Herr Kofler, schon 2016 haben wir uns unterhalten. Da hatten Sie gerade das erste Investment in die britische Agentur Social Chain getätigt und die Glow Convention entstand. Heute sind sie Hauptaktionär und Vorstandschef der Social Chain Group. Helfen Sie uns, den Weg dahin nachzuvollziehen…
Gerne, nun ist aus der Beteiligung an Social Chain vor zwei Jahren eine Unternehmesgruppe geworden, die Social Media und E-Commerce unter einem Dach verbindet. Im Geschäftsfeld Social Media haben wir die Bereiche Publishing, Social Marketing und Events.
Und das ist entstanden aus dem Investment in eine Agentur aus Manchester mit 20 Mitarbeitern?
Nicht nur, aber auch. Zum Einen ist die Social Chain Agency von 20 Leuten in Manchester auf mehr als 170 Mitarbeitern gewachsen, die inzwischen zahlreiche Preise gewonnen haben und längst auch Büros in London, New York und Berlin betreiben. Social Media Marketing ist eine große Sache geworden und wir profitieren davon, rechtzeitig richtig aufgestellt gewesen zu sein. Wir haben unsere Anteile an der Social Chain Ltd. von damals 30 Prozent auf jetzt 65 Prozent ausgebaut. Zum Anderen haben wir Media Chain gegründet. Das ist schon innerhalb von Social Chain entstanden, wo viele Communities bzw. Seiten selbst betrieben wurden. Das bewusst als eigenständige Säule aufzubauen und sozusagen zum Medienhaus der Social-Media-Generation auszubauen, beruht sicherlich auf meinem Engagement. Und wir sind heute schon unter den Top10 Social-Media-Publishern in Europa, gleichauf mit der RTL Group.
Georg Kofler zurück im Mediengeschäft.
Das ist eines der Geschäftsfelder der Social Chain Group. Wir haben auch das Geschäftsfeld E-Commerce gerade kürzlich enorm erweitert durch Akquisitionen von großen Webshops wie Planet Sports mit 75 Millionen Euro Umsatz oder der Lumaland AG mit 50 Millionen Euro Umsatz. Hier managen wir auch die Beteiligungen aus „Die Höhle der Löwen“. Vor zwei Jahren als wir das letzte Mal sprachen, hatte ich mir noch nicht ausgemalt, dass ich jemals in der Höhle der Löwen sitzen würde. Die Social Chain Group AG ist entstanden aus unternehmerischen Möglichkeiten und erreicht in diesem Jahr schon ein Umsatzniveau von etwa 200 Millionen Euro.
Sie kommen aus dem Inhalte-Geschäft und haben dann schon bei HOT (heute HSE24) den Handel für sich entdeckt. Ist die Social Chain Group jetzt die Vervollständigung des unternehmerischen Kreislaufs: Reichweite aufbauen und selbst ausnutzen bis zum Verkauf?
Die Kür der unternehmerischen Kreativität im Mediengeschäft besteht meiner Meinung nach darin, wenn man verfügbare Werbeflächen nicht an Drittkunden abgibt, sondern eigene Marken etabliert, die von der selbst erzielten Reichweite profitieren. Und genau das war damals auch schon zu meinen ProSieben-Zeiten Mitte der 90er Jahre mein Bestreben, aber die Idee ProSieben mit Teleshopping und der Vermarktung eigener Produkte einen zusätzlichen Umsatzbringer zum Werbegeschäft aufzubauen, scheiterte damals noch an rundfunkrechtlichen Rahmenbedingungen. ProSieben ging an die Börse und ohne klare Spielregeln erschien das Abenteuer Teleshopping meinen Partnern als zu risikoreich. Deswegen habe ich HOT dann privat außerhalb von ProSieben mit Thomas Kirch zusammen gegründet. Im Zeitalter von Social Media und E-Commerce ist die Social Chain Group jetzt die Verwirklichung dessen, was damals nicht ging. Es ist mein neues ProSieben im Zeitalter von Social Media.
