Herr Baumann, mit "ÜberWeihnachten" melden Sie sich als Autor, Regisseur und Produzent im freien Kreativmarkt zurück, nachdem Sie drei Jahre Geschäftsführer bei Brainpool TV waren. Wie hat diese Zeit Ihren Blick auf die Arbeit verändert?
Ich habe die produzentische Tätigkeit in dieser Zeit durchaus lieben gelernt. Als Produzent ist man noch viel umfassender verantwortlich und kann ein Projekt wirklich von Anfang bis Ende mitgestalten. Um Finanzierungspartnerschaften, die ein Projekt erst ermöglichen, oder um Marketingkampagnen, die für eine erfolgreiche Herausbringung sorgen, hatte ich mich als Regisseur vorher nicht gekümmert. Diese Erfahrungen haben dazu geführt, dass ich solche Konstellationen gern auch in Zukunft haben möchte. Was mir in den drei Jahren aber doch stark gefehlt hat, war das direkte kreative Hands-on am Set, mal abgesehen von den drei Folgen, die ich für die neunte "Pastewka"-Staffel gedreht habe. Jetzt kommt alles zusammen und ich profitiere von dem, was ich bei Brainpool übers Produzentenhandwerk gelernt habe. "ÜberWeihnachten" hat sich so ein bisschen angefühlt wie meine Abschlussprüfung als Produzent. (lacht)
Und dann hatten Sie es gleich mit erschwerten Bedingungen wegen Corona zu tun.
Wir sind vergleichsweise glimpflich davongekommen. Die Produktionsvorbereitungen waren weitestgehend vor Weihnachten 2019 abgeschlossen, direkt im Januar haben wir angefangen zu drehen. Eine Woche vor dem ersten Lockdown im März war unser Drehschluss. Die einzige Szene, die wir nachdrehen mussten, war ein Konzertauftritt vor großem Publikum von Bastian Kollinger alias Luke Mockridge. Das hatten wir eigentlich für Lukes Live-Tour geplant, die natürlich nicht stattfinden konnte. Glücklicherweise konnten wir das mit vorhandenem Material von seinen vergangenen Touren und Visual Effects lösen. Den kompletten Schnitt haben wir vom Homeoffice aus gemacht. Mein Editor saß in der Pfalz, ich in Köln. Netflix hat uns technisch so ausgerüstet, dass ich seinen Monitor in Echtzeit sehen konnte. Ehrlich gesagt, konnten wir dadurch sehr konzentriert, ungestört und zeitlich flexibel arbeiten.
Luke Mockridge gibt sein Debüt als Schauspieler in einer fiktionalen Produktion und ist Koproduzent des Dreiteilers – eine ziemliche Fallhöhe also. Wie hat die Zusammenarbeit funktioniert?
Wie geht's für Sie jetzt weiter? Einmal Showrunner, immer Showrunner?
Ich bin auf der einen Seite Regisseur, den man nun wieder für die Umsetzung schöner Film- und Serienstoffe anfragen kann, auch wenn ich nicht an der Drehbuchentwicklung beteiligt war. Auf der anderen Seite gibt es diverse Projekte, die ich von der ersten Idee an mit verschiedensten Partnern entwickle – und noch mehr Ideen, die in meinem Kopf herumschwirren. Das läuft dann auf Konstellationen hinaus, in denen ich mehr bin als nur Regisseur. Wobei ich ganz klar der Meinung bin, dass Regisseure heutzutage eh umfassender denken müssen und auch einen Blick fürs Produktionsmanagement haben sollten. Mich reizt diese Mehrgleisigkeit. Nie gab es mehr Optionen als heute, sich je nach Projekt mit dem richtigen Partner zusammenzutun.
"Dank Netflix und Amazon haben die TV-Sender gemerkt, dass sie mehr tun müssen, um im Wettbewerb zu bestehen"
Tobi Baumann
Bei Ihnen waren das zuletzt die beiden großen Streaming-Plattformen Netflix und Amazon Prime Video. Welchen Einfluss haben die auf den deutschen Fiction-Markt?
Zunächst einmal gibt es jetzt natürlich deutlich mehr Möglichkeiten, Stoffe zu platzieren. Die längste Zeit meiner Laufbahn als Fernsehmacher hieß die entscheidende Frage, wenn man ein neues Projekt an den Mann bringen wollte: öffentlich-rechtlich oder privat? Dank Netflix und Amazon haben auch die klassischen TV-Sender gemerkt, dass sie mehr tun müssen, um im Wettbewerb zu bestehen. Dadurch werden mittlerweile auch Genres und Formate bedient, die es bislang im Fernsehen schwerer hatten. "ÜberWeihnachten" ist ein gutes Beispiel dafür. Zwar wird Weihnachten als Thema immer gern genommen, aber es gibt im klassischen TV relativ wenige Slots für ein solches Format. Wir reden hier eben über ein begrenztes Zeitfenster in den Wochen vor Weihnachten, und dafür haben sich über die Jahre schon ziemlich viele Klassiker angesammelt, die immer wieder laufen. Ich kenne das aus meiner Familie: "Tatsächlich... Liebe" und "Liebe braucht keine Ferien" sind bei uns in den kommenden Wochen Pflichtprogramm. Wenn man einen expliziten Weihnachtsstoff neu produziert, liegt er danach erstmal ein Jahr brach, weil ihn ja niemand im April angucken mag. Das Spannende bei einem Streamer wie Netflix ist, dass "ÜberWeihnachten" jetzt zum festen Teil der Bibliothek wird und jedes Jahr um diese Zeit in die erste Reihe zurückgeholt werden kann. Den Gedanken, dass das dann auch noch weltweit passiert, finde ich natürlich sehr reizvoll.
Herr Baumann, herzlichen Dank für das Gespräch.
"ÜberWeihnachten", ab sofort bei Netflix