Herr Palmer, wie geht es der deutschen Produzentenlandschaft Anfang 2019?

Der Befund ist gemischt. Wie die jüngste Produzentenstudie von Hamburg Media School und Goldmedia zeigt, lagen wir bei 4,9 Milliarden Euro Gesamtumsatz im Jahr 2017. Das ist zwar ein Anstieg gegenüber der letzten Studie von 2011, aber mit einer durchschnittlichen Wachstumsrate von 1,6 Prozent per anno ein relativ kleiner. Während der Umsatz der Kinoproduzenten leider stagniert, kommt das Wachstum aus der TV-Produktion, die nun insgesamt 2,45 Milliarden Euro ausmacht. Eine Ursache dafür sehen wir in den gestiegenen Budgets der öffentlich-rechtlichen Anstalten als Folge der Eckpunktepapiere, die wir 2016 vereinbart haben. Außerdem haben die beiden großen privaten Sendergruppen den Anteil ihrer in Deutschland beauftragten Produktionen deutlich ausgeweitet. Sie investieren wieder erfreulich stärker in deutsches Programm, auch weil der Erfolg der internationalen Serien bei den Zuschauern abgenommen hat.

Das sieht aber nicht danach aus, als ob das viel beschworene "Golden Age of Television" in vollem Umfang bei den Produzenten ankommt.

Unsere Wachstumsrate liegt jedenfalls unter dem gesamtwirtschaftlichen Wachstum in Deutschland. Daran vermag auch der zusätzliche Umsatz durch die SVoD-Plattformen – 2017 waren es rund 150 Millionen Euro – bislang nicht viel zu ändern. Was mich besonders bekümmert, ist die Tatsache, dass der ohnehin geringe Anteil der Exporterlöse an den Gesamtumsätzen sowohl im TV als auch im Kino noch gesunken ist – von 11 auf 7 Prozent. Das würde man im Zeitalter von VoD und neuen Verbreitungswegen eigentlich nicht vermuten. Bei unseren britischen und französischen Kollegen ist die Entwicklung genau gegenläufig. Was sich seit wenigen Jahren jedoch zum Beispiel in der deutschen Serienproduktion abzeichnet, lässt schon eine optimistische Einschätzung zu. Die Förderung muss darauf noch stärker reagieren und wir sind dazu in einem sehr guten Gesprächsprozess mit der Politik in Bund und Ländern.

Welche Konsequenzen würden Sie ziehen, wenn Sie es zu entscheiden hätten?

Das muss uns auf jeden Fall zu denken geben. Ich halte das für einen wichtigen Aspekt unserer kommenden Gespräche mit der Politik: Was müssen wir bei der internationalen Absatzförderung anders machen? Wie schaffen wir es, deutsche Produktionen stärker ins Ausland zu bringen? Gleichzeitig müssen wir uns natürlich auch selbst noch konsequenter fragen, wie wir unser Produkt international marktgängiger machen können. Bei jeder einzelnen Produktion sollten die Beteiligten intensiv darüber nachdenken, wer am besten geeignet ist, den Auslandsvertrieb zu übernehmen. 

Wie sieht es denn überhaupt mit Ihrem langjährigen Bemühen aus, die Rechte- und Erlösverteilung zugunsten der Produzenten zu lockern?

Wir können Bewegung verzeichnen. Total-Buyout-Modelle sind zwar immer noch vorherrschend, gehen aber tendenziell zurück. Bei den Öffentlich-Rechtlichen liegt ihr Anteil noch bei 82 Prozent, bei den Privaten nun sogar nur noch bei 67 Prozent. Die angestrebte Teilfinanzierung, bei der die Produzenten Rechte behalten, die sie selbst verwerten können, steigt von Jahr zu Jahr leicht an. Vor allem bei der ARD scheint sich hier etwas zu bewegen. Wir hatten mit der ARD ja ein Schichtenmodell vereinbart, das dem Produzenten gegenüber den Landesrundfunkanstalten sowie der Degeto bestimmte Put- und Call-Optionen zusichert. Mit dem ZDF konnten wir so etwas leider noch nicht vereinbaren, da ist es bei der einzelvertraglichen Regelung geblieben.

Alles deutet darauf hin, dass Sender und Plattformen weitaus stärker vom "Golden Age" profitieren als die Produzenten.

Nicht nur die. Auch die Filmschaffenden profitieren enorm. Wir haben in den vergangenen Jahren beachtliche Tarifabschlüsse erlebt. Vor allem im Bereich der hochwertigen Fiction-Produktion sind die Top-Performer derzeit so stark nachgefragt, dass die Preise etwa bei Drehbuchautoren in die Höhe getrieben werden.

