Wie muss sich die Erzählweise in den Tageszusammenfassungen von der unterscheiden, wie wir sie vor 20 Jahren gesehen haben?

Laux: Wir gucken uns die Sendungen von damals manchmal wieder an und das ist aus heutiger Sicht wirklich unfassbar. Man konnte Jürgen fast fünf Minuten lang zeigen, wie er auf dem Gras lag, genüsslich an einem Halm kaute und nachdachte. Trotzdem hat keiner weggeschaltet, weil man davon ausgehen musste, dass er jeden Moment etwas sagt. Das kann man heute natürlich nicht mehr machen, weil sich das Realityfernsehen seither massiv weiterentwickelt hat – von der Erzählstruktur über die Bilder und den Schnitt bis hin zum Einsatz von Musik. Auch da helfen uns die Erfahrungen mit "Promi Big Brother".

Pflüger: Das gilt auch für die Frage, ob wir ein oder zwei Bereiche haben werden. So viel Charme in der ursprünglichen Form von "Big Brother" lag, so sehr hat sich die Erwartungshaltung des Publikums verändert. 


Es wird also zwei Bereiche geben?

Pflüger: Ja, uns war sehr schnell klar, dass wir auf zwei Bereiche setzen wollen, weil dadurch eine viel dramatischere Zuspitzung möglich ist. Anders als bei "Promi Big Brother", wo die Bereiche eine spielerische und unterhaltsame Aufladung haben, geht es jetzt eher um Relevanz. Die Idee der beiden Bereiche ordnet sich komplett dem Grundkonzept unter: Es ist ein Versuchsaufbau, der sich der Frage nähert, was ein Mensch wert ist. 

Laux: Grundsätzlich hat sich das Format in all den Jahren stetig weiterentwickelt, um auf der Höhe der Zeit zu bleiben. Sei es durch die Einführung eines zweiten Bereichs in der vierten Staffel oder durch zusätzliche Challenges und Match-Parcours. Aber auch das Haus selbst hat sich weiterentwickelt. Das betrifft beispielsweise die Struktur, aber auch die Kameragänge, die längst zugunsten der Remote-Kameras verschwunden sind. 

Was müssen denn die Kandidaten mitbringen, um für "Big Brother" interessant zu sein?

Laux: Wenn man bei einem Fernsehformat mitmacht, muss man in gewisser Weise extrovertiert sein. Natürlich wollen die Leute immer normale Menschen sehen, aber zu den normalen Menschen gehört Facebook und Instagram heute fast schon dazu. Dennoch wollten wir nicht nur YouTuber und Instagramer haben. Wichtig ist, Menschen mit Lust auf Abenteuer und Selbsterfahrung zu haben, und solche, die an anderen Menschen interessiert sind, die eine Geschichte haben und die sich auf ein Experiment einlassen wollen. Nach solchen Kandidaten haben wir gesucht und ich glaube, wir haben unter den mehr als 14.000 Bewerbern einen wirklich spannenden Cast gefunden, der einen guten Querschnitt der Gesellschaft abbildet – vom Studenten über Altenpfleger bis hin zu Gesundheitscoaches und Kellnern. 

Pflüger: Alle Formate nach "Big Brother" hatten eine viel größere Zuspitzung. Das Tolle an "Big Brother" ist aber, einen Cast zu haben, der breit und unterschiedlich ist. Hier sucht nicht jeder die große Liebe, hier will nicht jeder ein besonderes Talent zur Schau stellen – das erlaubt uns eine große Vielfalt und wird letztlich auch die Faszination für die Zuschauer ausmachen. 

Hilft es der Erzählung in der täglichen Zusammenfassung, dass es keinen Livestream gibt?

Pflüger: Das Storytelling lässt sich ohne einen Livestream klarer durchziehen. Wenn unterschiedliche Zeitebenen zur gleichen Zeit über unterschiedliche Kanäle in die Welt hinausgeblasen werden, wird es auf Dauer für die Zuschauer verwirrend. Trotzdem sind wir sehr transparent, weil wir „Big Brother“ über alle Plattformen sehr stark begleiten werden. 

Laux: Wir haben eine riesige Digital-Redaktion, die dahintersteht und das Format auf allen Wegen ausbreitet. Dadurch finden die Zuschauer letztlich alles, was im Haus passiert. Das geplante Angebot ist so umfassend und wird auch die Fans des Livestreams begeistern. 

