Frau Aigner, wie arbeitet Discovery in Zeiten der Corona-Krise?
Wir haben seit Anfang vergangener Woche global alle Mitarbeiter ins Home Office geschickt. Es gibt natürlich Ausnahmen, z.B. Mitarbeiter, die für den Sendebetrieb verantwortlich sind, können das aus technischen Gründen nicht von zu Hause erledigen. Doch lautet die generelle Ansage bei Discovery: Die Gesundheit der Mitarbeiter steht an erster Stelle und ihr arbeitet von zu Hause. Und das gilt für alle, für jedes Office und jedes Land. Die Sternstraße ist derzeit also tatsächlich verwaist. Da sitzt aktuell überhaupt niemand mehr.
Jetzt wurden Videokonferenzen bei einem internationalen Konzern wie Discovery sicher schon vorher genutzt. Wie lief der „Umzug“ ins Home Office?
Da gibt es mehrere Aspekte, die berücksichtigt werden müssen. Wir haben schon vor längerem den Mitarbeitern die Möglichkeit gegeben, von zu Hause zu arbeiten, wenn sie möchten. Für die war es nicht so neu. Ich selbst gehe lieber ins Büro, da ich den persönlichen Kontakt zu meinen Kollegen schätze, aber auch ich habe vorher schon testen können. Die größte Herausforderung in der vergangenen Woche lag darin, die Technik zu regeln. Wir haben allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern einen Arbeits-Laptop zur Verfügung gestellt, sofern sie noch keinen hatten. Das so kurzfristig hinzubekommen, war eine Sache von lediglich zwei, drei Arbeitstagen. Das gelang uns reibungslos, weil Discovery global eine Supply Chain aufgebaut hat, die es uns ermöglicht, schnell an Hardware heranzukommen. Die funktionierende Technik ist die eine Sache,doch viel wichtiger ist das Menschliche. Wenn man ausschließlich über Videokonferenzen und Telefon kommunizieren muss, ist das etwas ganz anderes, als wenn du dich in einen Flieger oder in einen Zug setzt und persönlich an einem Gespräch teilnimmst. Das soziale Miteinander, die Motivation und den Informationslauf oben zu halten, wird in den nächsten Wochen die eigentliche Herausforderung sein.
Auf welchem Weg kommuniziert Discovery?
Über Zoom. Ein nicht mehr zu wegzudenkendes Tool. In dieser Zeit ist es meiner Meinung nach besser, zu viel zu kommunizieren als zu wenig. Ich möchte, dass sich jeder bei Discovery immer noch als Teil von einem Team fühlt, egal wo auf der Welt er oder sie gerade sitzt. Das ist das A und O, auch um die Moral oben zu halten. Deswegen gibt es beispielsweise schon virtuelle Team-Meetings morgens zum gemeinsamen Kaffeetrinken. Es gibt Team-Lunches, wo jemand sagen kann: „Hey, ich möchte nicht alleine essen, hat jemand Lust virtuell dabei zu sein?“ Jeden Mittwochvormittag hätten wir ansonsten Pilates im Büro - nun haben sich bereits 30 Leute zusammengefunden, die das per Videokonferenz gemacht haben. Es gibt zahlreiche Initiativen auf unserer internen Workplace-Plattform, wo Kollegen Tipps zur Kinderbeschäftigung, zum Wellbeing, für den Umgang mit Home Office finden, sich aber auch ganz individuellen und vertraulichen Support holen können. Aber es kommen im Büro natürlich noch viel mehr Gespräche immer mal wieder zwischendurch zustande, die man hier nicht einfach inszenieren kann. Mir ist aufgefallen, dass doch ziemlich viel spontan „zwischen Tür und Angel“ besprochen wird. Das können Videokonferenzen nach den Erfahrungen der letzten Tage natürlich leider nicht ersetzen.
Videokonferenzen sind halt immer deutlich fokussierter als persönliche Treffen, was Licht und Schatten hat.
Was wir aber gemacht haben, und das war eine sehr interessante Erfahrung letzte Woche: Ein All-Staff-Meeting, das auch richtig emotional wurde. All unsere Mitarbeiter waren im Stream vertreten und das war doch sehr berührend. Da hat man diesen One-Team-Gedanken, der uns bei Discovery wichtig ist, wrklich sehr intensiv erlebt. Bei dem Meeting wurde jedem klar: Das ist jetzt erstmal kein Business as usual mehr.
