Jetzt haben Sie gemeinsam mit Rat Pack ja auch "Wir sind die Welle" für Netflix produziert. Wurde das anders besprochen als andere Serien?
Ja, das hatte mehr Aufmerksamkeit. Die Serie ist ja eine von wenigen deutschen Produktionen, die Netflix hierzulande lanciert hat. Wir waren da ja auch unserer Zeit ein wenig voraus, entstanden ist die Serie ja in der Zeit vor Greta Thunberg. Sie hat aufgesetzt auf eine krasse Jugendbewegung. Letztendlich war es sehr zeitgeistig. Wir waren aber der kleinere Ko-Produktionspartner und ich würde den Credit für die Serie gerne dem großartigen Team von Rat Pack überlassen.
Und was ist nun das Fazit der Zusammenarbeit mit Netflix? Lust auf mehr?
Man hat immer Lust auf mehr (lacht). Zu neuen Projekten kann ich derzeit aber noch nichts sagen. Dinge, an die ich glaube, würde ich aber natürlich immer gerne fortführen.
Jetzt haben wir es schon kurz angeschnitten: Sie haben vor wenigen Wochen ihr 10-Jähriges bei Sony gefeiert. Auf welche Erfahrung hätten Sie in dieser Zeit gerne verzichtet?
Auf gar keine. Das klingt blöd, aber alle Erfahrungen, egal ob gut oder schlecht, haben mich weitergebracht. In den zehn Jahren ist hier wahnsinnig viel passiert. Wir haben die Sony während dieser Zeit umgebaut und sehr verändert. Als ich vor zehn Jahren gekommen bin, waren nicht sehr viele Aufträge da. Wir haben die Fiction neu aufgebaut und zwischendurch auch nochmal Sitcom gemacht. Wir haben Realityshows produziert und uns auch an eine tägliche Gameshow gewagt. Gleichzeitig haben wir viel im Bereich Factual investiert und in Summe mit allen Sendern zusammengearbeitet. Sehr stolz bin ich auf mein Team, auch das ist ja immer ein Prozess. Und natürlich gibt es auch Formate, bei denen man zurückschaut und sich fragt, was man da gemacht hat.
Was waren das für Formate?
Wir haben ein paar Sendungen gemacht, die nicht so sehr funktioniert haben oder bei denen wir einfach unserer Zeit voraus waren. In den ersten Jahren haben wir "Masterchef" gemacht, das wir nicht weitermachen durften, obwohl auch nicht schlechter lief als heute "The Taste". Ich glaube wir haben uns immer dadurch ausgezeichnet, dass wir auch Formate gemacht haben, die nicht zwangsläufig No-Brainer waren. "Die Höhle der Löwen" ist das beste Beispiel, wie so etwas gut funktionieren kann. Wenn man sowas öfters macht, fällt man damit aber auch manchmal auf die Nase und trifft nicht den Geschmack der Zuschauer. Aber: If you don’t fail, you haven't tried hard enough. Man kann nicht immer nur gewinnen.
Als ich vor zehn Jahren gekommen bin, waren nicht sehr viele Aufträge da.
Bei "Die Höhle der Löwen" haben anfangs alle abgeraten und jetzt, wo das Format ein Erfolg ist, kommen ähnliche Sendungen. Sony hat auch die Shows mit Jochen Schweizer und Carsten Maschmeyer gemacht und ist damit gescheitert.
Ich finde, man muss manchmal auch einfach ein Risiko eingehen. Natürlich sind weder "Start Up!" noch "Dein Traumjob" toll gelaufen, aber es gibt schon auch Sendungen, die noch schlechter laufen. Durch Carsten Maschmeyer und Jochen Schweizer standen diese beiden Formate unter einer sehr genauen Beobachtung. Bei "Start Up!" kam hinzu, dass wir in Folge zwei massive Tonprobleme hatten. Das klingt jetzt nach einer Entschuldigung, aber so etwas ist tödlich. Vielleicht wäre die Sendung auch bei ProSieben besser aufgehoben gewesen. Gründer zu werden ist wohl nicht der größte Traum der Sat.1-Zielgruppe. Aber das sind eben die Risiken, die man eingeht. "Traumjob" hatte schöne Bilder und eine gute Dramaturgie, es hat aber halt trotzdem nicht funktioniert. Die lange Reise zum Geschäftsführer eines Unternehmens ist doch vielleicht nicht das, was die Mitte der Gesellschaft begeistert. Aber wenn man es nicht probiert, weiß man es nicht. Ich stehe zu allem, was ich gemacht haben, und ich habe schon wirklich schräge Sachen produziert.
Wann denn zum Beispiel?
Zum Beispiel "Opas letzter Wille" Anfang der 2000er für Kabel Eins oder "Bzzz - Singles am Drücker" noch in den späten 90ern für Sat.1. Das muss man mal machen und dann fliegt man eben auch mal auf die Fresse. Und für andere Dinge brennt man dann so richtig und erreicht 20 Prozent bei Vox mit einer Gründershow, das hat zuvor auch niemand für möglich gehalten.