ProSiebenSat.1 hat unter Herrn Ebeling eine ähnliche Strategie gefahren, allerdings waren die Beteiligungen im E-Commerce in der Regel auf einen zügigen, gewinnbringenden Exit ausgelegt. Wie sieht das bei Ihnen aus?
Wir wollen operativ von unserer bewussten Aufstellung profitieren. Ich verstehe mich mehr als Unternehmer als Investor - und als eher langfristig denkenden Unternehmer, der von den neuen Möglichkeiten in der Kombination von E-Commerce und Social Media fasziniert ist. Ich bin 61, aber fühle mich vom unternehmerischen Lebensgefühl her wie damals im zweiten oder dritten Jahr von ProSieben oder später Premiere. Das unternehmerische Adrenalin ist uneingeschränkt vorhanden.
Bisher sind sowohl die Agentur Social Chain als auch das Medienhaus Media Chain überwiegend im britischen Markt aktiv. Welche Rolle spielt der deutsche Markt?
Wir verstehen uns dezidiert als ein international aufgestelltes, integriertes Social-Media-Unternehmen. Und das ist ja der große Unterschied zum ProSieben von damals: Die Möglichkeiten der Internationalisierung und Interaktivität. Das beschert uns höhere Wachstumschancen, was für mich den Reiz ausmacht. Weder unser Wachstum noch die Themenfelder in denen wir aktiv sind, enden an Landesgrenzen.
Schön formuliert, trotzdem noch einmal die Nachfrage: Auf welchem Märkten wollen SIe mit der Social Chain Group agieren?
Beim Publishing und Social Marketing sind wir derzeit noch in Großbritannien stärker, aber dafür im E-Commerce wiederum durch die aktuellen Zukäufe in Deutschland aktiver. Die künftige Entwicklung wird sich natürlich wie immer durch das natürliche Trial & Error des Unternehmertums ergeben. E-Commerce wird in den nächsten Jahren vielleicht stärker in Großbritannien und den USA wachsen, Publishing und Social Marketing dafür im deutschsprachigen Raum. Bei den Events sind wir mit der Glow Convention in Deutschland schon weit vorne, wollen solche Events jetzt auch nach Großbritannien, in die USA und anderswo hin bringen.
Konkret nochmal eine Nachfrage zu Media Chain, also dem Medienhaus der Gruppe. Die Inhalte entstehen bislang fast ausschließlich in Großbritannien und auf englisch. Wollen Sie in Deutschland Reichweite zukaufen oder organisch wachsen?
Die Entwicklung bei Social-Media-Kanälen verändert sich ja sehr schnell. Vor zwei Jahren gab es zum Beispiel kaum Live-Videos auf Facebook. Natürlich werden wir da in Deutschland aufholen, aber die größeren Audience ist natürlich international und englischsprachig. Das müssen wir im Blick haben.
Die Social Chain Group AG hat aber ihren Sitz in Berlin.
Richtig. Die Social Chain Group AG ist eine deutsche AG und wenn wir mal an einen Börsengang denken, dann kommt für mich zu allererst Frankfurt in Frage. Insgesamt machen wir in Deutschland auch derzeit den meisten Umsatz, aber wir denken und agieren bewusst international.
Es zieht Sie nach ProSieben und Premiere also noch ein drittes Mal an die Börse?
Wenn ich sage „Das ist mein neues ProSieben im Zeitalter von Social Media“ dann erinnere ich mich natürlich auch an den sehr erfolgreichen Börsengang von ProSieben. Ich bin ein Befürworter von börsennotierten Unternehmen, weil man dort einfach einem stärkeren Druck ausgesetzt ist, nachhaltige Leistung zu bringen und transparent zu sein, was eine disziplinierende Wirkung auf das Wachstum und die Organisation eines zukunftsorientierten Unternehmens hat.
Aber bis dahin bleibt die Social Chain Group fast ein Familienunternehmen. Ihr Schwager Holger Hansen sitzt mit im Vorstand. Sie beide halten 96 Prozent der Aktien. Ihr ältester Sohn Philipp Kofler sitzt im Aufsichtsrat und mit Michael Börnicke haben Sie einen CFO, mit dem sie seit 1992 immer wieder gearbeitet haben…
(lacht) Das war bei Kirch ja auch nicht anders. Aber klar: Momentan sind wir, wenn sie so wollen, ein mittelständisches Familienunternehmen. Das hat in Deutschland immer einen guten Klang, oder?