Eine solche Situation verlangt auch viel Vertrauen und Verständnis vom Arbeitgeber und Arbeitnehmer...
Guter Punkt. Wir haben Familienväter und -mütter, um die wuseln kleine Kinder herum und die haben kein abgeschlossenes Arbeitszimmer. Da kann ich nicht darauf bestehen, dass die Leistung immer zu 100% erfüllt wird, wie es im Büro der Fall wäre. Auch die Kernarbeitszeiten wurden erst einmal abgeschafft. Flexibilität ist momentan das A und O. Und wenn das Kind wichtiger ist, dann ist das eben so - und wenn das Kind bei einer Videokonferenz durchläuft, dann ist das auch vollkommen in Ordnung. Vertrauen, Verständnis und Flexibilität sind gerade die wichtigsten Themen, die man transportieren muss.
In einem Interview mit Turi2 sagten Sie vor einem Jahr, der beste Rat Ihrer Mutter sei gewesen, dass es keinen Schaden ohne Nutzen gibt. Ist es zu früh die Frage zu stellen, ob aus dieser Krise etwas Positives hängen bleiben wird?
Ich bin fest der Meinung, das etwas hängen bleiben wird. Diese Erfahrung wird uns als Gesellschaft und auch als Menschen verändern. Auch die Art, wie wir zusammenarbeiten, sowohl intern als auch extern, wird sich verändern. Manche Änderungen in den Abläufen werden sich bewähren und bleiben, andere nicht. Ich bin mir aber sicher, dass wir uns, wenn wir denn wieder dürfen, weiterhin in den Flieger und in den Zug setzen werden, um Termine persönlich wahrzunehmen. Diese Zeit zeigt uns sehr deutlich, wie wichtig das Miteinander ist. Ich hoffe also, dass es weiterhin persönliche Begegnungen gibt. Die können umso wertvoller sein, wenn wir im Arbeitsleben manches mehr digitalisiert erledigen.
Wie abhängig ist Discovery in Deutschland von der Entwicklung des Werbemarktes? Wie wertvoll ist das Pay-TV-Geschäft jetzt?
Lassen Sie es mich so formulieren: Die Säulen, auf denen unser Geschäft aufgebaut ist, geben uns viel Rückhalt und Zuversicht. Natürlich wird die Situation auf aktuelle Produktionen Auswirkungen haben, doch muss jetzt die Gesundheit an erster Stelle stehen. Was wir nicht haben werden, und da reden wir vom Factual-Bereich nicht vom Sport-Bereich, ist ein Engpass, was Programmnachschub angeht. Erstens gehört uns der Content, den wir produzieren, auch selber und zweitens haben die Programme eine hohe Lebensdauer. Die Sendesicherheit ist in jedem Fall gewährleistet. Sport ist natürlich ein anderes Thema.
Gutes Stichwort. Eurosport macht programmlich vermutlich die meisten Sorgen - und dann noch die verschobenen Olympischen Spiele…
Die Situation im Sport ist an allen Ecken und Enden eine Herausforderung und sicher nicht zuerst bei denen, die ihn übertragen. Aktuell können wir keinen Live-Sport zeigen - so wie jeder Sender, der sonst Live-Sport zeigen würde. Da finde ich die Kreativität und die Ideen, die derzeit im Sport-Bereich neu entstehen, faszinierend. Wir haben jetzt innerhalb kürzester Zeit Podcasts und Vodcasts initiiert. Das ist jetzt nichts, was on air passiert, aber hier können wir weiterhin mit unseren Kommentatoren und Experten zusammenarbeiten. Wir werden 35 Episoden produzieren, die wir nutzen können. Die Kollegen sind also von Vollgas von mehr als 50% Live-Strecke pro Tag für einen kurzen Moment auf Null runtergebremst worden, um zwei Tage später wieder mit einem neuen Konzept durchzustarten. Da steckt jede Menge Energie dahinter. Aber natürlich würden wir alle gerne wieder Live-Sport machen, das ist unsere Leidenschaft.
Weil wir eben schon den Werbemarkt gestreift hatten. Welche Reaktionen bekommen Sie denn von dort?
