Herr Walde, Ihr ZDF-"Sommerinterview" mit Alexander Gauland hat zahlreiche Reaktionen ausgelöst, positive wie negative. Haben Sie das in diesem Ausmaß erwartet?
Wir wissen, dass Interviews mit der AfD häufig beachtet werden. Von daher bin ich davon ausgegangen, dass das Gespräch mit Herrn Gauland ein gewisses Interesse finden würde. Das Ausmaß überrascht mich allerdings schon ein bisschen. Ich bekomme bei Twitter in meiner Timeline über Stunden hinweg fast 100 Mitteilungen pro Minute. Als ich heute aus der Mittagspause zurückkam, hatten sich in der Zwischenzeit über 4.400 Mitteilungen angehäuft.
Was schließen Sie daraus?
Das Interview hat einen Nerv getroffen. Die Meinungen, die ich bei Twitter dazu lesen, sind zu etwa vier Fünfteln positiv und zu einem Fünftel kritisch. Bei den positiven heißt es sehr häufig, endlich habe mal jemand die AfD nach Inhalten befragt – und zwar nach anderen Inhalten als nach Flüchtlingen. Das hat eine Reihe von Leuten offensichtlich vermisst. Dass AfD-Sympathisanten das anders sehen, ist okay.
Auffällig ist, dass es in keiner Frage um Flüchtlinge ging. War das von Beginn an der Plan?
Ich wollte Herrn Gauland mal nach etwas anderem befragen, weil die AfD ja sehr oft über das Flüchtlingsthema spricht. Mein Ziel war es, über Themen zu sprechen, die für die Menschen im Land eine hohe Bedeutung haben. Es gab in jüngster Zeit Umfragen, dass beispielsweise das Renten-Thema höchst relevant ist. Das hat Herr Gauland ja auch selbst eingeräumt. Auch das Klima-Thema wird aus aktuellem Anlass als wichtig erachtet. Ich habe mich daher in das AfD-Programm eingelesen und gezielt nach Themen geschaut, die gewissermaßen frag-würdig sind.
Wie haben Sie Ihr Gegenüber im Gespräch wahrgenommen? Man hatte zeitweise das Gefühl, Herr Gauland wolle Sie gar nicht mehr anschauen, als er Ihnen antwortete.
Hinterher das Gegenüber zu beurteilen, finde ich ein bisschen unfair. Ich habe ihm Fragen gestellt, er hat in Ruhe antworten können. Und er hätte das Thema Flüchtlinge bei der einen oder anderen Frage ja ansprechen können, wenn er es gewollt hätte. Die Zuschauer können sich jetzt eine Meinung bilden. So soll es sein.
Wie hat Herr Gauland nach dem Gespräch reagiert?
Wir haben uns hinterher für einige Minuten freundlich unterhalten – wie das so üblich ist für ein solches Gespräch.
Manche sagen nun, sie wünschten sich solche Fragen auch mal bei Frau Merkel oder anderen Politikern. Was entgegnen Sie diesen Menschen?
Ich sage ihnen: Schauen Sie bitte in unsere Mediathek. In diesem Jahr habe ich zuvor zwei Sommerinterviews gemacht, eines mit Christian Lindner und eines mit Bernd Riexinger. Wer diese sieht, wird feststellen, dass sie mit derselben Härte und derselben Robustheit geführt wurden – ebenfalls mit Themen, die für die beiden nicht sehr angenehm waren. Das war ein vergleichbares Level. Weil ich ahnte, dass die Interviews miteinander verglichen würden, habe ich mir von Anfang an überlegt, sie ähnlich anzugehen. Und nächste Woche bei Frau Nahles werde ich das wieder versuchen.
Nicht wenige wunderten sich bei Ihrem Interview mit Herrn Gauland über die Störenfriede und ihre Buh-Rufe. Woher kamen die eigentlich und weshalb waren sie so plötzlich wieder verstummt?
