Frau Kraeber, Herr Kosack. Die UFA hat eine neue Einheit für junge Produzentinnen und Produzenten gegründet. Wie ist es dazu gekommen?
Joachim Kosack: Uns ist bei der UFA schon seit langer Zeit bewusst, dass wir viele tolle junge ProduzentInnen sowie ProducerInnen haben. Diese stecken viel Leidenschaft und viel Zeit in das produzierende Geschäft. Das ist für uns wichtig, weil die Entwicklung von Projekten und Innovationen nie fernab vom Produzieren von Filmen und Serien stattfinden kann. Aber dadurch sind sie natürlich sehr stark eingebunden in das Durchführen und Produzieren von Formaten und haben wenig Zeit für die Entwicklung von eigenen Projekten. Vor rund einem dreiviertel Jahr haben wir uns intensiv mit dem Thema auseinandergesetzt - als konsequente Weiterführung unserer Strategie der Nachwuchsförderung.
Mit welchem Ergebnis?
Kosack: Zum einen haben wir festgestellt, dass wir bestimmte großartige Kraftfelder innerhalb der UFA nicht genügend nutzen. Zum anderen hat sich der Markt total verändert und in einem so großen Produktionshaus, wie wir es sind, müssen wir uns konstant mit der Frage beschäftigen, wie wir mit solchen Veränderungen umgehen und wie wir uns dafür optimal aufstellen. Das gilt sowohl für die neuen Player wie zum Beispiel Netflix, Amazon, HBO und Sky, für spannende neue Partner wie Vox, ZDFneo und TNT als aber auch für die neuen Anforderungen im klassischen TV-Markt.
Was verändert sich konkret?
Kosack: Wir müssen mehr Freiräume für unsere jungen Talente schaffen, damit diese mehr Ressourcen und Zeit haben, um Projekte zu entwickeln und neue Kontakte aufzubauen. Daher haben wir bereits im Herbst 2017 innerhalb der UFA eine Unit mit jungen ProduzentInnen und ProducerInnen gegründet, die komplett eigenständig agiert. Diese Einheit hat ein eigenes Budget und kann strategisch frei entscheiden. Die Unit soll, losgelöst von Geschäftsführern, Projekte, die ihr interessant erscheinen, entwickeln und umsetzen. Das kann von einer kleinen Serie bis hin zu einem großen Event alles sein. Wir wollen, dass die jungen Produzenten hier ihre Visionen eigenständig umsetzen.
Wie läuft das genau?
Lena Kraeber: Es gibt ein vierköpfiges Team, das diese junge Einheit leitet. Das sind neben mir Viktoria Barkhausen, Johannes Kunkel und Alina Schäfer. Wir vier sind die Stimme aller anderen jungen ProducerInnen innerhalb der UFA und wir haben die Möglichkeit, mit eigenem Budget Stoffe unabhängig zu entwickeln, von denen wir überzeugt sind. Wir wollen mit den anderen jungen Kreativen Programme für eine junge Zielgruppe produzieren. Das ist der eigentliche Kern der Sache. Die Ideen, die wir dort konzipieren, entstehen ohne die Geschäftsleitung, sie werden innerhalb der Gruppe entschieden und entwickelt, wir challengen uns gegenseitig.
Das hört sich fast zu schön an, um wahr zu sein. Keine Kontrolle durch die Geschäftsführer?
Kraeber: Nein, keine Kontrollen seitens der Geschäftsführung, aber eine klar gelebte interne Feedbackkultur. Denn natürlich müssen wir immer überprüfen, ob eine Idee auch wirklich gut ist. Dazu muss man auch andere von seinem Projekt begeistern können. Hat man zwei Personen aus unserem Team überzeugt, geht’s los. Und natürlich müssen wir es dann auch verkaufen. Grundsätzlich kann aber jeder Kreative zu uns kommen und wir schauen, ob und wie wir dessen Idee umsetzen können. Wir haben auch schon erste Entwicklungen.
