Herr Küttner, Herr Gieselmann, wie leidensfähig muss man sein, um Daytime-Fernsehen in Deutschland machen zu können?
Markus Küttner: Gar nicht. Man muss in der Lage sein, mit Rückschlägen zurechtzukommen, und es ist nicht verkehrt, ein hohes Maß an Experimentierfreude mitzubringen.
Thorsten Gieselmann: Dieser Gestaltungsspielraum, den man in der Daytime hat, ist der Treibstoff für unser tägliches Tun. Es hat noch nie so viel Spaß gemacht wie aktuell. Natürlich ist es quotentechnisch oft ein Rauf und Runter und wir wissen alle nicht, wohin die Reise geht und welches Format am Ende wirklich dauerhaft erfolgreich sein wird. Aber wir haben klare Visionen und Ziele.
Worin liegt die besondere Schwierigkeit, den Geschmack der Zuschauer am Nachmittag zu treffen?
Küttner: Wenn wir eine schlüssige Antwort auf diese Frage hätten, dann wüssten wir auch, welche Programme wir idealerweise an den Start bringen müssen. Das brennt derzeit nicht nur uns unter den Nägeln, sondern geht einigen anderen Sendern ähnlich. Dass Marktanteile, wie sie noch vor fünf oder gar zehn Jahren erzielt wurden, heute wahrscheinlich nicht mehr erreicht werden können, hat viele Gründe. Da spielen Diversifikation und neue Angeboten eine große Rolle.
Gieselmann: Unsere große Herausforderung liegt darin, auffällig und anders zu sein, in den Inhalten jedoch nicht zu nischig werden. Wir haben als RTL schließlich nach wie vor eine breite Zielgruppe im Blick.
Mit Formaten wie "Papa gesucht", "Ran an den Speck" oder "Schätze aus Schrott" hat das in den vergangenen Monaten nicht so recht funktioniert. Welche Schlüsse ziehen Sie daraus?
Gieselmann: Das positivste Learning ist, dass unsere Rechnung mit den "Superhändlern" um 14 Uhr aufgegangen ist. Wir haben ein Format gefunden, das gut performt – mit allen Schwankungen, die ein Daytime-Format mit sich bringt. Wir haben uns deshalb gefragt, was die "Superhändler" ausmacht: Neben einem verständlichen Spielprinzip gibt es mit Sükrü Pehlivan einen kompetenten und sympathischen Absender. Davon ausgehend wollen wir im kommenden Jahr bei unseren Neustarts konsequent auf starke Köpfe setzen.
Sind die Köpfe wichtiger als das Format?
Gieselmann: Ein Kopf ist nicht wichtiger als das Format, aber er ist mitentscheidend für den Erfolg, weil die Zuschauer ihn jeden Tag aufs Neue in ihr Wohnzimmer lassen sollen. Wir wollen unsere Formate deshalb nicht einfach irgendjemanden moderieren lassen.
Küttner: Neben den Absendern ist es wichtig, dass die Zuschauer eine klare Dramaturgie erkennen können. Auch das ist bei den "Superhändlern" gegeben. Die Show ist so einfach wie spannend. Ich glaube schon, dass einige Programme, die wir in den letzten ein, zwei Jahren am Nachmittag ausprobiert haben, Defizite bei der Dramaturgie hatten.
Um Konkret zu werden: Wie genau soll der RTL-Nachmittag künftig aussehen?
Gieselmann: Ab dem 10. Februar zeigen wir im Anschluss an "Die Superhändler" um 15:00 Uhr die neue Show "Kitsch oder Kasse?" mit Oliver Geissen, gefolgt von "Marco Schreyl", einer Talkshow, in der wir aktuelle, relevante Themen aufgreifen wollen. Und um 17:00 Uhr läuft mit "Hensslers Countdown – Kochen am Limit" eine Sendung, in der wir Hobbyköche unter erschwerten Bedingungen gegeneinander antreten lassen.
Ist Oliver Geissen denn mehr Kitsch oder Kasse?
Küttner: (lacht) Oliver Geissen ist seit vielen Jahren eines unserer Top- Moderatoren und er ist natürlich weder Kitsch noch Kasse. Es ist eine tolle Sache, dass Olli nach vielen Jahren in unsere Daytime zurückkehrt. Bei der Show handelt es sich übrigens um das internationale Format "Trash or Treasure?" aus dem Banijay-Katalog, das Banijay auch hierzulande produzieren wird. Darin müssen die Kandidaten den Wert von Exponaten einschätzen und in die richtige Reihenfolge bringen.
