Sie haben „Das Boot“ zwar nicht auf einem echten U-Boot, aber dessen baugleicher Kopie gedreht. War die Drehsituation entsprechend klaustrophobisch?
Rick Okon: Absolut. Das Innere war bis ins kleinste Messgerät so originalgetreu, wie es die Besatzungen der Realität erlebt hatten. Man konnte die Enge daher bei jeder Bewegung am eigenen Leib spüren, das war wirklich ein intensives Dreherlebnis. Zumal man im Hinterkopf behalten muss, dass wir dabei nie allein waren, sondern mit zwei Kameras, vier Tonleuten, im besten Fall noch dem Regisseur. Bei 30 Leuten im Kontrollraum musste die Klaustrophobie also nicht erst im Kopf entstehen, sie war permanent zu spüren.
Hat Ihnen das Probleme bereitet?
Nein, für mich war alles okay. Aber auch, weil es eine Tür gab, die man öffnen und hinausgehen konnte an die frische Luft. Gefangen unter der Meeresoberfläche, sieben Stunden zur Untätigkeit verdammt, sähe das völlig anders aus. Darum war die Maximalgröße der Darsteller beim Casting auch auf 1,85 beschränkt; ich bin drei Zentimeter kleiner und habe mir trotzdem ständig den Kopf angehauen.
Wie viel hat „Das Boot“ 2018 darüber hinaus mit dem Original von 1981 zu tun?
Es gibt Szenen und Sätze, die Wolfgang Petersens Film nachempfunden sind, der wie unser auf Grundlage von Lothar-Günther Buchheims „Die Festung“ entstanden ist. Aber all unsere Figuren sind neu, sie haben weder mit Grönemeyer noch Prochnow oder den Besatzungsmitgliedern zu tun.
Bis auf die zotigen Witze unter Deck…
Wobei das kein Bezug zur Kinofassung der Achtziger ist, sondern zur Realität der Vierziger. Junge Männer, viele kaum volljährig, wochenlang auf engstem Raum unter Männern eingepfercht – unser Berater Jürgen Weber, der selbst Kommandant ist, hat uns da sehr deutlich gemacht, dass es in den Gesprächen der Besatzung eigentlich nur um Schweinereien ging. Da war auch das Boot von damals nah an der Realität.
Hatten Sie bei der Anfrage, den Kommandanten zu spielen, je das Gefühl, sich an einer Legende zu vergehen, sind Ihnen die Fußstapfen je als zu groß erschienen?
Ganz kurz vielleicht. Aber als mir klar wurde, dass wir keine Fortsetzung drehen, geschweige denn ein Remake, war das vorbei und ich habe mich im Gegenteil sehr gefreut, so etwas Großes zu spielen. Die Fragen nach Jürgen Prochnows Fußstapfen kommen eher von außerhalb.
"Sofern die Rolle in der Realität verankert ist, recherchiere ich gern genau."
Rick Okon
Haben Sie ihn je getroffen?
Vielleicht fünf Minuten, das war’s. Wenn ich erzählt habe, dass ich der Kommandant in „Das Boot“ bin, haben die Leute zwar oft komisch geguckt; aber ich spiele nicht den alten Kaleun, ich spiele den jungen Klaus Hoffmann. Trotzdem hab ich mir auch Petersens Arbeit nochmals angeguckt, aber eben auch viele, viele andere U-Boot-Filme.
Nehmen Sie ein Genre generell genau unter die Lupe, bevor Sie etwas dazu beitragen?
Schon, aber nicht um zu sehen, wie andere Schauspieler mit der Figur des Kaleu umgehen, sondern welche Atmosphären andere Filmemacher herstellen wo sie die Schwerpunkte gesetzt haben. Zusätzlich schaue ich natürlich was es an Dokumentationen und Literatur zum Thema gibt. Biografien etwa wie die von Jürgen Weber, der selbst U-Boot-Kommandant ist. Sofern die Rolle in der Realität verankert ist, recherchiere ich gern genau. Wenn man nicht weiß, wie Originale stehen, reden, sich bewegen, wird die Figur schnell künstlich.
Haben Sie jemals zuvor eine so militärische Figur verkörpert?
Nicht in dem Umfang.
Hamsejedient, wäre die Anschlussfrage?
Nee, hab ick nicht. Ich hab Zivildienst gemacht.
Kommt diese Haltung, der gerade Rücken automatisch, wenn man Uniform trägt?
Die Uniform bewirkt eine Menge, schon weil sie so einengt, mit all dem Leder. Unvorstellbar, den ganzen Tag darin rumzulaufen, das macht definitiv was mit einem.
Bis auf einen Holocaust-Film haben Sie zuvor nur moderne Sachen gemacht. Worin unterscheidet sich die Arbeit im historischen Kontext von aktueller Fiktion?
Dass man echten Menschen gerecht werden will – auch wenn es davon in diesem Fall nicht mehr so viele gibt. Insofern ist jeder historische Stoff vor dem Hintergrund eines Verbrechens wie dem 2. Weltkrieg immer auch ein Appell, so was nie wieder zuzulassen. Beim Spielen selbst wird einem das natürlich nicht so bewusst, da bin ich zu fokussiert auf den Moment; in der Vorbereitung und Nachbetrachtung allerdings schon.
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Als „Das Boot“ 1982 ins Kino kam, war der 2. Weltkrieg eine Generation her, jetzt ist es ein Menschenleben. Warum taugt er weiterhin für serielle Großproduktionen wie diese?
Viele sagen ja, es sei jetzt auch mal gut mit Filmen über Krieg, Nationalsozialismus, den Holocaust. Aber wir leben gerade in einer Zeit, in der die Gesellschaft – mit ganz ähnlichen Tendenzen zeigt, wie damals. Und wenn wir es durch solche Produktionen schaffen die Menschen darüber auf dem Laufenden halten, ist das doch eine gute Sache.
Ist Ihnen an Botschaften gelegen?
Als Bonus ja, absolut.
Würden Sie „Das Boot“ selber gucken, als vergleichsweise junger Konsument der Generation Internet?
Oh Mann, bei der Frage kann ich doch nur verlieren. Aber auch wenn es ein bisschen eitel klingt: Ja.
Was sehen Sie ansonsten selbst gern?
Fargo, die ersten beiden Staffeln, großartig. Ich fand auch „The Alienist“ mit Daniel Brühl zuletzt toll. Ich bin ein großer Streamer, linear fernsehen tue ich eigentlich nur noch, wenn bestimmte Kollegen mitspielen, aber auch dann zu 90 Prozent in der Mediathek.
Ist Ihnen eigentlich bewusst, was für eine Talentschmiede „Das Boot“ von 1981 war?
Ja, ich habe davon gehört. Als ich den Film nochmals gesehen und einige Darsteller gegoogelt hatte, fiel mir aber erst so richtig auf, wie viele danach zu Stars geworden sind.
Auch jetzt spielt wieder viel Nachwuchs mit. Könnte es ihm ähnlich ergehen wie Jan Fedder, Ralf Richter, Claude-Oliver Rudolph oder auch Jürgen Prochnow, der danach zum Weltstar wurde?
Naja, so lange da jetzt kein Anruf kommt, bleibe ich gelassen (lacht). Aber ich würde es natürlich jedem von uns gönnen.
Herr Okon, vielen Dank für das Gespräch.