Die ndF ist alleine in diesem Jahr bei der Bravado Fiction in Belgien eingestiegen und hat zusammen mit ZDF Enterprises ein Joint Venture für fiktionale Produktionen gegründet. Hinzu kommen noch viele andere Tochterunternehmen und Beteiligungen. Haben Sie eigentlich noch einen Überblick über das Firmengeflecht der ndF? Als Außenstehender kann man da ja schon mal durcheinander kommen.

Sie würden sich wundern! Ja, ich habe noch einen Überblick. So kompliziert ist es auch gar nicht. Wir sind gewachsen und haben einige neue Unternehmungen dabei, aber ich kann das noch alles sehr gut überblicken.

Da bin ich beruhigt. Neben Bravado Fiction ist die ndF auch an der italienischen Viola Film beteiligt. Was steckt dahinter? Ist das der erste Schritt zu einer großen europäischen Expansion?

Wir verfolgen nicht wirklich eine Expansionsstrategie wie andere Unternehmen, zum Beispiel etwa ITV, Banijay oder Fremantle. Mit denen wollen wir uns auch nicht vergleichen. Bravado und Viola sind klassische Produktionsfirmen und die Beteiligung hat ganz viel mit den Personen dahinter zu tun. Das sind Menschen, die insbesondere mir sehr gut bekannt sind. Und in beiden Fällen sind es Produzenten, die selber mal was versuchen wollten. Insofern sind das auch für uns keine übermäßig großen Investitionen.

Und warum Italien und Belgien?

Den italienischen Markt kenne ich sehr gut und der ist auch für uns sehr attraktiv. Italien ist schon lange sehr mit dem deutschen Markt verbunden, gerade bei Ko-Produktionen. Da haben wir ein Spielfeld, um rein italienisch, aber auch darüber hinaus, zu denken. Belgien ist auch durch die Nähe zu Deutschland interessant. Gleichzeitig ist Belgien ein Markt, in dem viele spannende Projekte entstehen. Wir wollen unser Geschäftsmodell in diese beiden Märkte übertragen: Auch dort wollen wir ein guter und zuverlässiger Produzent mit den richtigen Köpfen sein.

Sind weitere Beteiligungen im europäischen Ausland geplant?

Wir suchen das nicht. Am Ende des Tages besteht eine gute Produktionsfirma aus Menschen, da braucht es keine großen Strukturen. Wenn es die richtigen Personen gibt, die zu uns passen, ist das für uns interessant. Wir wollen uns aber nicht aufblasen und Beteiligungen dann möglichst gewinnbringend verkaufen.

Die ndF produziert vor allem für die Öffentlich-Rechtlichen. Welchen Stellenwert haben die Privaten?

Natürlich sind die Privaten für uns sehr interessant. Historisch gesehen waren wir lange ein wichtiger Geschäftspartner von ProSiebenSat.1. In der Vergangenheit ist hier in Unterföhring nicht allzu viel passiert, weil die Kollegen einfach wenig fiktionales Programm gemacht haben. Mit RTL sind wir derzeit in sehr guten Gesprächen und auch in einer konkreten Entwicklung. Dazu dann ein anderes Mal mehr. Die sind für uns aber ein spannender Partner, weil sich dort in letzter Zeit eine ganz andere Denkweise was die Fiction betrifft durchgesetzt hat. Außerhalb der Fiction arbeiten wir etwa mit SpinTV sowieso nur für die Privaten.

"Wir liegen mit dem Budget bei rund 30 Prozent von dem, was 'Westworld' kostet."
Eric Welbers über das Budget der geplanten "Schwarm"-Serie

Wird die Non-Fiction für die ndF in den nächsten Jahren tendenziell wichtiger? Derzeit überwiegt das Fiktionale ja schon sehr.