Gieselmann: Ziel ist es, dass das Kandidatenpaar am Ende den Gegenstand mit dem höchsten Wert vor sich stehen hat und dadurch bis zu 10.000 Euro gewinnen kann. Die Sendung baut somit thematisch auf den "Superhändlern" auf, von denen Antoine Richard als ausgewiesener Experte dabei sein wird.
Und danach gibt’s das Comeback des Dailytalks?
Gieselmann: Wir haben uns Schritt für Schritt für dieses Thema begeistern können und mit Filmpool einen überzeugenden Produktionspartner gefunden. Jetzt gilt es, den Talk ins Hier und Jetzt zu übersetzen und mit einem wirklich frischen Ansatz zu überzeugen. Das journalistische Know How und die Frische bringt für uns Marco Schreyl mit. Er hat uns alle überzeugt.
Wie viel 90er-Talk steckt in "Marco Schreyl"?
Küttner: Der 90er-Talk bestand nicht nur aus Krawall und Vaterschaftstest. Gerade in den Anfangsjahren gab es eine enorme Themenvielfalt. Die große Stärke der neuen Sendung soll die Aktualität sein. In der Anfangszeit wollen wir nach einem festen Produktionsplan einmal pro Woche live senden. Unser Ziel ist es allerdings, die Sendung täglich live zu machen. Wenn es sich gut etabliert, dann wollen wir uns diesem Ziel Schritt für Schritt annähern.
"'Herz über Kopf' war ein Versuch wert und dieser ist leider gescheitert."
Markus Küttner
Und danach wird gekocht?
Gieselmann: Ja, bei "Hensslers Countdown" handelt es sich um eine Koch-Spielshow, für die wir deutschlandweit selbstbewusste Hobbyköche mit Talent zum Improvisieren suchen. Wir bauen kleine Schikanen ein, um unter Zeitdruck herauszufinden, wie gut sie wirklich sind. Henssler selber lässt dabei den Kochlöffel ruhen, stellt unsere Kandidaten dabei jedoch vor so manche Herausforderung. Das Format haben wir zusammen mit Steffen und der neuen Produktionsfirma MoveMe entwickelt.
Inwiefern passt eine Kochshow ins Line-up? Das ist ja schon ein thematischer Bruch zur Talkshow zuvor.
Gieselmann: Das Thema Kochen anzugehen, ist ein mutiger Schritt. Aber wir sind mutig. Und ich sehe da auch keinen Bruch im Line-up, weil wir den Zuschauern den ganzen Nachmittag über mit unseren Formaten ein klares Versprechen geben: Wir setzen auf Köpfe und befinden uns in jeder Stunde in einer eindeutigen Studio-Situation.
Küttner: Am Ende müssen die Formate an sich überzeugen. In unserer Wunschvorstellung ist das ein runder Mix, der sich idealerweise nicht zu schnell abnutzt und sich noch dazu von anderen Programmen absetzt.
Die Idee, eine weitere Soap auf dem 17-Uhr-Sendeplatz etablieren zu wollen, legen Sie im Zuge dessen zu den Akten?
Küttner: "Herz über Kopf" war ein Versuch wert und dieser ist leider gescheitert. Wir haben den Nerv der Zuschauer nicht getroffen, das kann man nicht anders sagen. Am Ende hat es einfach nicht gereicht.
Warum ist die Serie gescheitert?
Küttner: Die Handlung erschien uns zugänglicher als bei "Freundinnen". Am Ende müssen wir möglicherweise feststellen, dass sich horizontal erzählte Serien in diesem Umfeld schwertun. Wir werden die Serie allerdings noch zu Ende bringen und die Handlungsstränge bis zum Finale Anfang Februar zusammenführen.
Auffällig ist, dass bei all den neuen Formaten Männer vor der Kamera stehen.
Gieselmann: Das ist uns bewusst, wurde aber nicht gezielt gesteuert, sondern hat sich bei der Entstehung dieser Formate so ergeben. Auf den neuen Formaten ruhen wir uns aber nicht aus. Wir werden fleißig weiterpilotieren – selbstverständlich auch mit Frauen.
Herr Gieselmann, Herr Küttner, vielen Dank für das Gespräch.