Aber wie viel Exklusivität braucht TVNow um als eigenständiges Angebot zu funktionieren?
Henning Tewes: Bei den großen Programmen von RTL und Vox ist das siebentägige Pre-TV-Fenster ein attraktives Argument für viele unserer Abonnentinnen und Abonnenten, gerade bei den erfolgreichen täglichen Serien. Bei großen Event-Programmen wie zum Beispiel „König von Palma“, das seinen Ursprung bei RTL hatte, aber jetzt zuerst bei TVNow zu sehen sein wird, rechnen wir mit einem exklusiven Fenster von sechs bis zwölf Monaten, bevor es dann zu den Free-TV-Sendern der Gruppe geht. So können wir bei fortlaufenden Serien dann die jeweils nächste Staffel im Anschluss an die Zweitverwertung der vorherigen Staffel im Free-TV zeigen.
Sascha Schwingel: Ich glaube, dass die eigentliche Frage nicht die nach der Exklusivität ist, sondern wie zwingend ein Programm ist. An gutem Content mangelt es seit Jahren nicht, aber wir merken doch alle - als Macher wie auch als Nutzer - dass gutes Programm kein Erfolgsgarant mehr ist. Wir wollen zwingenden Content, der überrascht und Neues bietet. Programme, die die Nutzerinnen und Nutzer unbedingt sehen wollen. Das gilt für TVNow genauso wie für lineares Fernsehen. Über „Die Höhle der Löwen“ spricht man am nächsten Tag mit seinen Kollegen. Das ist Thema. Und wenn uns das gelingt, sind es goldene Zeiten: Ich pendel mit der Bahn von Frankfurt nach Köln und erlebe, wie viel mehr an Bewegtbild durch mobile Endgeräte konsumiert wird. Das ist zusätzliche Bildschirmzeit, die Fernsehen früher nicht hatte. Und als Teil der Bertelsmann Content Alliance können wir mit Signature-Programmen sogar mehr Menschen erreichen als jeder andere. Wir brauchen nur die richtige Partitur. Das größte Orchester haben wir schon.
Stichwort Bahnfahrt: Gibt es denn die Aussicht darauf, dass TVNow irgendwann auch eine Download-Funktion bekommt? Nicht jeder hat unbegrenztes Datenvolumen im Mobilfunk…
Henning Tewes: Wir haben eine Reihe von Produktherausforderungen, denen wir uns widmen. Im Wettbewerb kann nur mitspielen, wer ein Top-Produkt hat. Dazu gehört eine Download-Funktion, dazu gehören Profile und parallele Streams. Da arbeiten viele tolle Kolleginnen und Kollegen unter Hochdruck dran.
Und RTL kann damit leben, dass die Prestige-Projekte der Mediengruppe RTL, wie etwa „König von Palma“, nicht beim erfolgreichsten Privatsender sondern TVNow ihre Premiere feiern?
Jörg Graf: Sehr gut sogar. Für mich wird die Ausstrahlung des „König von Palma“ bei RTL nicht weniger aufregend, weil wir es vorher unseren zahlenden Abonnenten bei TVNow zeigen, im Gegenteil: Ich weiß, dass auch RTL nicht alle Menschen erreicht. Wenn wir mit TVNow jetzt sowohl SVoD als auch Free-TV bespielen können, dann ist das Klasse, denn wir erreichen viel mehr Menschen mit der Geschichte. Das macht großen Sinn. Es ermöglicht RTL auch, die Bandbreite des fiktionalen Programms links und rechts von „Der Lehrer“ und „Alarm für Cobra 11“ zu erweitern, als wenn wir Finanzierung und Risiko allein getragen hätten.
Sascha Schwingel: Und es wird ja auch weiterhin Serien geben, die exklusiv bei RTL und Vox laufen werden. Es gibt keinen Automatismus für unsere Programme. Nicht alles läuft zuerst bei TVNow, denn RTL und Vox machen ihrem Publikum als differenzierte Sender unverändert ihre Angebote.
Zwischenfrage: Mit dieser Strategie wäre „Deutschland 83“ mit seinen Fortsetzungen vermutlich innerhalb der Sendergruppe geblieben oder?
Henning Tewes: Wir schauen gern nach vorne.
Jörg Graf: Gute Antwort.