Woher die kamen, weiß ich nicht. Als die Menschen zu rufen begannen, habe ich zu ihnen rübergeschaut und Herrn Gauland gefragt, ob er unterbrechen oder weitermachen möchte. Er wollte weitermachen, also haben wir das so getan. Nach der Aufzeichnung haben wir uns überlegt, den Vorfall in der Sendung zu dokumentieren, denn eine Kamera hatte ja Bilder davon gemacht. Andernfalls hätte uns das möglicherweise den Vorwurf eingebracht, das ZDF verschweige die Störer. Das war für uns keine Option. Also haben wir gezeigt, wie es war – und im Übrigen auch den Ton nicht hochgezogen. Hinterher habe ich erfahren, dass unser Redakteur zu den Leuten gegangen ist und sie gebeten hat aufzuhören, weil sie gerade ein kritisches Interview mit Herrn Gauland stören. Das haben sie schließlich eingesehen und ihren Protest unmittelbar neben dem Boot, auf dem wir saßen, beendet und sind weiter zurückgegangen.
"Unsere Aufgabe ist es nicht, eine Partei besser zu stellen als die andere."
Thomas Walde
Hat sich die Art und Weise, wie "Berlin direkt" und Sie ganz persönlich über die AfD berichten, in den letzten Jahren verändert?
Ich glaube, am Anfang stand die Diskussion noch stärker im Raum, welches Forum wir der Partei geben und ob es Sinn macht, bei vielen provokanten Äußerungen aufzuspringen oder nicht. Da war bestimmt auch etwas Unsicherheit dabei, aber das hat sich im Laufe der Zeit gelegt. Auch vor diesem Interview gab es von Zuschauern die kritische Frage, weshalb wir der AfD ein Forum geben. Ich antworte dann, dass es Aufgabe von Journalisten ist, sich mit jedem relevanten Thema in der Gesellschaft kritisch auseinanderzusetzen. Dazu gehört auch die direkte Konfrontation. Die AfD sitzt im Bundestag und wird daher von uns behandelt wie jede andere Partei auch. Unsere Aufgabe ist es nicht, eine Partei besser zu stellen als die andere. Das ist in meinen Augen fair – und das halte ich auch für wichtig, damit Menschen vergleichen können.
"Monitor"-Chef Georg Restle hatte kürzlich gesagt, er befürchte, die AfD die Art und Weise verändert habe, wie Journalisten in Deutschland berichten. Dass etwa Fremdenfeindlichkeit plötzlich zum allgemein akzeptierten Meinungskanon gehöre. Teilen Sie seine Einschätzung?
Wir sind alle immer aufgefordert, bei jeder Partei und bei jeder gesellschaftlichen Gruppe, über die wir berichten, auf unsere Sprache zu achten. Für unsere Wortwahl sind nur wir verantwortlich. Das gilt auch für Frames, die man von anderen übernimmt. Darüber hat man sich Gedanken zu machen, so wie ich mir vor diesem Interview Gedanken gemacht habe, welche Themen sprechen wir an und welche Themen nicht. Das ist unser Job. Hinterher können sich die Zuschauer dann eine Meinung bilden.
Wie wichtig ist für Sie der persönliche Dialog mit den Menschen oder macht das in Wirklichkeit keinen Sinn?
In aller Regel finde ich den Austausch sinnvoll, weil man einen Eindruck davon bekommt, was da draußen eigentlich los ist. Die meisten Menschen haben zumindest in meinem Fall meist eine Tonalität drauf, die zwar kritisch und direkt, aber letztlich völlig in Ordnung ist. Es kommt bei mir eher selten vor, dass die Reaktionen stark beleidigend sind. Außerdem bemerke ich, dass es zur Meinungsbildung bei Zuschauern beiträgt, wenn man ihnen zum Beispiel erklärt, wie das mit den Störern war. Sie haben das Gefühl, gehört zu werden und einen Zugang haben. Der Dialog ist daher sinnvoll, weil er zum besseren Verständnis beiträgt. Übrigens in beide Richtungen.
Inwiefern?
Im Vorfeld des Interviews mit Herrn Gauland habe ich ganz viele Anregungen für Fragen bekommen. Das finde ich hilfreich. Wir arbeiten für die Menschen, die ihren Rundfunkbeitrag bezahlen. Daher ist Transparenz ganz elementar. Dass wir es nicht jedem recht machen, ist ohnehin nicht zu erwarten und soll auch gar nicht so sein.
Herr Walde, vielen Dank für das Gespräch.