Auf jeden Fall. Im Wettbewerb der großen Konzerne ist das im Netz aber vielleicht eine weniger erfolgsversprechende Beschreibung.
Keine Sorge, die von Anfang an internationale Aufstellung sorgt schon dafür, dass wir nicht provinziell denken. Und in absehbarer Zeit, also sagen wir in 18 bis 24 Monaten, fassen wir auch den Börsengang der Social Chain Group ins Auge.
Sie gehen ins Netz um die junge Zielgruppe zu erreichen, etwas was Sie früher mit ProSieben im Fernsehen versucht haben. Ist das Fernsehen inzwischen das falsche Medium um junge Zielgruppen zu erreichen?
Nein, nein. Das können wir doch gerade sehr schön sehen bei „Die Höhle der Löwen“. Das erleben ich ja gerade jeden Dienstagabend bzw. nächsten Morgen hautnah. Gerade an diesem Dienstag wieder über 20 Prozent Marktanteil bei den 14- bis 49-Jährigen und die Marktanteile bei den 14- bis 29-Jährigen sind ja noch höher - bei 25 bis 28 Prozent und am höchsten bei den jungen Frauen. Das finde ich sensationell. Mit den richtigen Formaten erreicht das Fernsehen immer noch sehr viele junge Menschen. Ich bin der letzte, der einen Abgesang auf das Fernsehen anstimmen wird. Das Fernsehen ist heute immer noch ein wichtiges Leitmedium, was man auch daran erkennt, wie viele Unternehmen der Digitalwirtschaft ihre Bekanntheit - oft ihr höchstes Gut - durch das Fernsehen aufbauen.
Und dennoch gehen Sie lieber ins Netz und widmen sich Social Media und E-Commerce.
Ja, die andere Wahrheit ist eben auch: Social Media erreicht viele junge Menschen, die das klassische Fernsehen nicht mehr oder nicht mehr so genau erreicht. Ich sage nicht, dass eines das andere ersetzt. Wie so oft im Leben kommt es auf die richtige Kombination an.
Sie haben als Vertreter des Privatfernsehens oft die Überregulierung dieses Mediums beklagt. Ist der Weg ins Netz für Sie auch ein Befreiungsschlag von dieser Regulierung?
Ich glaube, dass in der Zwischenzeit die Regulierung des Privatfernsehens recht vernünftig ist. Was allerdings stört, ist die veraltete Interpretation des Kartellrechts, das zu sehr auf nationalen Wettbewerb geschaut hat und außer Acht ließ, dass der mediale Wettbewerb längst im internationalen Rahmen stattfindet und Google, Facebook und Co. sich ungehindert ausbreiten können, während die Medienunternehmen hierzulande in ihrem Wachstum behindert werden. Nein, die Entscheidung für Social Media ist kein Befreiungsschlag von irgendetwas sondern die Lust auf ein neues unternehmerisches Abenteuer. Wir erleben gerade, das alle überlegen, wie man die enorme mediale Reichweite von Social Media nutzen kann. Und dieses Feld mitzugestalten, wie wir einst mit ProSieben das deutsche Privatfernsehen geprägt haben, das ist die Motivation für diesen Neuanfang.
Letzte Frage: Sie haben weder einen YouTube-Channel, noch einen Twitter- oder Instagram-Account. Wann wird Georg Kofler Social-Media-Star?
(lacht) Jaja, ich bin einfach zu faul dazu. Da will ich ganz ehrlich sein. Wer mich sehen will, der soll „Die Höhle der Löwen“ schauen. Vielleicht mache ich auch das ein oder andere Video für die neue Website der Social Chain Group, aber ansonsten habe ich kein gesteigertes Bedürfnis, mein Privatleben oder meine Ansichten über Gott und die Welt ständig in die Welt zu posaunen.
Herr Kofler, herzlichen Dank für das Gespräch.