Kosack: Wichtig war uns das Signal an die jungen Mitarbeiter: Ihr müsst nicht raus in den Markt und dort Firmen gründen, um euch weiterzuentwickeln. Ihr könnt diese Freiheiten auch innerhalb der UFA haben und auf die Ressourcen des großen Konzerns zurückgreifen. Es ist also eine Mischung aus Selbstständigkeit und Strukturen, die wir zur Verfügung stellen und die vieles vereinfachen. Wenn man selbst eine Firma gründet, muss man sich sehr viel um Organisatorisches kümmern, was viel Zeit frisst. Das fällt bei uns weg.
Ist das auch als ein Zeichen an die vielen Studenten an den Filmhochschulen zu sehen?
Kraeber: Ja. Wir stehen in engem Kontakt und Austausch mit den Filmhochschulen und sind dort sehr breit aufgestellt, um Top-Talente früh zu erkennen und mit diesen zusammenzuarbeiten. Es ist immer jemand von uns präsent, der für die Studenten ansprechbar ist. Wir gehen auch regelmäßig zu den Abschlusspräsentationen. Und die junge Produzentengruppe innerhalb der UFA ist natürlich offen für alle jungen Kreativen. Wir wollen Talenten zeigen, welche Möglichkeiten es in der Zusammenarbeit gibt und klarmachen: Wir wollen mit euch arbeiten!
Kosack: Nachwuchsförderung ist ein zentraler Punkt unserer Firmen-DNA. Wir sind ja zum Beispiel auch die Initiatoren von First Steps - Nico Hofmann hat die heute wichtigste Auszeichnung für junge Filmemacher mit ins Leben gerufen - und organisieren einmal im Jahr das ‚Tribute to the Next Generation Dinner’. Außerdem produzieren wir zahlreiche Projekte mit dem Nachwuchs und wollen den Kontakt weiter intensivieren. Unser Unternehmen ist sehr groß, was einige Menschen auch mal verunsichern kann. Um diese Hemmschwelle zu überwinden und um transparenter zu sein und Barrieren aufzubrechen, sind wir mit jeweils zwei Ansprechpartnern von der UFA deutschlandweit an den Hochschulen vertreten.
Sie, Frau Kraeber, sind ab sofort auch alleinverantwortliche Produzentin von "Ein starkes Team". Wie hat sich Ihre Rolle hier in den vergangenen Jahren verändert?
Kraeber: Ich bin 2015 gemeinsam mit Alicia Remirez zur UFA gekommen, mit der ich viele Jahre eng zusammengearbeitet und von der ich viel gelernt habe. Ich habe damals als Producerin angefangen, ich war von Anfang an nah an der Produktion und in alle Entscheidungen eingebunden. Im letzten Jahr bin ich als Produzentin eingestiegen und je länger ich nun dabei bin, desto mehr trage ich natürlich auch die Vision der Reihe in mir. Gemeinsam mit dem verantwortlichen ZDF-Redakteur der Reihe, Günther van Endert, werde ich den erfolgreichen Kurs des Formats fortführen. Als Produzentin bin ich jetzt nicht mehr in jedes kleine Detail involviert, aber ich habe ein tolles Team hinter mir, sodass ich meiner neuen Tätigkeit als alleinverantwortliche Produzentin mit großer Vorfreude entgegenblicke.
Was macht "Ein starkes Team" aus?
Kraeber: Spannende Kriminalfälle, Humor und Bodenständigkeit. Einen großen Teil des Erfolgs machen natürlich unsere beiden tollen Hauptdarsteller aus. Florian Martens ist schon seit der ersten Folgen im Jahr 1994 mit dabei, die Zuschauer mögen ihn wegen seines großen Herz‘ und seiner Berliner Schnauze. Und Stefanie Stappenbeck hat als Nachfolgerin von Maja Maranow ihren Platz in der Reihe längst gefunden. Sie bringt Feinfühligkeit, Kompetenz und Leichtigkeit mit. Die beiden ergänzen sich toll.
Kosack: "Ein starkes Team" ist ein sehr verlässliches Premiumformat. Die Zuschauer bekommen genau das, wofür sie einschalten. Sie sehen einen spannenden Krimi aus der Hauptstadt. Man muss ja sagen: Über lange Jahre hinweg waren wir, neben dem Berliner "Tatort", der einzige Krimi aus der Hauptstadt. Wir haben die Stadt und die Konflikte zwischen Ost und West immer miterzählt, ohne sie in den Vordergrund zu stellen.
