Herr Esser, Ihre Kollegen vom ZDF Werbefernsehen haben kürzlich ein Umsatzplus von neun Prozent gegenüber den ersten vier Monaten des Vorjahres verkündet. Wie laufen die Geschäfte für AS&S?

Bei uns läuft es richtig rund. Schon 2017 waren wir auf einem Allzeit-Umsatzhoch. Wir können von uns guten Gewissens behaupten, dass wir nicht nur in dem genannten Zeitraum um netto rund fünf Prozent zugelegt haben, sondern auch kontinuierlich in den zurückliegenden Jahren immer ein starkes Nettowachstum hatten. Und das in einem anspruchsvollen und wettbewerbsintensiven Markt.

Jetzt steht die Fußball-Weltmeisterschaft steht vor der Tür. In der Vergangenheit hatte man stets den Eindruck, die Agenturen buchen etwas zögerlich.

Tatsächlich kommt regelmäßig die Diskussion auf, ob wir die hohen Reichweiten garantieren können, aber am Ende des Tages sind die Kunden doch immer wieder eingestiegen. Oftmals geht es erst mit Beginn des Turniers richtig in die Rush Hour. In diesem Jahr liegen die Einbuchungen schon um rund 20 Prozent höher als in den letzten Jahren. Und das wird nach meiner Einschätzung noch intensiver werden, weil wir durch die günstigen Anstoßzeiten deutlich mehr Spiele in der Werbevermarktung haben. Für uns ist das anspruchsvoller, weil wir sehr viel mehr Werbezeiten verkaufen müssen, für die Kunden ist es jedoch eine großartige Chance, nachhaltig Präsenz zu zeigen.



Das Erste hat seine Quoten in den vergangenen Jahren am Vorabend vor allem dank der Quiz-Schiene deutlich steigern können. Reicht dieses Argument schon aus, um neue Werbekunden an Land zu ziehen?

Die Reichweite ist natürlich das stärkste Argument. Und hier sind wir in den letzten drei Jahren mit Quiz und fiktionalen Formaten auf klarem Wachstumskurs. Die anderen Argumente sind Wirksamkeit und Sichtbarkeit – und das garantieren wir durch kurze Werbeblöcke. Aber auch Branchen-Exklusivität und Sonderplatzierungen sind Aspekte, über die wir regelmäßig sprechen, auch mit Neukunden. Hinzu kommt der Aspekt der Brand Safety in einem hochwertigen Programmumfeld, in dem der "Tagesschau" und der Informationsschiene Viertel vor Acht eine besonders wichtige Rolle zukommt. Unseren Kunden können wir garantieren, dass ihre Werbung nicht in einem Trash-Umfeld stattfindet, sondern in einem glaubwürdigen qualitätsgesättigten Rahmen.

An Rosenmontag hatte die Telekom unmittelbar vor der "Tagesschau" mit einem Live-Konzert der Band Brings geworben. Lässt sich so etwas beliebig oft wiederholen?

Die Werbewirkung und die Kundenzufriedenheit waren außergewöhnlich hoch. Daher würde ich das selbstverständlich gerne weitermachen. Allerdings ist die Planung eines solchen Live-Spots sehr aufwendig: Wir mussten für die Ausstrahlung alles umstellen, was glücklicherweise sehr viel unproblematischer war als wir es im Vorfeld vermuteten. Ein Stück weit sind wir auch ins Risiko gegangen, weil wir ja nicht genau wussten, wie der Spot aussehen würde. Insofern spielt das Vertrauen in den Partner bei einem solchen Projekt eine elementare Rolle.

Generell habe ich in der Viertelstunde vor der "Tagesschau" oft den Eindruck, dass das Programm die Werbung unterbricht. Liege ich falsch?

Natürlich kann da ein solcher Eindruck entstehen. Aber wir wechseln in dieser Zeitschiene vom fiktionalen Programm in die Informationsschiene. Das geschieht durch kleinteiliger aufbereitete Themen aus dem Spektrum Wissen, Börse, Wetter. Unsere Kunden buchen ganz bewusst in diesem Umfeld, das thematisch eine gute Hinführung zur "Tagesschau" darstellt. Der Audience Flow funktioniert außerdem Richtung 20 Uhr sehr gut und ist im Übrigen durch die stärker gewordene Quiz- und Serienschiene noch besser geworden. Und über die Rekordreichweite der "Tagesschau" mit über 10 Millionen Zuschauer müssen wir an dieser Stelle nicht diskutieren. Sie ist und bleibt gesetzt im deutschen Fernsehen.

"Ich bin kein Programm-Mann."
AS&S-Geschäftsleiter Uwe Esser

Dennoch fallen Sie mitunter von über vier Millionen Zuschauern bei "Wer weiß denn sowas?" innerhalb von einer Stunde unter zwei Millionen. Ist das Sinn der Sache?