Und der Produzent sitzt dazwischen und spürt den Druck von allen Seiten?

In seiner Sandwich-Position bekommt der Produzent tatsächlich reichlich Druck ab. Er steht gegenüber den Verwertern in der Verantwortung. Er ist der Mediator zu allen Gewerken, die am Set tätig sind und die koordiniert werden müssen, stemmt die Finanzierung und trägt das Risiko. Wir wollen aber keineswegs nur jammern, sondern auch die positive Entwicklung konstatieren: Der Markt wird ganz klar breiter durch all die neuen Anbieter. Und wie gesagt, schlagen wir zaghafte Breschen in das traditionelle Total-Buyout-Modell.

"Wir schlagen zaghafte Breschen in das traditionelle Total-Buyout-Modell"

Christoph Palmer, Geschäftsführer der Produzentenallianz

 

Mit Bezug auf die SVoD-Plattformen prognostiziert die Produzentenstudie eine deutliche Steigerung des Umsatzvolumens sowie gute "kurzfristige Marktchancen" für deutsche Produktionsunternehmen. Allerdings heißt es dort auch: "Mittelfristig könnte sich die De-Linearisierung negativ auf die Werbeerlöse und damit letztlich auch auf das Auftragsvolumen der privaten deutschen Free-TV-Sender auswirken."

Wenn das lineare Fernsehen an Werbevolumen verliert und zwei große Sendergruppen noch stark vom linearen Werbemarkt abhängig sind, dann löst eine solche Entwicklung natürlich Bewegung aus. Ich halte es aber durchaus für denkbar und realistisch, dass der Werbemarkt mit in die neuen Verbreitungswege hineinwächst. Wer werbliche Botschaften für seinen Geschäftserfolg platziert, wird sich ja nicht plötzlich aus dem Staub machen, sondern eher seinen Schwerpunkt verlagern. Insofern bin ich optimistisch, dass sich die nachhaltigen Investitionen von RTL und ProSiebenSat.1 in neue AVoD- und SVoD-Plattformen auszahlen werden und ihrerseits neue Chancen für Produzenten bedeuten. 

Größere Konzerne können die herausfordernde Marktsituation besser ausbalancieren und haben mehr Investitionsmittel als kleine Independents. Entsprechend schreitet die Konsolidierung im Produktionsmarkt weiter voran. Rechnen Sie als Verband damit, in einigen Jahren weniger Mitglieder als heute zu haben, dafür umso größere?

Der grundsätzliche Trend, den Sie beschreiben, ist unbestreitbar. Allerdings ist der deutsche Produzentenmarkt im Vergleich zur Konzentration in Großbritannien oder Frankreich noch ziemlich breit und vielfältig. Laut Produzentenstudie ist der Umsatzmarktanteil der Top-25-Unternehmen seit 2010 von 49 auf 55 Prozent gestiegen. Wenn Sie das mit der deutschen Automobil-, Chemie- oder großen Maschinenbauindustrie vergleichen, werden Sie dort eine weitaus höhere Konzentration vorfinden.

Was sind die wichtigsten Ziele der Produzentenallianz für 2019?

Mit ARD und ZDF werden wir in den nächsten Monaten versuchen, eine gute, zukunftsgerichtete Evaluierung unserer Eckpunkte hinzukriegen. Sollte es nach 2020 nicht zu einer Erhöhung des Rundfunkbeitrags kommen, würde sich das aus meiner Sicht am ehesten auf die Sportrechte und auf das Programm auswirken. Die deutsche Produktionswirtschaft würde dann massiv unter Druck geraten. Wir wissen, dass es nicht gerade populär ist, aber wir fordern schon aus eigenem Interesse der von Programmbudgets abhängigen Produzenten eine angemessene Erhöhung. Und erst recht aus Sicht der Gebührenzahler, die ein Anrecht auf erstklassiges Programm haben. Das ist eines unserer zentralen Themen für dieses Jahr: Wer gutes Programm haben möchte, muss die Ressourcen dafür zur Verfügung stellen. Bei den Privaten hoffen wir darauf, dass wir den strukturierten Dialog mit den neuen Managements von RTL und ProSiebenSat.1 intensivieren können. Selbstverständlich wird uns auch das Problem des zunehmenden Fachkräftemangels beschäftigen. Wir müssen dafür sorgen, dass gerade in den praktischen Berufen der Filmherstellung mehr und bessere Ausbildungsmöglichkeiten entstehen, und sind dazu in guten Gesprächen mit dem Bundesarbeitsministerium.

Herr Palmer, herzlichen Dank für das Gespräch.

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