Herr Rosemann, „Young Sheldon“ war für ProSieben die einzige neue US-Serie der vergangenen Jahre, die mit großem Quotenerfolg gestartet ist und ihn auch halten konnte. Wie lange kann sich ProSieben noch auf Hollywood verlassen?
Natürlich strahlt „Young Sheldon“ besonders hell, aber auch „The Orville“ lief gut für uns. Aber zu sagen, dass US-Fiction nicht mehr in Deutschland funktioniert, ist zu einfach. Das macht man nur, wenn man wie unsere Wettbewerber kaum Rechte hat. Wir sind mit vielen Serien sehr happy. Wenn ich mir alleine den Montagabend mit „The Big Bang Theory“, „Young Sheldon“ und auch das erfolgreich eingefügte „The Middle“ anschaue. Um am Mittwochabend punktet „Grey’s Anatomy“ sehr verlässlich und bleibt ein Anker für einen fest etablierten Serienabend, auf dem wir aufbauen werden. Aber es gab natürlich auch Enttäuschungen.
Haben Sie für die Enttäuschungen Erklärungen gefunden?
Bei einigen Serien sind es sicher größere kulturelle Unterschiede im Lebensgefühl zwischen Amerikanern und Deutschen. Und je relevanter eine Serie für den amerikanischen Markt ist, weil sie nah an Themen und Zeitgeist bzw. der aktuellen Politik ist, desto schwieriger lässt sie sich nach Deutschland holen.
Sie meinen z.B. „Will & Grace“ oder „Empire“?
Richtig. Es gibt glücklicherweise neben diesen tollen Serien, die aber spürbar für die amerikanische Seele geschrieben wurden, eine neue Bewegung hin zu Serien, die universeller und wie „Young Sheldon“ dann international besser einsetzbar sind. Ich sehe kein strukturelles Problem mit der US-Fiction als Genre. Die großen Hollywood-Blockbuster am Sonntagabend laufen für uns weiterhin sehr gut, machen ProSieben zum Marktführer unter den privaten Sendern am wichtigsten Fernsehabend der Woche. ProSieben bleibt Hollywood - mit noch mehr Erstausstrahlungen: Am Sonntagabend erhöhen wir in der nächsten Saison die Schlagzahl und haben 50 Prozent mehr Free-TV-Premieren.
Gehen wir doch mal durch das ProSieben-Programm der kommenden Saison und starten beim Montag. Da bleiben die Sitcoms on air - und „Late Night Berlin“ ebenso?
Natürlich. Der Montagabend ist eine Bank für ProSieben. Die Sitcoms kommen zurück. Klaas kommt zurück. Er ist in der geplanten Sommerpause, nicht in einer Kreativpause. Deswegen haben wir auch nach der ersten oder zweiten Sendung noch keine Analysen angestellt, um etwas zu ändern. Inzwischen haben wir natürlich mal zusammengesessen und angefangen, Regelmäßigkeiten auszumachen und zu bestimmen, was „Late Night Berlin“ liefern sollte und wie die Sendung gestaltet sein muss, damit jeder etwas davon hat - egal ob er als Fan jeden Montag dabei ist oder auch mal aussetzt. Wie funktionieren gewisse Rubriken? Welche Routinen kultiviert man? Das ist normales Handwerk, auch um zu verstehen, warum der Marktanteil bei der ersten Folge bei 12 Prozent lag - und der der letzten Folge vor der Sommerpause nicht. Das kann nicht nur an der intensiven Online-Nutzung von „Late Night Berlin“ liegen. Wichtig ist im Hinterkopf zu behalten: Unsere letzte Late Night-Show haben wir 16 Jahre lang gemacht und das auch nur, weil man sich am Anfang nicht hat verunsichern lassen. Eine Late Night lebt davon, dass man sie durchhält. Das Team ist hungrig.