Es gibt natürlich Kunden, die sagen, dass ihre Werbekampagne in diesem Moment erst einmal keinen Sinn mehr macht. Da findet man dann partnerschaftliche Lösungen. Es gibt aber auch Kunden, die ganz schnell darauf reagieren und sagen: „Jetzt erst recht“. Und da kann es sich um Danke-Werbung an die Mitarbeiter und Menschen im Gesundheitswesen handeln, oder eben um Produkte, die nun mehr denn je gebraucht und gekauft werden, weil Menschen 24/7 zu Hause sind. Das sehen wir also in beide Richtungen. Wie sich das mittel- und langfristig entwickeln wird, kann derzeit niemand sagen. Wann wir wieder zur Normalität zurückkehren können, ist die größte Unbekannte.
"In Zeiten wie diesen ist Ablenkung durch Unterhaltung gefragter denn je."
Wie sehen die nächsten Programm-Highlights aus, die eure Sender in der Pipeline haben, die nicht so betroffen sind?
Worauf wir uns sehr gefreut haben, ist der Start von „Sidneys Welt“, die Serie ist gerade auf DMAX gestartet. Aber wir haben noch weitere Neustarts: Am 7. April startet auf DMAX unsere Eigenproduktion „Chickens Bike Farm“. Hier blicken wir Christoph Repp, alias „Chicken“, über die Schulter, der seinen Spitznamen der Tatsache zu verdanken hat, dass ihm nicht nur drei Zweirad-Schrauberschmieden sondern auch eine Hühnerfarm gehören. Am 5. Mai gibt es dann die zweite Staffel unserer „Männer(t)räume“ auf DMAX und auf TLC geht ab 26. April „Die Yacht – Drama unter Deck“ auf Sendung. Bei HGTV dreht sich ab 21. April in „First Time Flippers – Unser erster Umbau“ alles ums Renovieren, Gestalten und Verkaufen. Wir haben außerdem alle unsere Mitarbeiter gebeten, mit Ideen jeder Art auf uns zuzukommen. Ob nun für die Bereiche Content, Distribution, Direct-to-Consumer, Digital oder Ad Sales - egal wie „verrückt“, sie sollen an uns herangetragen werden. Wir haben jetzt möglicherweise Platz für Ideen, die vorher keinen Platz gehabt hätten. Die Kollegen haben deshalb ab sofort jeden Tag per Videocall die Chance dazu, gemeinsam mit dem Management-Team zu brainstormen.
Es ist interessant zu sehen, wie einige spontane Ideen bereits ihren Weg ins Fernsehen gefunden habe: Mockridge, der täglich zu sehen ist oder die „Quarantäne-WG“ mit Jauch, Gottschalk und Pocher.
Absolut, ich bin auch gespannt, was da noch entstehen wird. In Zeiten wie diesen ist Ablenkung durch Unterhaltung gefragter denn je. Die ganzen Challenges, die man momentan in den sozialen Medien beobachten kann, sind ja auch eine Bestätigung, dass die Menschen sich eine Beschäftigung suchen.
Und DMAX zeigt dann demnächst Gym-Sessions und TLC Yoga-Sessions?
Wir streamen einfach unser Mittwochs-Pilates (lacht). Also ich glaube, generell gesagt, das ist die Chance in der Krise. Das ist zwar ein Buzzword, an das ich jedoch glaube. Es gibt diese Chancen. Die Denkweise hat sich in der Hinsicht auch geändert. Es können Dinge einfach mal probiert werden und wenn es klappt, super, wenn nicht, auch nicht so schlimm.
Noch ein Wort zu Joyn. Sind sie zufrieden mit der Entwicklung?
Ja, damit sind wir zufrieden, absolut. Wir sind auch mit den Kollegen im regen Austausch, was man jetzt alles auf Joyn abbilden könnte, um das zu Hause bleiben möglichst angenehm zu gestalten.
Nur damit, dass fast immer unterschlagen wird, dass Joyn ein Joint Venture von Ihnen und ProSiebenSat.1 ist, dürfte fuchsig machen, oder?
(lacht). Wo immer wir können, arbeiten wir dran und erinnern: Das ist ein 50/50 Venture zwischen uns und den Kolleginnen und Kollegen aus Unterföhring, auf das wir sehr stolz sind.
Frau Aigner, herzlichen Dank für das Gespräch