Frau Bajaria, Netflix agiert längst international, aber Heimatmarkt und Ursprung ist die USA. Welche Rolle im Gesamtangebot spielen die internationalen Netflix Originals, für die Sie verantwortlich sind?

Wir sind inzwischen in 190 Ländern verfügbar und verstehen uns längst als globale Plattform, die all ihre Produktionen je nach Markt auch untertitelt oder mit Synchronfassungen weltweit gleichzeitig startet. Dementsprechend ist uns der Input der Kreativen aus aller Welt sehr wichtig. Es würde nicht reichen, sich nur auf das enorme Talent hier in den USA zu verlassen, weil wir in immer mehr Ländern großartige Filmemacher und Geschichtenerzähler entdecken. Denken Sie an „Haus des Geldes“ oder „Elite“ aus Spanien, „How to sell drugs online (fast)“ aus Deutschland oder „Der Pate von Bombay“ aus Indien. Diese Produktionen funktionieren sehr gut lokal, aber sind darüber hinaus auch international gefragt.



Das hört man oft von Netflix. Aber zum Beispiel im Comedy-Genre ist kaum vorstellbar, dass Sie von einem deutschen Stand-Up-Programm eine starke internationale Performance erwarten, oder?

Wissen Sie, wenn wir in einem Markt produzieren, dann tun wir das mit lokalem Talent - vor und hinter der Kamera. Und mit Geschichten, die für den jeweiligen Markt relevant sind und auch für ihn gemacht werden. Wir versuchen nicht, die Produktionen für einen internationalen Geschmack zu optimieren. Jede Serie, die lokal die stärkste Geschichte authentisch erzählt, der ist auch international am stärksten nachgefragt. Denken Sie an „Narcos“ oder „Haus des Geldes“. Aber Sie haben natürlich Recht: Comedy ist traditionell ein sehr lokales Genres, mit lokal bekannten Talenten zu lokal relevanten Themen. Aber nehmen Sie „How to sell drugs online (fast)“. Auf dem Papier ist es eine deutsche Comedyserie. Nicht gerade ein Genre, von dem man erwarten würde, dass es international stark performt. Aber es hatte einen einzigartigen Ansatz, eine klare Vision und wurde unglaublich gut umgesetzt. So funktioniert es dann auch international.

Vor wenigen Jahren hätte in der Tat kaum jemand in Deutschland spanische Serien geschaut. Ein Verdienst, den Netflix für sich reklamiert?

Wenn wir in ein Land kommen, egal ob es Indien, Spanien oder Deutschland ist, dann gibt es dort schon großartige Geschichten, berühmte Bücher und talentierte Kreative. Wir beanspruchen nicht für uns, die ersten zu sein, die das Potential in den Ländern wecken. Es gibt in vielen Märkten keinen Mangel an tollen Produktionen. Aber was mein Job ist und was Netflix leisten kann: Dank unserer globalen Verwertung schneller entscheiden, Kreativen so den Rücken stärken und Ideen fördern, die anderen vielleicht zu groß waren.

Netflix hatte im September fünften Geburtstag in Deutschland. Welchen Beitrag leisten aus Ihrer Sicht deutsche Kreative für das Netflix-Angebot?

Deutschland ist ein sehr wichtiger Markt für uns. Eine Aussage, die sich einerseits mit der Vielzahl unserer Beauftragungen, darunter viele originäre Stories als auch Serien basierend auf bestehender IP wie bei „Die Welle“, belegen lässt. Andererseits auch mit der Eröffnung eines eigenen Standorts in Berlin. Wir haben die Notwendigkeit für den unmittelbaren Austausch mit den deutschen Kreativen vor Ort erkannt - in deutsch und ohne Zeitverschiebung zu Los Angeles. Der kreative Beitrag aus Deutschland ist vielfältig. Mit „Dark“ erzählen wir eine fantastische Geschichte in der Kleinstadt, mit „How to sell drugs online (fast)“ eine Comedy in der Kleinstadt, mit dem am Freitag gestarteten „Skylines“ wiederum eine sehr urbane und von Musik bestimmte Story. Und dann kommt zum Beispiel noch „Die Barbaren“, ein ganz besonderes deutsches Period-Drama und mit „Tribes of Europa“ eine Dystopie. Das ist mehr Vielfalt als Kriminalgeschichten.

"In jedem Land, in dem wir produzieren, zielen wir auf einen möglichst breiten Mix an Netflix Originals."

…die in Deutschland einfach unglaublich beliebt sind.

Ich weiß, in einigen Ländern sind beim Blick auf das bestehende Angebot im linearen Fernsehen beispielsweise Kriminalgeschichten besonders gefragt. Natürlich werden wir uns des Genres dann nicht verschließen. Wir können aber mit einer größeren Flexibilität bei der Episodenlänge oder Anzahl der Episoden herangehen. Wir können Storys so lange erzählen, wie sie tragen. Wir haben keine Konventionen, an die wir uns halten müssen. In jedem Land, in dem wir produzieren, zielen wir auf einen möglichst breiten Mix an Netflix Originals. Serien, egal ob Comedy oder Drama, Filme, Kinder- und Familienprogramme, Dokumentationen und non-fiktionale Unterhaltung. Letzteres Genre wollen wir Anfang 2020 für unsere deutschen Abonnenten mit einer neuen lokalen Produktion stärken.

Was kommt?

Wir bringen „Nailed it!“ nach Deutschland, unsere Emmy-nominierte Backshow der etwas anderen Art. Die US-Version hat mit ihrem Humor und der Nahbarkeit der überforderten Kandidatinnen und Kandidaten in Deutschland schon viele Fans gefunden. Und jetzt kommt „Nailed it!“ nach Deutschland. UFA Show & Factual produziert für uns die erste Staffel, deren sechs Folgen am 17. Januar 2020 online gehen. Host der deutschen Version (die den Titel „Wer kann, der kann“ tragen wird, Anm. d. Red.) ist Angelina Kirsch.