Kommen wir zum Dienstagabend…
Wir sind in den vergangenen Monaten schon mit dem Gedanken schwanger gegangen, den Dienstagabend grundlegend anzupacken. „Die Simpsons“ gehören weiterhin zu uns, aber wir spüren einen deutlichen Unterschied im Zuschauerinteresse zwischen Erstausstrahlungen und Wiederholungen und mit den Wiederholungen entsteht der Eindruck einer Monokultur. Deswegen haben wir aus vielen tollen Einzelteilen einen neuen Dienstagabend bei ProSieben gebaut, der viel mehr frisches Programm mit deutlich mehr Eigenproduktionen bietet. Im Herbst steht der Dienstag im Zeichen von Factual Entertainment mit „Galileo Big Pictures“, eine neue Staffel „Uncovered“ von und mit Thilo Mischke und „10 Fakten“. Im neuen Jahr gibt es dann natürlich wieder die „Simpsons“ und auch „The Orville“, aber nur in Erstausstrahlungen. Die restlichen Wochen bespielen wir mit weiteren Eigenproduktionen, dann aber im Genre Entertainment.
Mal Fiction, mal Factual, mal Entertainment - welche Strategie steckt dahinter?
Frische. Die ProSieben-Primetime der kommenden Saison bietet sehr viel mehr Erstausstrahlungen. Nur aus frischem Programm entsteht Relevanz und Talk of Town. Es gibt wirtschaftliche Gründe, warum kein Sender in Deutschland komplett auf Wiederholungen verzichten kann, aber wir wollen das weitgehend minimieren und zwar über alle Abende hinweg. Da haben wir selbstkritisch analysiert und mussten feststellen: Unsere Zielgruppe verdient mehr ProSieben. Ganz konkret ist unser Ziel, am Dienstagabend künftig an 50 von 52 Wochen um 20.15 Uhr mit Erstausstrahlungen auf Sendung sein.
Welche Entertainment-Formate sollen 2019 denn am Dienstagabend laufen?
Im Entertainment setzen wir am Dienstagabend, der schon mal ProSieben-Showabend war, auf bekannte Marken: 2019 kommen die zweiten Staffeln von „Das Ding des Jahres“ und „Get the fuck out of my house“. Dann ist ja bekannt, dass wir ein Reality-Format mit Jochen Schweizer vorbereiten, in dem er ein Geschäftsführer für sein Unternehmen sucht. Auch das kommt 2019 am Dienstagabend. Zudem bereiten wir die „Maya-Challenge“ vor. In dieser Reality-Show schicken wir Kandidaten in der Karibik durch einen sehr besonderen Parcours.
Eine Fortsetzung von „Das Ding des Jahres“ war nicht zwingend gesetzt. Wird das Format überarbeitet?
Natürlich haben wir bei der ersten Staffel das Ohr aufs Gleis gelegt, das Feedback gehört und analysiert. Wir glauben an „Das Ding des Jahres“. Die erste Staffel war unser Prototyp, jetzt kommt das Serienmodell. Wir haben einige Dinge ausgemacht, die man verändern kann.
Der Mittwochabend bleibt der US-Fiction und dem Herzschmerz vorbehalten?
Mit dem deutlich weiblicheren Mittwochabend sind wir sehr glücklich. Das bleibt der Abend für die emotionalen Geschichten der Traumfabrik. Unsere Kultserie „Grey’s Anatomy“ bekommt mit „Station 19“ ein Spin Off, das wir auch am Mittwochabend zeigen werden. Und wir holen mit „9-1-1“ einen sehr erfolgreichen Neustart der vergangenen US-Saison nach Deutschland, der mit hoher Emotionalität und Dramatik gut zu „Grey’s Anatomy“ passt. Mit „Younger“ holen wir eine New Yorker Dramedy ins Programm, die von keinem geringeren als Darren Star produziert wird - dem Schöpfer von „Sex and the City“. Und man spürt seine Handschrift sehr bei „Younger“.
Damit sind es bislang drei neue US-Serien für die kommende Saison. Ist ProSieben vorsichtiger geworden?
Die L.A. Screenings sind gerade erst einen Monat her und wir müssen im Herbst erst einmal abwarten, welche der neuen Serien sich beim US-Publikum bewähren. Wir schielen natürlich immer wieder rüber und beobachten das sehr genau, aber bevor wir auf eine neue US-Serie setzen, müssen wir zum Beispiel sicher sein können, dass sie in eine zweite Staffel geht. Wir wollen unser Publikum möglichst nicht für eine Serie begeistern, die dann keine Fortsetzung findet.