Eine sehr diplomatische Antwort. Andere Frage: Wenn künftig das neue Duo Frauke Neeb und Hauke Bartel die Fiktion der Gruppe verantwortet, was macht eine Serie dann zur Vox-Serie und was wiederum zur RTL-Serie. Wie differenzieren sich die Sender denn?
Jörg Graf: Wir haben eine Tradition der ganz großen Unterhaltung, mit Event-Programmierungen und beliebten Serien wie „Der Lehrer“. Auch Sitcoms sind ein Genre, das tief in der DNA von RTL verwurzelt ist.
Sascha Schwingel: Vox hat bislang vier Serien gemacht, die neueste „Rampensau“ läuft sogar noch. Da würde ich mir, selbst erst seit Sommer an Bord, nicht anmaßen, ein klares Profil zu formulieren. Ich sehe es als meine Aufgabe, das künftig mit den Kolleginnen und Kollegen zu schärfen. Ich würde mich aber weigern zu sagen: Genauso sieht eine Vox-Serie aus. Dann würden wir uns ja beschränken.
Aber mit Verlaub: In jedem Interview, bei jeder Verkaufsveranstaltung betont jemand von Vox wie „voxig“ das Programm sei und RTL betont, dass so ein Programm nur RTL machen könne…
Sascha Schwingel: Okay, verstehe. Dann würde ich sagen: Bei Vox stehen Authentizität, Wärme und Wahrhaftigkeit im Fokus. Wir setzen auf ein positives Menschenbild und Diversität. Wir wollen keine überholten Rollenbilder transportieren, wollen nicht destruktiv erzählen.
Aber RTL würde doch kaum das Gegenteil für sich reklamieren oder? Was hebt dann RTL davon ab? Oder TVNow?
Jörg Graf: Thematisch haben wir viele Schnittmengen, aber eben auch manche Genres exklusiv. Der generelle Unterschied zwischen Vox und RTL liegt sicher - mal mehr, mal weniger - in der Tonalität, der Erzählgeschwindigkeit und der Besetzung.
Henning Tewes: Wir richten uns mit Programmen für TVNow an ein etwas jüngeres Publikum, dessen Durchschnittsalter unter dem der linearen Sender liegt. Das ist toll, weil wir so wieder ein größeres Spektrum an Zuschauerinnen und Zuschauern erreichen und mit jungen Formaten und Produktionen experimentieren können.
Letzte Frage in die Runde: Welche Programmhighlights stehen bei TVNow, RTL und Vox in den ersten Monaten 2020 im Mittelpunkt? Worauf freuen Sie sich?
Henning Tewes: Ich freue mich persönlich sehr auf die neue Serie „Why women kill“ von Marc Cherry, Erfinder der Erfolgsserie „Desperate Housewives“. Die kommt im Januar zu TVNow. Und für Serienfans haben wir im ersten Halbjahr noch weitere Highlights auf der Plattform. Und dann kommt im Frühjahr die zweite Staffel unseres TVNow-Originals „Temptation Island“, das wir wieder zusammen mit RTL groß machen werden. Lieber Jörg, worauf freust du dich?
Jörg Graf: Natürlich auf den Dschungel, das wird wieder ein Fest. Sehr gespannt bin ich auch auf unsere neue Live-Show „Alles auf Freundschaft“ mit Tim Mälzer und Sasha, freue mich auch auf „DSDS“, das wir mit einer neuen Bildsprache toll aufgeladen haben und auf unsere neue Daytime. Und die Passion wird auch so langsam konkret, ein sehr spannendes, weil untypisches Projekt für RTL.
Sascha Schwingel: Wir freuen uns auf „First Dates Hotel“ mit dem wir unseren Vorabenderfolg in die Primetime verlängern wollen und natürlich auf „Prince Charming“. Nach „Wir sind klein und ihr seid alt“ haben wir mit „Altes Haus sucht Mitbewohner“ außerdem ein weiteres herzerwärmendes Format - Unterhaltung im besten Sinne. Wenn eine 19-Jährige Studentin mit einer neugierigen Großmutter regionale Rezepte kocht und ihr erklärt, wie Tinder funktioniert, ist das charmant und sehenswert.
Herr Tewes, Herr Graf, Herr Schwingel, herzlichen Dank für das Gespräch.