Zuletzt hat eine Krimi-Flut im Fernsehen eingesetzt. Wie halten Sie eine etablierte Marke da noch frisch und wie machen sie die Zuschauer "heiß" auf neue Folgen?
Kraeber: Wir müssen immer wieder glaubwürdig die Marke bedienen und dennoch modern erzählen und uns weiterentwickeln. Wir wissen, was unser Format ausmacht und wer unser Kern-Publikum ist.
Kosack: Wir legen sehr viel Wert darauf, dass neben der Stärkung des Teams auch die Episodenhauptrollen handverlesen sind. Durch den Erfolg und unsere großartige Casterin Nina Haun schaffen wir es immer wieder, das Who-is-Who der deutschen Schauspieler in das Format zu bringen. Und das machen wir nicht, um Namedropping zu betreiben, sondern um besondere Rollen bestmöglich zu besetzen.
Kraeber: Auch wenn es zu einem Wechsel kommt, haben wir dennoch viele Konstanten, die das Format über Jahre hinweg tragen. Neben vielen neuen Autoren und Schauspielern gibt es zahlreiche Kreative aus Cast und Team, die schon seit Jahren für "Ein starkes Team" arbeiten. Und natürlich ist Günther van Endert als Redakteur ganz entscheidend für "Ein starkes Team". Er verantwortet von der ersten Folge an die erfolgreiche Reihe.
Ihre neue Aufgabe bei "Ein starkes Team" überschneidet sich nun mit der neuen Unit für junge Produzenten. Wie viel Prozent Ihrer Arbeit wird auf die eine, wie viel auf die andere Tätigkeit ausfallen?
Kraeber: Das ist schwer zu sagen. Natürlich hat für mich "Ein starkes Team" Priorität. Ich möchte die Qualität weiter hochhalten, damit die Reihe so erfolgreich bleibt wie zuletzt. Jetzt bin ich ja schon ein paar Jahre dabei und weiß, wohin es gehen muss. Dennoch habe ich großen Respekt vor der Aufgabe und werde viel Energie in dieses Projekt stecken. Aber ich habe innerhalb unserer neuen Unit auch schon einiges angeschoben. Zudem habe ich viele tolle Partner innerhalb der UFA, sodass ich zuversichtlich bin, beide Aufgaben gut unter einen Hut zu bekommen.
Wenn Sie ein Programm für eine junge Zielgruppe planen, gehen Sie das dann anders an als bei anderen Formaten? Wo liegt der Unterschied?
Kraeber: Im Kern geht es immer erst mal darum, gute Geschichten zu erzählen. Bei der Arbeit für die junge Produzentenunit bin ich selbst der Zielgruppe näher, man ist freier und entwickelt etwas von Null an. "Ein starkes Team" hat einen Markenkern, den man bedienen muss. Das heißt aber nicht, dass man dramaturgisch und kreativ weniger gefragt ist. Ich schätze beides sehr.
Kosack: Absolut. Es ist ja immer wichtig, sich in eine Vielseitigkeit zu begeben. Das eine widerspricht dem anderen auch gar nicht. "Ein starkes Team" ist Fernsehgeschichte und eines der wichtigsten Formate der UFA. Lena Kraeber weiß um die verantwortungsvolle Aufgabe, die sie jetzt übernimmt. Dennoch kann man als kreativer Mensch auch andere Projekte machen, zu denen man eine andere Haltung hat. Da ist der Bezug vielleicht schon deshalb anders, weil man es von Anfang an selbst entwickelt hat. "Ein starkes Team" gibt es seit 1994 und Lena Kraeber muss sich das jetzt zu eigen machen - das sind unterschiedliche Herangehensweisen. Diese Vielseitigkeit wollen wir fördern, ich selbst habe das gelebt, als ich gleichzeitig "Stauffenberg" und "Bianca - Wege zum Glück" produziert habe.
Frau Kraeber, Herr Kosack, vielen Dank für das Gespräch.