Frau Strobl, "Babylon Berlin" ist mit fast acht Millionen Zuschauern im Ersten gestartet. Wie erleichtert sind Sie angesichts der Quoten?
Ich bin megahappy und kann es gar nicht glauben, dass unser ganzes Konzept rund um dieses Serienevent so aufgegangen ist. 7,83 Mio. Zuschauer, 24,5 Prozent Marktanteil und 21,2 Prozent Marktanteil bei den 14- bis 49-Jährigen, das ist schon richtig beeindruckend. Dabei sind die Nutzer in der Mediathek noch gar nicht mitgezählt. Und natürlich zeigt die Serie Babylon Berlin damit, dass sie heute mit Kinoqualität im Fernsehen sehr wohl punkten können.
Insofern ist der Sprung von "Babylon Berlin" zu Kino also gar kein großer. Woher kommt das Interesse der Degeto, sich im Kino-Bereich zu engagieren?
Die Degeto hat darin eine große Tradition. Wir haben schon immer in großem Umfang Spielfilmlizenzen ins Programm des Ersten eingebracht. Aber wir mussten in den letzten Jahren zunehmend feststellen, dass es auf dem freien Markt aufgrund von Output-Deals mit Studios immer schwerer ist, an geeignete Filme heranzukommen. Aus diesem Grund beteiligen wir uns nun schon seit einigen Jahren an deutschen, manchmal auch an internationalen Kinoproduktionen. Allerdings möchte ich nicht verhehlen, dass das Kinoengagement in Zeiten sinkender Beitragseinnahmen auch innerhalb der ARD nicht immer unumstritten ist. Ich persönlich bin da Überzeugungstäterin.
Gehört Kino ernsthaft zum Auftrag einer öffentlich-rechtlichen Anstalt, deren Fokus ja eigentlich auf Fernsehen und Radio liegt?
Das deutsche Kino wäre ohne das Engagement des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nicht vorstellbar: Natürlich sind wir keine Förderung, schließlich engagieren wir uns stets mit Blick auch aufs Fernsehen. Und das deckt unser Auftrag ganz klar ab.
Wann ist ein Film fürs Kino geeignet und wann fürs Fernsehen?
Ich bin kein Freund davon, Kinostoffe so zu gestalten, dass sie fürs Fernsehen passend gemacht werden. Ein Film muss im Kino aus sich heraus funktionieren und wenn er erfolgreich im Kino läuft, dann ist er für uns im Fernsehen auch interessant, selbst wenn die Erzählform im Kino eine andere ist. Sie wissen, im Fernsehen entscheidet der Zuschauer in den ersten zwei Minuten, ob er dran bleibt, während er im Kino eine Verabredung eingeht und bereit ist, einer Geschichte viel länger zu folgen.
Setzen Sie dennoch nicht aufs falsche Pferd, wenn man sich die sinkenden Kino-Besucherzahlen in diesem Jahr ansieht?
Die Besucherzahlen für das gesamte Jahr stehen noch nicht fest – und wir haben noch einen heißen Herbst vor uns. Aber damit wir uns nicht missverstehen: Das Kino-Engagement findet bei uns in einem begrenzten Umfang statt, unser Hauptengagement ist natürlich das Fernsehen in seiner klassischen Form mit 90 Minuten oder mit 45 Minuten. Davon abgesehen setzen wir im Kino hoffentlich nicht aufs falsche Pferd, sondern auf die Stoffe, die so attraktiv sind, dass wir sie später unbedingt im Fernsehen zeigen wollen. Im Übrigen gibt uns der Erfolg des diesjährigen SommerKinos mit über 14 Prozent Marktanteil recht, zumal der Montagabend um 20:15 Uhr, auf dem das SommerKino dieses Jahr ausgestrahlt wurde, fürs Erste kein einfacher Sendeplatz ist.
Gerade hat "Werk ohne Autor" von Florian Henckel von Donnersmarck Deutschlandpremiere gefeiert, nun kommt der Film in die Kinos. Was gab den Ausschlag dafür, dass sich die Degeto daran beteiligt hat?