Auch da fahren wir keine sehr expansive Strategie, sind in dem Bereich aber wahrscheinlich ein größerer Player, als viele wissen. Das liegt daran, dass wir über die Securitel "Aktenzeichen XY" produzieren. Aus diesem Know-How heraus ergeben sich noch mehr Möglichkeiten. Wir sind in den letzten Jahren in der Non-Fiction leicht gewachsen und überlegen auch, wie wir in diesem Bereich noch größer werden können. Deshalb haben wir Ende 2018 auch René Carl zu uns geholt. Die Non-Fiction soll für uns weiterhin ein wichtiges Standbein bleiben.

Sie sind jetzt seit fünf Jahren bei der ndF, wie würden Sie die Zeit beschreiben und wie hat sich die ndF entwickelt?

Für mich persönlich war und ist es eine sehr spannende Zeit. Ich bin zur ndF gekommen, um näher an die Produktion und die Entstehung von Inhalten zu gelangen und hatte in den letzten fünf Jahren das Privileg, viel lernen zu dürfen. Vor allem dieses Coronajahr habe ich sehr viel über Produktion gelernt, auch wenn ich ein normaleres Geschäftsjahr bevorzugt hätte. Grundsätzlich ändert sich der Markt rasant, seit zwei Jahren gibt es einen regelrechten Boom. "Der Schwarm" zeigt, dass man inzwischen auch in Deutschland mit völlig neuen Ideen arbeiten kann. Das sind neue Dimensionen und wir mussten auch erst einmal schauen, wie wir uns da zurechtfinden. Gleichzeitig haben wir ein sehr stabiles Geschäft. Bei uns ist das Ende einer Staffel oft der Beginn einer neuen. Es ist viel mehr Arbeit als viele denken, eine Serie lange am Leben zu halten, als sich eine neue Serie auszudenken. In diesem Bereich bin ich sehr stolz auf meine Kollegen bei der ndF.

"Wenn es zu einem weiteren Lockdown kommt, sprechen wir nicht mehr nur von vereinzelten Produzenten. Das wäre für viele kaum zu verkraften."

Wird sich die Branche weiter in dem bisherigen Tempo verändern?

Das ist eine spannende Frage. Ich bin ja Diplomkaufmann und als solcher lernt man Dinge wie: Jeder Euro, der ausgegeben wird, muss auch irgendwo herkommen. Im Moment mache ich mir schon ein bisschen Sorgen. Alle Hilfen, die jetzt kommen und die wir erfragen, haben einen Ursprung - und diese Gelder werden künftig irgendwo fehlen. Auch bei den Öffentlich-Rechtlichen, die derzeit viel machen, um die Branche zu stützen, wird sicherlich in den nächsten ein bis zwei Jahren Geld fehlen. Bei den Privaten kann man das schon heute mit Sicherheit sagen. Da gibt es jetzt schon große Einschnitte. Daher wird die Coronakrise die Entwicklung unseres Marktes beeinflussen. Wie genau, das kann heute niemand sagen.

Glauben Sie, dass es zu einem Produzentensterben durch die Krise kommt?

Die Fragen, die wir uns alle stellen, sind: Wie geht es weiter? Gibt es einen zweiten Lockdown? Die Konsolidierung des Marktes ist ja schon seit zehn Jahren im Gange. Ich habe zwar keine konkreten Beispiele dafür, aber die Vermutung liegt nahe, dass Corona diesen Prozess beschleunigt. Wer soll denn alle und alles retten? Was ich Ihnen versprechen kann: Wenn es zu einem weiteren Lockdown kommt, sprechen wir nicht mehr nur von vereinzelten Produzenten. Das wäre für viele kaum zu verkraften. Derzeit haben viele Firmen ihre Produktionen verschoben. Wenn das Ganze aber irgendwann nicht mehr aufzuholen ist, wird es allen schlecht gehen. Dann werden wir auch sehen, dass wir in Deutschland finanziell viel schwächer aufgestellt Produzenten haben als in anderen Ländern.

Herr Welbers, vielen Dank für das Gespräch!