ein tolles Beispiel für das enge Zusammenspiel mit TVNow, wo der Doku-Thriller bereits abrufbar ist. Dann haben wir noch acht Folgen von "Cobra 11", die finale Staffel von "Sankt Maik" und tatsächlich zeigen wir in diesem Jahr bei RTL noch Serien, die wir noch gar nicht angekündigt haben. Da bitte ich um Geduld, wir werden davon erzählen, wenn der richtige Zeitpunkt gekommen ist.

Sankt Maik © MG RTL D Steht noch aus: Von "Sankt Maik" wartet noch die finale dritte Staffel auf eine RTL-Ausstrahlung.
 

Herr Bartel, mindestens eine Serie davon muss ich Ihnen entlocken.

Ich kann Ihnen versichern, dass wir aktuell auch nach den vielen Ankündigungen der letzten Monate noch eine ganze Menge im Köcher haben. Fiction hat eine ziemlich lange Vorlaufzeit, aber ich will’s mal so formulieren – auf Umbruch folgt Angriff. Und was ich sagen kann: Als streamender Broadcaster haben wir sowohl fürs Lineare gedacht als auch für die Nutzung im Streaming. Und wir haben in Sachen Fiction viel geplant. Im vergangenen Jahr haben wir – trotz Corona – den Output in diesem Genre verdoppelt. Und wir werden ihn in diesem Jahr nochmal verdoppeln. Das ist also eine Vervierfachung binnen zwei Jahren. Und wir haben auch in Zukunft noch viel vor. Da lassen wir uns nicht von auslaufenden Serien oder von Formaten, die mal nicht klappen, entmutigen. 

Wir werden inhaltlich noch breiter und vielfältiger. RTL-Fiction-Bereichsleiter Hauke Bartel will auch künftig Programm für alle Menschen machen

Stichwort RTL United. Der Sender ist derzeit in einem Veränderungsprozess. Somit haben sich auch die Anforderungen an eine Serie für das lineare RTL-Programm verändert?

RTL macht auch künftig Programm für alle Menschen, die jüngeren genauso wie die älteren. Wir werden inhaltlich noch breiter und vielfältiger. Gleichzeitig trauen wir uns an neue Themen heran, gehen auch andere Sehvereinbarungen mit unserem Publikum ein. Denn im Linearen ist es zunehmend schwerer, klassische wöchentliche Sehgewohnheiten gerade bei Serien zu etablieren. Hier zeigt sich das perfekte Zusammenspiel mit TVNow. Der Erfolg von "Chernobyl" bei der Konkurrenz ist ein weiterer Beleg dafür, dass auch aufwändige Themen, die exzellent umgesetzt wurden, ihr Publikum finden können. Wann immer wir es schaffen, ein Thema als Must-See auf die Agenda zu setzen, werden wir damit punkten. Wir beginnen mit dem Dreh von "Faking Hitler", es kommt der "König von Palma". Das zeigt: Wir werden große Unterhaltung für die ganze Familie liefern und trauen uns an Themen, die nicht immer innerhalb von 45 Minuten zu erzählen sind. Das war bisher das unbedingte Prinzip, dass am Ende einer Episode alle Probleme gelöst sind und der Zuschauer guter Laune ins Bett geschickt wurde. Heute wollen wir noch mehr berühren, zum Nachdenken anregen und den Austausch mit der Familie fördern.

KBV © TVNow Herausragendes Beispiel für maximale Serienvielfalt: "Keine besonderen Vorkommnisse"


Wie zufrieden sind Sie mit den zurückliegenden TVNow-Neustarts? Da gibt es ja keinen Einblick in die Abrufzahlen.

TVNow hat gerade erst im März neue Rekorde aufgestellt. Wir sind hoch zufrieden mit der Entwicklung. Und Fiction spielt dabei immer eine zentrale Rolle. TVNow war in der Wahrnehmung vieler vor allem für Soaps und Reality bekannt. Dass es dort jetzt auch immer mehr exklusive und hochkarätige deutsche Fiction gibt, spricht sich herum. Inhaltlich setzen wir bei den TVNow-Serien bewusst auf maximale Vielfalt. Wir wollen überraschen und für unterschiedliches Programm sorgen, "KBV – Keine besonderen Vorkommnisse" war ein herausragendes Beispiel. Hier arbeiten wir bereits an einer zweiten Staffel. Von Serien wie dieser wollen wir noch mehr machen. Andere Serien waren immer als Miniserie geplant, etwa das gerade mit dem C21Media Award als "best scripted format" ausgezeichnete "Unter Freunden stirbt man nicht".

Bei Vox hätte die Serie sicher mehr Zuschauer verdient gehabt. Da lernen wir tagtäglich dazu und sehen schon jetzt spannende Wechselwirkungen, weil durch die lineare Ausstrahlung nochmals Aufmerksamkeit auf TVNow gelenkt wird. Nicht fortsetzen werden wir dagegen "Even Closer". Wir haben da echt etwas gewagt. Es war ein Stoff, der sich getraut hat, weiterzugehen als der Zuschauer es gewohnt ist. Wir waren mit dem Ergebnis wirklich zufrieden und das wurde von einer begeisterten Seherschaft auch goutiert. Am Ende hat es leider nicht gereicht. Das schon angesprochene "KBV – keine besonderen Vorkommnisse" haben wir bereits vor dem Start in eine zweite Staffel geschickt und stellen jetzt fest: Die Zahlen geben uns recht. Und in Kürze starten wir mit "Tilo Neumann und das Universum" schon das nächste Projekt. 

Herzlichen Dank für das Gespräch!

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