Ich halte "Werk ohne Autor" für das Kino-Ereignis des Jahres. Der Stoff hat sich schon auf Drehbuchbasis so faszinierend angefühlt und natürlich hat auch die Regie von Florian Henkel von Donnersmarck und dem schon damals feststehenden Cast den Ausschlag gegeben. Da war eine Beteiligung für uns schon fast zwingend. Dieses Werk erzählt in großem Bogen die deutsche Geschichte des 20. Jahrhunderts und nähert sich der Frage, wie ein Künstler zu seiner Kunst kommt. Das ist ein unglaubliches cineastisches Erlebnis und ich freue mich schon jetzt auf den Kinostart und darauf, dass den Film das auch unseren Zuschauern im Ersten bieten können.
Auf einem nächtlichen Sendeplatz?
Nein, ich gehe fest davon aus, dass wir "Werk ohne Autor" in eineinhalb Jahren im Rahmen des SommerKinos um 20:15 Uhr zeigen werden. Es kann aber auch genauso gut sein, dass wir ihn uns für den Herbst im Rahmen einer Sonderprogrammierung aufheben.
"Werk ohne Autor": Die Schauspieler Sebastian Koch, Paula Beer und Tom Schilling sowie Regisseur Florian Henckel von Donnersmarck
Wie viel Geld steckt die Degeto in den Film?
Wir haben die Verabredung, uns nicht zu konkreten Zahlen zu äußern, aber wir liegen in diesem Fall im deutlich siebenstelligen Bereich.
Viel Geld...
Wir sehen uns in der Investition bestätigt – und die Nominierung als deutscher Oscar-Beitrag zeigt, dass der Film ein Werk ist, das ideal zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk passt.
Wie haben Sie sich gefühlt, als diese Entscheidung bekannt gegeben wurde?
Das ist eine Form von Glücksgefühl und Dankbarkeit, die für diejenigen nochmal größer ist, die noch viel intensiver als man selbst so unendlich viel Arbeit in das Projekt hineingesteckt und mit einer wahnsinnigen Präzision gearbeitet haben. Im Oscar-Rennen zu sein, ist die größte Bestätigung, die man als Kreativer in der Filmbranche und auch als Redakteur bekommen kann.
Nun ist “Werk ohne Autor“ aktuell nicht die einzige Kinokoproduktion der Degeto. Welche Projekte stehen noch an?
Im Moment haben die Kinobesucher noch die Möglichkeit, "Sauerkrautkoma" mit Sebastian Bezel und "Grüner wird’s nicht" mit Elmar Wepper anzuschauen. Gerade letztgenannter Film ist ein schönes Beispiel dafür, dass man nach einem Kinobesuch beschwingt und auch ein Stückchen klüger und weiser nach Hause gehen kann. Später folgen noch die Romanverfilmung von "Der Trafikant" und "So viel Zeit" mit Jan Josef Liefers über mehrere Musiker, die sich aufmachen und an alte Zeiten anknüpfen wollen – beides aus meiner Sicht besondere Werke. Voraussichtlich im Frühjahr 2019 geht es mit "Trautmann" weiter. Darin wird die wahre Geschichte des deutschen Kriegsgefangenen Bert Trautmann erzählt, der später zur Torwartlegende bei Manchester City wurde. Der Film zeigt, wie über den Sport Nachkriegsdramen überwunden werden konnten, und er zeigt, dass Kino die Menschen nicht nur berühren, sondern sie im besten Fall auch zusammenbringen kann.
Möchten Sie bei der Degeto die Zahl der Kinokoproduktionen in Zukunft noch ausbauen?
Wir sind immer an guten Stoffen interessiert. Wenn sich dies durch den Ausbau vons Kinokoproduktionen erreichen lässt, dann bin ich bereit dafür. Die Realität ist allerdings, dass das Kinogeschäft nicht leichter wird. Wir müssen daher alle miteinander nicht so sehr auf die Masse schielen, sondern auf die zwingenden Kinostoffe. Im Moment besteht eher das Problem, dass zu viele Kinostoffe ins Kino gebracht werden, wodurch einzelne Filme gar nicht mehr die Chance haben, sich zu entfalten, sondern viel zu schnell wieder abgesetzt werden. Aus diesem Grund sehen wir uns in der Verantwortung, auf den richtigen Kinostoff zu setzen. Darüber hinaus schauen wir aber auch weiterhin auf den internationalen Markt: Filme wie "Die Verlegerin" mit Meryl Streep sind für uns nach wie vor interessant und können uns ebenfalls bereichern.
Frau Strobl, vielen Dank für das Gespräch.