Frau Brandt, 20 Jahre sind eine lange Zeit. Wenn Sie sich zurückerinnern: Was machte damals den Reiz von "In aller Freundschaft" aus?
Beim Aufbau der Grundpfeiler der Serie war ich noch nicht dabei - ich bin mit der 2. Staffel eingestiegen. Die Antwort auf Ihre Frage zum Reiz von damals ist dieselbe, die ich Ihnen auch zu den aktuellen Folgen geben würde: Die Serie lebt von der Mischung aus hochemotionalen Geschichten über Figuren, die uns über die Zeit immer mehr ans Herz wachsen. Uns gelingt es, über authentische Geschichten einen hohen Wiedererkennungswert für den Zuschauer zu schaffen und darüber hinaus sogar Lebenshilfe zu bieten. Daneben kommt damals wie heute auch der Humor nicht zu kurz.
Zweifelt man angesichts der langen Dauer auch mal daran, ob sich die Geschichten noch weitererzählen lassen?
Zweifel sind in all den Jahren nie aufgekommen. Die Liebe unseres Publikums zu den Figuren der Serie und das Vertrauen in authentische Geschichten sind großartig und immer wieder eine Bestätigung. Pro Staffel gibt es eine große Konferenz, in der wir darüber philosophieren, wohin sich die Figuren entwickeln und was aus den Erzählsträngen werden soll. In dieser kreativen Phase wird alles hinterfragt und uns fallen wirklich sehr viele Ideen ein. Sogar so viel, dass wir inzwischen zwei neue Serien in der Welt von "In aller Freundschaft" geschaffen haben, weil wir davon überzeugt sind, so auch weitere Zuschauergruppen ansprechen zu können.
Wie sehr muss man darauf achten, dass die Handschrift gewahrt wird und wie viel eigene Handschrift muss ein Spin-Off mitbringen?
Es geht um die richtige Balance. Wenn Sie auf "In aller Freundschaft – Die jungen Ärzte" schauen, dann wird man die Handschrift aus "In aller Freundschaft" hundertprozentig erkennen. Dort herrscht die gleiche Mischung aus hochemotionalen Geschichten. Die eigene Handschrift kommt durch den jungen Cast zum Ausdruck, mit dem wir ganz bewusst auch jüngere Zielgruppen ansprechen wollen. Auch der neueste Spin-Off "In aller Freundschaft – Die Krankenschwestern" trägt im Kern die DNA der Mutterserie. Die Tonalität allerdings ist anders. Neu ist auch, dass wir diese Serie gänzlich ohne Ärzte erzählen.
"In aller Freundschaft" ist die einzige Weekly in der Primetime im deutschen Fernsehen. Warum traut sich aus Ihrer Sicht niemand, das nachzumachen?
Das müssen Sie andere Menschen fragen. Vielleicht wirkt unser Erfolg auf mögliche Konkurrenten ja ein Stück weit abschreckend. (lacht)
Insbesondere am Dienstagabend setzt die ARD auch abseits von "In aller Freundschaft" oft auf populäre Stoffe. Umgekehrt könnte man sagen, dass damit nicht unbedingt Preise gewonnen werden können. Trifft Sie so etwas?
Das ist ja erstmal unwahr. Denken Sie nur an "Weissensee" oder die „Charité“, die der MDR verantwortet hat. Diese Serien haben sowohl ein breites Publikum erreicht als auch renommierte Preise bekommen. Im Übrigen habe ich mich sehr über den Publikumsbambi für „In aller Freundschaft“ gefreut. Das war ein wunderschönes Kompliment von unseren Fans.
"Weissensee" ist aber sicher nicht der klassische Dienstagabendstoff, sondern eher eine Ausnahme.
Die Serien, die der MDR für die Gemeinschaft verantwortet, bilden das größtmögliche Spektrum von erzählerischen Stoffen ab. Da finden sich Serien wie "Hubert und Staller" und Serien wie "In aller Freundschaft". Zugleich gibt es viele Erneuerungen wie "Charité" oder "Weissensee". Und wir haben noch viele weitere Ideen in der Entwicklung.
Was muss eine Serie generell mitbringen, damit sie in den Dienstag passt – und ist da überhaupt viel Platz für Neues angesichts der hohen Zahl an erfolgreichen Serien?
In diesem Jahr haben wir in der ARD mit "Falk" und "Die Heiland" gleich zwei neue Anwaltsserien auf dem Dienstagabend-Sendeplatz getestet, die eine neue Farbe in unser Portfolio gebracht haben. Da werden wir nun Bilanz ziehen, welche wir in die Fortsetzung schicken. Natürlich gibt es mit "Um Himmels Willen" auch Klassiker. Insofern ist der Dienstag eine ausbalancierte Mischung aus Verlässlichem und Neuem.
Aber trotzdem haben es doch neue Stoffe tendenziell schwierig, wenn rund 40 Wochen pro Jahr mit den Klassikern belegt sind.
Das Gesetz der Serie ist die Fortsetzung der Serie. Wir setzen am Dienstag auf verlässliche Größen mit drei Serien und jeweils 13 Folgen pro Staffel. Das ist der Richtwert. Natürlich muss man immer wieder Bilanz ziehen und schauen, ob eine Fortsetzung Sinn macht. Aber es war auch in der Vergangenheit immer wieder Platz für neue Formate, etwa die "Vorstadtweiber". Davon abgesehen: Man muss ja nicht immer etwas Neues ausprobieren, sondern darf auch gerne am Bewährten festhalten.
Gleichzeitig gibt es jedoch immer noch deutlich mehr Film-Sendeplätze im Ersten, obwohl wir ja gerade in einem Zeitalter vieler spannender Serien leben. Muss sich der Schwerpunkt da womöglich ändern, auch weil der Fernsehfilm ein sehr deutsches Phänomen ist?
Das Erste und der MDR haben schon immer über Serien gesprochen und daraus sind viele überaus erfolgreiche Projekte entstanden. Aber wird es in Zukunft nur noch Serien im Ersten geben? Bestimmt nicht. Wie viele Serien ein Programm braucht, ist eine Abwägungsfrage und wird intern auch diskutiert.
Alle reden von diesem New Golden Age of Television. Welche Serien beeindrucken Sie ganz persönlich?
"The Crown" hätte ich sehr gerne selbst gemacht. Und bei "Stranger Things" hat mir sehr gut gefallen, wie neu man diesen 80er-Look inszeniert hat. Grundsätzlich beeindrucken mich aber vor allem Serien, die es über Jahre und Jahrzehnte schaffen, sich in diesem schnell wandelnden Geschäft erfolgreich zu halten. Da schließt sich auch der Kreis zu "In aller Freundschaft". "Grey's Anatomy" beeindruckt mich beispielsweise zutiefst. Manchmal ist die Erneuerung die eigentliche Kunst.
Frau Brandt, vielen Dank für das Gespräch.