Bei unserem ersten DWDL-Gipfel im Mai haben wir festgestellt, dass die Nonfiction-Branche unter einem erheblichen Fachkräftemangel leidet. Ist das in der Fiction ähnlich?
Amberger: Definitiv. Versuchen Sie mal, in Berlin eine größere Produktion im Sommer zu drehen! Wir haben die Erfahrung mit "Acht Tage" gemacht. Es war ein echtes Problem, die richtig guten Department Heads terminlich zu kriegen und dann auch noch bezahlen zu können. Die sind es nämlich gewohnt, für Hollywood aka Babelsberg zu arbeiten. Da bekommt man einen First AD nur, wenn man sich auch bei 80 Drehtagen deutlich jenseits der Tarifgage bewegt. Das Fachpersonal, das unsere schönen Ideen umsetzt, fehlt wirklich an allen Ecken und Enden.
Quentell: Gutes Personal ist in der Tat schwer zu finden. Für unseren Bedarf ist es sinnvoll, junge Menschen auch außerhalb der Welt der Filmhochschulen zu gewinnen. Wir arbeiten in allen unseren Teams mit Junior Producern, die den verantwortlichen Producern zur Seite gestellt werden und die tatsächlich 'on the job' wertvolle Erfahrungen sammeln können, um später selbst Verantwortung zu tragen. So entdecken wir gute Leute frühzeitig und versuchen, sie in unserem System zu halten.
Liefern die Filmhochschulen kreativen Nachwuchs, der fit für den Markt ist?
Amberger: Für unsere Produzentenklasse an der HFF München kann ich sagen, dass wir sehr gut auf den Markt vorbereitet wurden. Wir durften schon während des Studiums mit eigenen Budgets und eigenen Rechten produzieren. Das hat extrem geholfen, auch wenn die Mehrzahl unserer Kommilitonen bislang nicht die Selbstständigkeit gewählt hat.
Simon Amberger (NeueSuper) und DWDL.de-Chefreporter Torsten Zarges
Benedict: Ich glaube, das deutsche Filmhochschulwesen liefert insgesamt eine hohe Qualität in der Ausbildung kreativer Talente. Aber Film lebt immer auch von Quereinsteigern, die spannende Sichtweisen und Stimmen mitbringen. Gerade als größeres Produktionsunternehmen steht man in der Pflicht, eigene Ausbildungs- und Nachwuchsstrategien zu entwickeln. Unsere Kollegen von der UFA Serial Drama haben ja gerade eine Serienschule ins Leben gerufen, an der ab Januar spezifisch auf die klar umrissenen Bedürfnisse von Daily Soaps hin ausgebildet wird. Solche individuell zugeschnittenen Initiativen werden wir in Zukunft sicher häufiger sehen.
Sprechen wir zum Schluss noch übers Geld. Wenn man die Forderung nach einer Stärkung der Autoren ernst nimmt, wirkt sich das auch auf Budgets aus. Denn bislang ist gerade der erste Schritt, die Stoffentwicklung, hierzulande im internationalen Vergleich unterfinanziert.
Ertener: Man könnte auch sagen: Das System gedeiht, weil wir Autoren so schlecht bezahlt werden.
Amberger: An diesem Punkt brauchen wir unbedingt einen Schulterschluss. Aus meiner Sicht heißt die entscheidende Herausforderung für uns alle: Wie können wir in Deutschland eine Finanzierungssituation herstellen, die mit den großen internationalen Produktionen vergleichbar ist? In den USA, Großbritannien oder Dänemark sitzen ja auch nicht nur Genies am Tisch. Aber dort haben sie mehr Zeit und mehr Geld. Da wird gezielt in Entwicklung und Recherche investiert. Wenn eine Serienbibel im US-Markt 70.000 Dollar kostet und ich hier schon kämpfen muss, damit mir ein Sender 5.000 bis 7.000 Euro dafür gibt, dann offenbart das die enorme Diskrepanz, die natürlich zulasten der Qualität geht.
Zahn: Und da wir eben hierzulande keine 70.000 Euro für eine Serienbibel bekommen, müssen wir auf vielen Hochzeiten gleichzeitig tanzen. Eva und ich haben immer mehrere Projekte parallel laufen. Das führt natürlich dazu, dass wir uns nicht zu 100 Prozent auf ein einziges Projekt konzentrieren können. Gut für den Markt, weil mehr Stoffe in der Entwicklung sind – aber nicht so gut für die Qualität in der Spitze. Als Autoren würden wir uns definitiv mehr Zeit und mehr Geld in der Entwicklungsphase wünschen.
Benjamin Benedict (UFA Fiction) und die Drehbuchautoren Volker Zahn und Orkun Ertener
Benedict: Das wird die nächste große Debatte, die wir miteinander, aber natürlich auch mit Sendern und Plattformen führen müssen: Wie definieren wir die Bedingungen für Qualität? Und wie kriegen wir es hin, dass Zeit, Geld, Arbeitsformen und Partnerschaften so allokiert werden, dass sie maximal auf die von uns allen angestrebte Qualität einzahlen? Die neuen Serienformate müssen in dem volatilen Markt finanziert werden und das ist manchmal nur mit mehr als einem Partner möglich, was wiederum neue Fragen nach sich zieht: Lange Einstellzeiten in den Mediatheken sind ein relevantes Thema, die natürlich Auswirkungen auf andere Verwertungsbereiche haben usw. Insofern ist die Entwicklung vielfältiger Geschäftsmodelle und Finanzierungen für Serien eine große Aufgabe, gerade auch mit Blick auf notwendige Qualität in der Entwicklung – an dieser Qualitätsfrage hängt alles.
Wir danken Ihnen allen herzlich für dieses Gespräch.