Herr Waßer, Herr Danner. Sie begleiten die Formel 1 bei RTL gemeinsam seit mehr als 20 Jahren. Ich muss ehrlich sagen: In meinen jungen Jahren konnte ich nie wirklich unterscheiden, wer von Ihnen Experte und wer Kommentator ist. Ist das für Sie Lob oder Affront?
Heiko Waßer: Ich müsste das ja als Lob auffassen.
Christian Danner: Und ich als Affront.
Waßer: Christian müsste eigentlich beleidigt sein.
Danner: Das bin ich auch! (lacht)
Waßer: Es kommt ja immer darauf an, wie man die Sache angeht. Wir haben es immer so gehalten, dass ich der Journalist war, der die Zuschauer durch das Programm führt und auch so banale Dinge wie "Guten Tag" und "Auf Wiedersehen" sagt. Ich habe auch immer in die Werbung abgegeben und die Gewinnspiele moderiert. Der Experte ist für die fachlichen Dinge zuständig.
Mir kam es immer so vor, als würden Sie beide sehr gleichberechtigt sein und Dinge erklären.
Waßer: Logischerweise lernt man als Journalist ein permanent dazu, wenn man das über so viele Jahre hinweg gemeinsam macht. Natürlich gelingt es mir inzwischen auch, zu erkennen, ob ein Auto über oder -untersteuert. Ich halte es aber nach wie vor für besser, wenn ich das Christian erklären lasse. Er ist der Experte und ihm glauben die Zuschauer solche Sachen immer mehr, aber natürlich kann er das eine oder andere auch doch noch ein bisschen besser als ich.
Ich habe mich journalistisch nie auf die Übertragungen vorbereitet. Nie.
Christian Danner
Danner: Wir haben uns die Aufgaben in all den Jahren immer geteilt. Dazu gehört natürlich, dass man mit vier Augen versucht, alles im Blick zu haben, was da so kommt und passiert. Bei der Interpretation und der Analyse, die man als Live-Kommentator und Live-Experte immer sofort machen muss, haben wir uns gut abgestimmt. Ich lehne mich gern aus dem Fenster und sage, was Sache ist. Heiko führt dann weiter durch den Rennverlauf. Wir machen das ja für unsere Zuschauer und man muss das, was die Menschen zu Hause sehen, mit dem würzen, was bei ihnen das Verständnis und damit auch den Spaß an dem Sport steigert. Das ist unsere Aufgabe gewesen und das haben wir als Team, denke ich, gut hinbekommen.
Waßer: Ich erkläre ja manchmal auch bewusst weniger, als ich weiß. Einfach, um Christian die Bühne zu geben, damit er den Zuschauern gewisse Dinge vernünftig erklären kann. Sachen, die ich sehe oder schon kenne, hat der Zuschauer so vielleicht noch nie gesehen. Und deshalb stelle ich manchmal auch bewusst naive Fragen, um Christian Gelegenheit zu geben, damit er das vernünftig erklärt.
Waßer: Die Phase mit Jochen war nicht immer einfach, weil Jochen zwar auch extrem viel wusste, aber rhetorisch, ohne ihm zu nahe treten zu wollen, nicht so schnell und eloquent war wie Christian. Wir hatten häufig das Problem, dass sich Jochen verhedderte und zu kompliziert erklärte. Als Duo ist das ein Problem. Wenn der eine nicht funktioniert, wird auch der andere mit nach unten gezogen, der Kommentar wirkt unharmonisch und man steht schnell in der Kritik. Als Christian und ich bei dem sehr geschätzten Coach Ernst Huberty bei einem Probe-Kommentar waren, hat er sofort gesagt, dass das mit uns beiden definitiv funktioniert. Dieses Gefühl hatte ich damals auch gleich. Nach unserer ersten gemeinsamen Sendung habe ich meine Mama angerufen und sie hat gesagt, dass ich viel entspannter und glücklicher kommentiert hätte.
Danner: Ich hatte auch ein gutes Gefühl. Es ist mir aber auch nie schwergefallen, weil ich ja in meinen Gewässern geschwommen bin. Ich fühle mich pudelwohl im Umfeld des Motorsports. Und ich denke, dass ich auch schnell gewusst habe, worauf es ankommt.
Worauf kommt es denn an?
Danner: Es geht darum, dass man den Zuschauern diese unglaubliche Faszination, ein Formel-1-Auto zu fahren, näherbringt. Das habe ich sofort zum Ausdruck bringen können. Und ich glaube, meine Begeisterung für den Sport hat auch Heiko noch mehr Spaß gebracht an einem Metier, bei dem er bis dahin ein wenig Schwierigkeiten hatte, die Harmonie zu finden. Es hat bei uns von Anfang an gut gepasst. Wir haben uns dann auch über die ganzen Jahrzehnte hinweg immer fair und konstruktiv kritisch mit den Dingen auseinandergesetzt. So haben wir uns durchgehangelt und weiterentwickelt.