Wie viel Musik steckt noch drin im Bereich der Gründershows? Der Fokus auf Köpfe hat offensichtlich nicht funktioniert.
Absolut, das war nicht der Königsweg. Was da noch drin ist? Das werden wir in den kommenden Jahren sehen. Ich bin zuversichtlich, dass es hier weiterhin Versuche geben wird.
Wo liegen für Sony die Herausforderungen für die kommenden Jahre? Wo gibt es noch Nachholbedarf?
Ich sehe eine Reihe von Genres, die uns noch einige Chancen bieten. In der Fiction entwickeln wir derzeit sehr fleißig. Bei einigen Projekten entwickeln wir auch schon ganz konkret Bücher. Und auch in der Non-Fiction haben wir noch Platz. Seit einem Jahr haben wir Tabea van Hoefer als Executive Producerin für Daytime-Formate bei uns an Bord, da wird sich 2020 einiges tun. Und gerade erst haben wir Andreas Viek für die Bereiche Show und Comedy geholt, da sehen wir ebenfalls Chancen, um wieder etwas präsenter zu werden.
Ich wünsche mir, dass das Fernsehen spannend bleibt, dass Sender mutiger werden und den Produzenten manchmal mehr vertrauen.
Derzeit gibt es einen Reality-Boom. ITV hat "Love Island", EndemolShine "Big Brother", Seapoint das "Sommerhaus der Stars" und Warner "Bachelor" & Co. Was hat Sony?
"Big Brother", "Bachelor" und "Love Island" sind gute Beispiele. Das sind internationale Hits aus dem Katalog. Die waren in anderen Ländern erfolgreich und sind dann zu uns gekommen. Ein Sender tut sich ja immer leichter damit ein Format zu machen, das es schon einmal irgendwo erfolgreich gegeben hat. Etwas analoges zu diesen Formaten haben wir in dieser Größenordnung einfach nicht in unserem Katalog. Für uns ist es damit ungleich schwerer, etwas Eigenes zu erfinden und bei einem Sender unterzubringen. Natürlich sind wir auch da unterwegs, aber es macht die Sache kompliziert.
Was wünschen Sie sich für die nächsten zehn Jahre?
Oh, gute Frage (überlegt). Ich wünsche mir, dass das Fernsehen spannend bleibt, dass Sender mutiger werden und den Produzenten manchmal mehr vertrauen. Ich wünsche mir, dass wir auch in zehn Jahren noch die Möglichkeit haben, große Zuschauermassen zu begeistern, auf welchen Plattformen auch immer. Und natürlich hätte ich auch dann noch gerne so ein großartiges Team wie heute. Ganz persönlich halte ich mich für einen sehr privilegierten Menschen, weil ich in meinem Job so unfassbar viele unterschiedliche Dinge erleben darf. Ich kenne mich mit Gebrauchtwagen gut aus und beschäftige festangestellte Autoschrauber (lacht). Neulich war ich in der Jury des Hamburger Start-Up Reeperbahn Pitches. Ich bin sehr dankbar, dass ich so viel in andere spannende Welten blicken kann. Wenn das so bleibt in den nächsten zehn Jahren, bin ich sehr glücklich. Und dann bin ich auch schon fit für die Rente (lacht).
Was bedeutet das genau? Sender sollen mutiger werden?
Gerade neue Player im Markt vertrauen sehr auf große Namen, große Prämissen und einen opulenten Look. Damit gehen sie meist den sicheren Weg. Ich würde mir wünschen, dass man manchmal etwas charaktergetriebener erzählt und auch bereit ist, neue Gesichter und Wege zuzulassen. Das passiert auch immer mal wieder, aber ich würde es mir noch ein wenig öfters wünschen.
Eine letzte Frage: "The Masked Singer" startet im März in die zweite Staffel. Derzeit steht auch ganz konkret ein Wechsel auf den Dienstagabend im Raum, da soll im Frühjahr auch erstmals "Die Höhle der Löwen" laufen. Was halten Sie davon, sollte es tatsächlich dazu kommen?
Wir als Produzenten sind ja für die Programmplanung der Sender nicht zuständig, aber ich denke generell, dass es aus Zuschauersicht immer sehr schade ist, wenn man sich an einem Abend zwischen zwei Leuchtturm-Programmen des selben Genres entscheiden muss - die Überschneidung wäre bei "Masked Singer" und "Die Höhle der Löwen" ja vermutlich recht groß. Ich wäre jedenfalls genau einer von denen, die dann den ganzen Abend hin und her zappen und so an beiden tollen Programmen nicht die Freude hätten, die auch die Sendungen verdienen.
Frau Quentell, vielen Dank für das Gespräch!