Pflüger: Jede Plattform bekommt ein eigens Format gebaut. Das, was Sie auf Instagram finden werden, sind andere Inhalte als auf Facebook, auf der Sat1.de oder in der App. Und im Laufe der Staffel werden immer wieder Elemente dazukommen, weil wir die Interaktivität der Zuschauer mit besonderen Einblicken belohnen wollen. Je interaktiver der Zuschauer, desto mehr bekommt er außerhalb der Sendung zu sehen. Für "Big Brother" haben wir das größte Digital-Paket in der Geschichte von Sat.1 geschnürt. 

Bei der Ausstrahlung haben Sie sich für den Sendeplatz um 19:00 Uhr entschieden. Was muss "Big Brother" denn liefern? Zuletzt hatte man das Gefühl, Sie seien schon mit vier bis fünf Prozent zufrieden.

Pflüger: (lacht) "Big Brother" muss und wird einen deutlichen Impuls um 19:00 Uhr zeigen, davon bin ich total überzeugt. Mit vier bis fünf Prozent bin ich sicher nicht zufrieden.

"Man muss 'Big Brother' zeitlich begrenzen, um die Zuschauer bei Laune zu halten."
Rainer Laux

Dennoch produzieren Sie weiterhin "Genial daneben – Das Quiz". Das muss eine ganz besondere Liebe zu diesem Format sein.

Pflüger: Und diese Liebe zu einer starken Sat.1-Marke bindet wunderbare Künstler an uns. Mit "Big Brother" mischen wir jetzt den Vorabend auf – wir eventisieren ihn. In der Prime Time bekommen die Zuschauer ja bereits alle sechs bis acht Wochen irgendwo ein Event. Und „Big Brother" besitzt die Kraft, den Zuschauern über drei Monate hinweg ein solches Event in der Access Prime zu bieten – gerade zum 20-jährigen Jubiläum. 

Wie soll der Vorabend abseits von "Big Brother" aussehen? Gerade erst haben Sie ein Comeback von "K11" angekündigt, was nicht sonderlich innovativ klingt.

Pflüger: Mit "K11" und der Weiterentwicklung von "Niedrig und Kuhnt" fokussieren wir uns auf starke Marken, die den Sat.1-Vorabend lange geprägt haben. "K11" ist bei Sat.1 Gold, unserem Schwesternsender für das ältere Publikum, eines der stärksten Formate, und gleichzeitig in der digitalen Welt noch immer einer unserer Dauerbrenner. Das ist für mich daher die konsequente Weiterführung der Crime-affinen Nachmittagsformate. Am späteren Vorabend legen wir dagegen den Fokus eher auf Light-Entertainment-Formate wie "Genial daneben – Das Quiz", aber eben auch auf Event-Formate wie "Big Brother".

Oder Sie legen "Big Brother" einfach never-ending an. Wäre ja nicht das erste Mal...

Laux: Man muss "Big Brother" zeitlich begrenzen, um die Zuschauer bei Laune zu halten. Wir haben damals bei RTLzwei über zwei Jahre lang am Stück gesendet, zunächst mit dem Konzept "Ein Jahr, eine Million". Das war eine klare Botschaft, die sehr erfolgreich war. Die Zuschauer haben sich über ein Jahr hinweg sehr an ihre Lieblinge gewöhnt. Als dann jedoch in der nächsten Nacht die nächste Staffel startete, die unendlich angelegt war, fühlte es sich für einen großen Teil des Publikum an, als sei die Serie beendet. Dementsprechend groß war der Abschiedsschmerz und viele wollten den Weg hin zur neuen Staffel nicht mitgehen. Dabei war auch die Dorf-Staffel rückblickend ein Erfolg. 

Also bleibt es bei den 100 Tagen? 

Pflüger: Die Kraft kommt aus der Verknappung. Wir versprechen den Zuschauern ein fantastisches Frühjahr mit "Big Brother". Es wird spannend, bewegend und lustig, aber irgendwann heißt es dann auch wieder Abschied nehmen. Und dann kann man sich im nächsten Jahr wieder neu darauf freuen.  

Herr Laux, eine abschließende Frage: Welche Staffel ist Ihnen nach 20 Jahren "Big Brother" in besonderer Erinnerung geblieben?

Laux: Die kommende Staffel wird in Erinnerung bleiben. Wir sind bereit, TV-Geschichte zu schreiben! (lacht) 

Herr Pflüger, Herr Laux, vielen Dank für das Gespräch.