Wie hat sich Ihre Arbeit denn in den mehr als 20 Jahren verändert?
Waßer: Sie hat sich in erster Linie in der Art der Vorbereitung verändert. Mit dem Internet ist es natürlich viel leichter geworden, Dinge zu recherchieren. In den ersten Jahren bin ich von Pressesprecher zu Pressesprecher gerannt und habe mir Karteikarten geschrieben. Die waren bunt, damit ich sie möglichst schnell greifen konnte - blau für Williams, rot für Ferrari, weiß für McLaren und gelb für Benetton. Ich habe mir teilweise sogar ausländische Zeitungen übersetzen lassen, um möglichst gut informiert zu sein. Im Internet bekomme ich heute viel mehr und vor allem schnellere Infos.
In dieser Saison waren Sie Corona-bedingt oft nicht direkt an der Strecke, sondern saßen im Studio in Köln. Was war da der größte Unterschied zu "normalen Rennen"?
Danner: Ich bin seit 40 Jahren jedes Wochenende an der Rennstrecke, in diesem Jahr bin ich jedes Renn-Wochenende in Köln. Das ist schon eine sehr besondere Herausforderung. Ich liebe die Nähe zu den Rennautos und zum Motorsport und das findet nun einmal nicht im Studio statt. Auch der direkte Kontakt zu den Protagonisten geht ein wenig verloren. Deswegen hatte ich damit schon meine liebe Not. Ich habe mich journalistisch nie auf die Übertragungen vorbereitet. Nie. Ich habe mich immer motorsportlich vorbereitet. Das geht an der Strecke wesentlich besser als im Studio. Trotzdem habe ich natürlich sehr viel telefoniert und den Kontakt zu den Beteiligten nie abreißen lassen. Die Zuschauer haben dadurch also vermutlich gar keinen Nachteil gehabt.
Waßer: Die Zuschauer haben es wahrscheinlich wirklich kaum gemerkt. Aber trotzdem: An einem normalen Rennwochenende fahren wir sonntags zur Strecke, trinken Kaffee und frühstücken vielleicht bei Mercedes. Und irgendwann läuft dann eben Chef-Stratege James Vowles durch den Raum. Und wenn man Glück hat, kann man den kurz abgreifen und zwei Sätze mit ihm reden. Und oft genug bekommt man dann Dinge mit, die man gut in die Berichterstattung einfließen lassen kann. Das geht aus Köln nicht. Das perfekte Rennen kann man nur von vor Ort kommentieren.
Für mich war das schlicht ein Schock.
Heiko Waßer über den Rechteverlust von RTL
Was bleibt für Sie jetzt hängen nach mehr als 20 bzw. 25 Jahren Formel 1 bei RTL?
Waßer: Man sagt ja immer, der letzte Eindruck ist der, der bleibt. Ich finde das Ende alles andere als schön und ich hätte es mir anders gewünscht. Ich fühle wie Millionen von Fans, die in der nächsten Saison keine Formel 1 und auch keinen Mick Schumacher mehr bei RTL sehen können. Mir hat es immer Spaß gemacht und ich müsste lügen, wenn ich sagen würde, dass ich nicht sehr gerne weitermachen würde. Vor allem Mick zu kommentieren, hätte für mich die Klammer geschlossen.
Danner: Ich hätte "meine" Sportart auch weiterhin gerne einem breiten Publikum nahegebracht, ich sehe es aber nicht ganz so traurig wie Heiko. Die Formel 1 hat es für mich vor meiner RTL-Zeit gegeben und es wird sie auch danach geben. Es war ein großes Glück, dass wir bei RTL so schöne Jahre hatten. Nicht, weil wir durch die Welt getingelt sind. Sondern weil es uns gelungen ist, die Formel 1 für ein breites Publikum in der Mitte der Gesellschaft ankommen zu lassen. Das hat Jahre gedauert und wir bekommen jetzt rührende E-Mails, in der uns die Menschen erzählen, wie sie ihre Jugend mit uns verbracht haben. Ich komme ja aus einer Zeit, in der die Formel 1 als sittenwidrig galt und deshalb im Fernsehen nicht stattgefunden hat.
Wieso hat die Formel 1 in den vergangenen Jahren so an Attraktivität eingebüßt?
Danner: Wenn zum ersten Mal ein deutscher Held eine Sportart erobert, entsteht ein Hype. Das war damals bei Michael Schumacher so, es ist aber auch klar, dass das eine Zeiterscheinung war. Die Stabilität, die wir über den langen Zeitraum halten konnten, ist schon enorm.
