Herr Paalzow, die Zahl der globalen Streaming-Plattformen steigt in diesem Herbst kräftig. Produktion und Plattform aus einem Haus scheint sich als bevorzugtes Modell durchzusetzen. Welche Rolle bleibt da für Pantaflix?

Unser Unternehmen hat frühzeitig, nämlich schon 2015, die Entscheidung getroffen, in den Aufbau einer eigenen VoD-Plattform zu investieren – als einziges Produktionshaus in Deutschland. Das war damals sehr weitsichtig. Seit Mai dieses Jahres haben wir das ursprüngliche Business-Modell refokussiert und deutlich erweitert. Digitaler Filmverleih für Auswanderer – sei es für Deutsche in den USA oder für Türken in Deutschland – ist nach wie vor eine prima Idee, führt uns aber nicht schnell genug in die Profitabilität. Deshalb sind wir in den Wettbewerb der VoD-Plattformen eingetreten, die sich an den deutschsprachigen Markt richten. Wir gehen davon aus, dass wir hier mit einem hybriden Modell – also TVoD, AVoD und SVoD parallel – eine realistische Erfolgschance haben. Der Kunde bekommt bei uns die größtmögliche Auswahl, wie er seine Inhalte konsumieren möchte.

Sie haben am 11. Oktober die Betaphase Ihres AVoD-Angebots gestartet – mit der ursprünglich von YouTube stammenden Teenie-Serie "Krass Klassenfahrt" als Flaggschiff und ein paar Dutzend eher unbekannten Filmen. Wie soll es weitergehen?

Wir werden das Angebot Schritt für Schritt weiter ausbauen und für den werbefinanzierten Teil voraussichtlich im Dezember einen ersten guten Ausbaugrad erreicht haben, der es uns dann erlaubt, das Etikett "beta" zu entfernen. Strategisch ist das für uns ein wichtiger Schritt: Jetzt können Nutzer auf Pantaflix erstmals Inhalte sehen, ohne sich vorher zu registrieren und ohne etwas bezahlen zu müssen. Das wird sicher vor allem junge Nutzer zum längeren Verweilen einladen, gerade auch zur mobilen Nutzung für zwischendurch. Voraussichtlich bis Ende des ersten Quartals 2020 ergänzen wir die Plattform um verschiedene Abo-finanzierte Angebote. Dabei geht es nicht darum, Netflix oder Prime Video Konkurrenz zu machen. Wir planen kein All-you-can-eat-Angebot, sondern kleinere Spezialangebote, die wir zielgruppengenau und preisgünstig gestalten wollen. Man kann das am ehesten mit einigen der spezialisierten Kanäle vergleichen, die auch bei Amazon Channels zu finden sind, beispielsweise türkischer Original-Content im Abonnement für ein paar Euro pro Monat.

Bislang haben Sie nur lizenzierte Filme und Serien auf der Plattform, wollen aber künftig auch eigenproduzierte "Pantaflix Originals" mit "reichweitenstarken Social-Media-Stars" zeigen. Ist die Benchmark also eher "Krass Klassenfahrt" als "You Are Wanted"?

Krass Klassenfahrt© Pantaflix
Das kann man so sagen. "Krass Klassenfahrt" ist ein gutes Beispiel: Hier handelt es sich um Content, der auf YouTube hervorragend funktioniert und der eine treue Fanbase hat, weil etliche Influencer mit hohen Reichweiten in den sozialen Medien mitwirken. Die vierte und fünfte Staffel der Serie laufen zuerst im AVoD-Angebot von Pantaflix, und auch für alle weiteren Staffeln haben wir eine Erst-Option. Creators wie Jonas Ems und Jonas Wuttke, von denen "Krass Klassenfahrt" stammt, sind Produzenten, Showrunner, Regisseure und Hauptdarsteller in einer Person. Mit ihnen und anderen wollen wir Programme entwickeln, die qualitativ hochwertig sind und über dem durchschnittlichen YouTube-Niveau liegen, die aber gleichzeitig ihre Originalität und Innovationskraft behalten. Diese Formate sollen zuerst bei uns laufen und dann in der Nachverwertung auch auf YouTube hochgeladen werden können. Da sehen wir ein großes Potenzial. Wir bemerken in vielen Gesprächen mit Webvideoproduzenten und Influencern starkes Interesse an einem solchen exklusiven 'first window'. Mit Pantaflix Studios haben wir in Berlin eine eigene Unit gegründet, die diese Originals gemeinsam mit den jungen Kreativen entwickelt und produziert.

Welche Schlagzahl haben Sie vor Augen? Und sollen die Originals nur im werbefinanzierten Bereich laufen?

Eine erste Produktion soll noch vor Jahresende online gehen und im ersten Halbjahr 2020 wollen wir auf vier bis fünf Originals kommen. Je nach Format ist es durchaus vorstellbar, die erste Episode im AVoD zu zeigen und alle weiteren dann hinter der Bezahlschranke. Die genauen Modelle werden wir eng mit den jeweiligen Produzenten abstimmen.