Die Zuschauerzusammensetzung beginnt sich in dieser Zeitschiene zu ändern. Die Aufmerksamkeit ist vor der "Tagesschau" sehr hoch, weil die Zuschauer von der Lean-Back-Situation der unterhaltenden Formate allmählich in eine Look-Forward-Position übergehen, je näher die "Tagesschau" rückt. Mit dem Gong ist dann die höchste Stufe der Aufmerksamkeit erreicht – und das macht letztlich auch den Wert der davorliegenden Werbeblöcke aus. Natürlich wollen die Agenturen Reichweite, aber die Kunden honorieren eben auch die Umfeld-Qualität. Daher ist dieses Quoten-Scharnier an dieser Stelle zu verschmerzen.

Inwiefern haben Sie selbst eigentlich Einfluss auf die Programmgestaltung des Vorabends, den Sie ja zu vermarkten haben?

Erst einmal gar nicht. Allerdings bin ich auch kein Programm-Mann. Das mag für andere Vermarkter schwer vorstellbar sein – nichtsdestotrotz wird das Programm in diesem Umfeld wesentlich durch Werbung finanziert. Unsere Gesellschafter bekommen die Formate im Vorfeld zu sehen und können dazu auch eine Einschätzung abgeben. Grundsätzlich haben wir aber zu nehmen, was kommt – und momentan sind wir mit dem Programm ausgesprochen glücklich.

Wie verhält es sich mit den Buchungen bei der Bundesliga-"Sportschau", die ja ebenfalls zu einem guten Stück durch Werbung finanziert wird?

Die klassischen Werktage sind anders konzipiert als der Samstag, an dem die "Sportschau" bei der Werbung vor allem mit Sky konkurriert. Das ist trotz der fünf Millionen Zuschauer und einer Nettoreichweite von 41 Millionen Zuschauern, die wir im Schnitt erreichen, ein anspruchsvoller Markt, zumal wir alles dafür tun, dass das qualitativ hochwertige Umfeld auch entsprechend gut bezahlt wird. Wichtig ist: Wir haben mit 110 verschiedenen Marken keinerlei Schwund an Kunden, auch wenn es immer mal wieder einen Austausch gibt – so wie vor wenigen Jahren, als Check 24 anstelle von Renault als Sponsor neu hinzugekommen ist. Ich freue mich außerdem sehr darauf, dass sich Krombacher gerade erst dazu entschlossen hat, sein Sponsoring zu verlängern.

Nicht wenige sehen Werbung bei den Öffentlich-Rechtlichen kritisch, beim Publikum ebenso wie in der Politik. Was wünschen Sie sich von der Politik, die ja über die Ausgestaltung von ARD und ZDF zu entscheiden hat?

Ich hoffe, dass man sich in Teilen der Politik noch stärker bewusst macht, welchen Wert die Werbung im Rahmen der Mischfinanzierung hat. Mir geht es gar nicht um ein Überstrapazieren von Werbezeiten, aber wir sollten uns schon vor Augen führen, wie breit das Thema Werbung inzwischen gefasst wird – denken Sie beispielsweise an Streaming oder Addressable TV. Das alles ist uns bislang untersagt, auch wenn unsere Kunden sich das explizit wünschen. Wären derartige Werbeformen in einem definierten Umfang erlaubt, könnten sich neue beitragssenkende Refinanzierungsmöglichkeiten ergeben. Ich wünschte mir auch, dass das Sponsoring nach 20 Uhr wieder ein Stück freigegeben wird, weil es vor fünf Jahren ohne Not und ohne Sinn gekappt wurde.

In einigen Tagen wird mit den Screenforce Days zum zweiten Mal ein zentrales Vermarkter-Event stattfinden. Welchen Stellenwert hat die Veranstaltung aus Ihrer Sicht, auch wenn AS&S erneut der einzige öffentlich-rechtliche Vertreter ist?

Der Stellenwert der Screenforce Days im Rahmen des Gattungswettbewerbs ist sehr groß, denn keine andere Veranstaltung hat in den vergangenen Jahren eine solche Dynamik entwickelt. Wir haben vor einem Jahr knapp 2.000 Menschen nach Köln zu spannenden und informativen Screenings gezogen – das ist unter Vermarktungsgesichtspunkten absolut großartig. Ebenso entscheidend ist es, dass die Branche zusammenkommt; für die Privaten wie für uns ist diese gemeinsame Präsenz wichtig.

Hätten Sie es gerne gesehen, dass das ZDF dabei ist?

(überlegt) Sagen wir es so: Ich verstehe nicht, weshalb die Mainzer nicht dabei sind.

Herr Esser, vielen Dank für das Gespräch.