Waßer: Natürlich haben wir weniger Zuschauer als zur Glanzzeit von MSC, aber grundsätzlich ist es ja so, dass Menschen heute weniger Fernsehen schauen. Als "Titanic" das erste Mal im Fernsehen lief, haben das neun Millionen Menschen gesehen. Wenn Sie heute einen Blockbuster zum ersten Mal zeigen, gucken den im Free-TV bei uns oder bei ProSieben nur noch dreieinhalb oder vier Millionen Menschen. Die vier Millionen, die wir in dieser Saison bei der Formel 1 konstant hatten, sind gigantisch und für mich gleichzusetzen mit den zehn Millionen der Ära Schumacher. Auch wenn ich mir angucke, dass wir samstags am Nachmittag beim Qualifying bis zu zwei Millionen Zuschauer haben und abends sogar die Showtitanen Jauch, Gottschalk und Schöneberger teilweise deutlich weniger Publikum vor die TV-Geräte locken.
RTL hat den Ausstieg mit dem Finanziellen begründet, die Formel 1 sei wirtschaftlich nicht mehr vertretbar gewesen. Sky soll deutlich mehr geboten haben und auch die Show mit Jauch, Gottschalk und Schöneberger dürfte ja nicht ganz so viel kosten wie die Formel-1-Rechte.
Waßer: Ich weiß weder genau, was welche Show kostet, noch, was wir letztlich für die Formel 1 bezahlt haben bzw. in den nächsten Jahren hätten bezahlt sollen. Sport, egal ob Fußball, Boxen oder Formel 1, war und ist immer ein teures und selten kostendeckendes Vergnügen. Das liegt an den hohen Rechte- und Produktionskosten, außerdem kann man Sport nicht 30 Mal wiederholen wie Quincy oder Dr. House. Aber Sport und bei RTL vor allem die Formel 1 brachte und bringt Aufmerksamkeit, Prestige und hohe Quoten. Dazu schieben die Sportformate oft genug nachfolgende Sendungen an. Außerdem ist ein erfolgreiches Produkt, wie es die Formel 1 fast drei Jahrzehnte lang war, auch ein Aushängeschild für einen Sender und bestimmt die Werbeerlöse maßgeblich mit. Mir haben so viele Zuschauer geschrieben, dass die Formel 1 einfach zur DNA von RTL gehört und das denke ich auch. Irgendwie ist es fast so, als wenn die ARD plötzlich keinen Tatort und keine Tagesschau mehr senden würde.
Wie haben Sie den Moment erlebt, als Sie mitbekommen haben, dass RTL die Rechte nicht verlängert? Haben Sie es vorher gewusst?
Waßer: Für mich war das schlicht ein Schock. Ich hatte davon vorher gar nichts geahnt und ich glaube auch nicht, dass irgend jemand in der Redaktion davon auch nur auch nur ansatzweise etwas gehört hatte. Ich glaube übrigens auch, dass Hersteller wie Mercedes überrascht sein werden, zu sehen, was es bedeutet, wenn die Formel 1 in der Autonation Deutschland künftig kaum noch im Free-TV stattfindet. Selbst wenn sich von den vier Millionen RTL-Zuschauern 10 Prozent ein Pay-Abo kaufen, bleiben immer noch 3,6 Millionen Menschen auf der Strecke und die werden und können dann eben keine Formel 1 mehr schauen. Wenn Mercedes 2021 zum achten Mal Weltmeister wird, werden sie sich wundern, dass es kaum noch jemand mitbekommt. Nicht von ungefähr habe ich mir daher im Frühjahr Vettel statt Bottas an Hamiltons Seite im Mercedes gewünscht.
Wie geht es für Sie beide jetzt nach der Formel 1 bei RTL weiter?
Danner: Ich bleibe dem Motorsport und auch der Formel 1 treu. Außerdem mache ich nebenbei noch Formel E und darüber hinaus nehme ich meine Aufgaben beim Automobilclub von Deutschland wahr. Ich bin Motorsport und ich bleibe Motorsport. Und vielleicht bin ich ja auch mal wieder als TV-Experte irgendwo bei der Formel 1 zu sehen, auf jeden Fall im Umfeld des Motorsports.
Waßer: Erstmal werde ich viel mit meinen drei Hunden spazieren gehen. Dann gibt es die Chance, bei BVB TV mitzumischen, für mich als Dortmunder und BVB-Fan perfekt. Und sobald die Corona-Situation wieder Veranstaltungen zulässt, werde ich auf Tour gehen und unter dem Namen "Boxenstopp" die besten Geschichten und Erlebnisse aus 30 Jahren Formel 1 auf der Bühne im Stil eines Comedy-Programms präsentieren. Da gibt es noch eine Menge Geheimnisse auszuplaudern.
Herr Waßer, Herr Danner - vielen Dank für das Gespräch!