Auch ProSiebenSat.1-Chef Max Conze hat mehrfach öffentlich von "Krass Klassenfahrt" geschwärmt, dessen erste drei Staffeln ja bei Joyn zu sehen sind. Haben Sie die Streaming-Konkurrenz überboten, um Jonas Ems und Jonas Wuttke exklusiv an Pantaflix zu binden?

Ich glaube kaum, dass wir einen Wettbewerb gewinnen könnten, in dem es hauptsächlich um Geld ginge. Jedenfalls würde ich mutmaßen, dass Töchter großer Senderfamilien wie Joyn oder TV Now deutlich mehr Programmbudget haben als wir. Wir sehen das realistisch und wollen uns vor allem als guter Partner auf Augenhöhe mit den Kreativen etablieren. Dabei hilft es natürlich, dass wir uns in erster Linie als Produzenten verstehen, nicht nur als technische Plattform. Mit unserer Produktionsfirma Pantaleon Films haben wir beispielsweise den Spielfilm "Takeover" mit Roman und Heiko Lochmann – früher bekannt als "Die Lochis" – in den Hauptrollen gedreht, den Warner Bros. 2020 ins Kino bringt. Für uns ist es seit Jahren selbstverständlich, YouTube und die dortige Creator-Szene genau im Blick zu behalten. Wenn man das als Produzent nicht tut, läuft man Gefahr, wichtige junge Talente zu verpassen.

Es scheint Ihnen wichtig zu sein, Pantaflix Studios und Pantaleon Films deutlich voneinander abzugrenzen. Sonst hätte es keine neue Unit gebraucht.

Wir haben sehr bewusst entschieden, Pantaflix Studios nicht bei der Pantaleon Films anzusiedeln. Noch ist die VoD-Plattform unsere Spielwiese, die Film- und Serienproduktion für Dritte durch Pantaleon ganz klar das tragende Standbein. Wenn ich etwa am Set unserer Netflix-Serie "Das letzte Wort" mit Anke Engelke bin, die wir gerade in Berlin drehen, dann sehe ich ja, wie aufwendig Pantaleon dort produziert und wie hoch der Production Value ist. Das ist nicht der Weg, den wir kostenseitig für Pantaflix Originals gehen werden.

"Das werbefinanzierte VoD ist noch vergleichsweise unbeackertes Terrain. Für viele Lizenzgeber ist das erfreuliches Zusatzgeschäft"

Nicolas Paalzow, CEO der Pantaflix AG

 

Der Übergang vom reinen TVoD-Angebot auf eine Parallelität aller drei Geschäftsmodelle ist sicher nicht ganz unkompliziert. Was macht mehr Arbeit, die Technik oder die Inhalte?

Die technologische Erweiterung bildet die Grundlage. Wir mussten unsere Plattform in die Lage versetzen, dass sie auch andere Abrechnungsmodelle abbilden kann. Da wir jede Codezeile inhouse programmieren, ging das relativ schnell. Wir haben eine großartige Technikabteilung, die immer nach der bestmöglichen User Experience strebt. Der Rechteeinkauf ist da schon etwas komplizierter, vor allem, wenn man bei den Lizenzgebern jahrelang als Abnehmer eines bestimmten Rechts bekannt ist und plötzlich auch andere Rechte haben will. Natürlich haben wir unser Content-Acquisitions-Team entsprechend verstärkt. Was mich positiv überrascht hat: Obwohl die großen Studios mit eigenen Plattformen in den Markt drängen, ist das werbefinanzierte VoD noch vergleichsweise unbeackertes Terrain. Etliche Filmrechte waren noch gar nicht vergeben. Insofern ist das für viele Lizenzgeber erfreuliches Zusatzgeschäft.

Im TVoD-Angebot haben Sie momentan auch Top-Titel von Disney und Warner. Befürchten Sie, dass die kommenden SVoD-Plattformen Disney+ und HBO Max sich negativ auf die künftige Vergabe von TVoD-Lizenzen auswirken könnten?

Natürlich kann ich nicht für Disney und Warner sprechen. Wir haben mit beiden Studios eine gute Partnerschaft und wir wünschen uns solche Partnerschaften mit noch mehr Studios. Es gibt bislang kein Indiz dafür, dass das in Zukunft nicht möglich wäre. Ganz im Gegenteil: Wir befinden uns in 'fruitful talks'. Ich glaube, im Zusammenspiel zwischen TVoD und unseren neu entstehenden Angeboten werden wir bis Mitte nächsten Jahres ein junges, klar unterscheidbares VoD-Angebot für den deutschsprachigen Markt haben. Da ich schon etwas länger dabei bin, sehe ich im heutigen Boom der Streaming-Plattformen durchaus Parallelen zur frühen Entwicklung des Privatfernsehens. Da gab es am Anfang auch nur RTL und Sat.1 – und viele in der Branche zweifelten, ob für zusätzliche Sender wie ProSieben oder Tele 5 überhaupt noch Platz sein würde. (lacht)

Herr Paalzow, herzlichen Dank für das Gespräch.

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