Herr Stumpf, das von Imago TV für ZDF/KiKA produzierte Format "Berlin und wir!" über das Zusammenleben von geflüchteten und deutschen Kindern hat einen International Emmy Kids Award abgeräumt. Herzlichen Glückwunsch dazu! Wie groß war die Überraschung?
Michael Stumpf: Es ist wirklich toll, dass wir mit einem auf dem Papier sehr öffentlich-rechtlichen und didaktischen Thema, nicht nur gute Quoten eingefahren, sondern jetzt auch den International Emmy Kids Award gewonnen haben. Damit konnte man nicht unbedingt rechnen. Als ich am Morgen nach der Verleihung die Partyfotos aus Cannes gesehen habe, hat mich das wirklich sehr gefreut. Bei "Berlin und wir!" hat einfach alles gestimmt: Qualität und Quote. Das bestärkt uns, weiter an solchen Formaten und Themen dran zu bleiben. Da dürfen wir uns auch durch so manche kritische Anmerkung von außen nicht aus dem Konzept bringen lassen.
Von rechter Seite kommt oft Kritik an solchen Formaten. Es heißt dann, sie seien zu einseitig, es würden nur die positiven Dinge gezeigt.
Ich glaube, wir müssen auf die Neugier der Kinder setzen. Kinder gehen auf andere Menschen zu und sind grundsätzlich sehr empathisch. Das müssen wir unterstützen, anstatt Angst und Distanz zwischen Menschen zu fördern. Sicher gefällt das nicht jedem, aber das müssen wir in der aktuellen Debatte aushalten. Als öffentlich-rechtlicher Sender haben wir meiner Meinung nach den Auftrag, gelingendes Miteinander so abzubilden und damit eine Haltung zu vermitteln. Das heißt nicht, dass wir alles schönreden, im Gegenteil. Wir müssen auch die Probleme aufzeigen und dabei handwerklich sauber arbeiten. Menschlichkeit zu vermitteln ist meiner Einschätzung nach aber etwas, das erst mal selbstverständlich ist.
Wie kam es zur Umsetzung der Reihe?
Im Kinderkanal setzen wir regelmäßig Themen. Im vergangenen Jahr gab es beispielsweise den Schwerpunkt "Gemeinsam Leben". Die Flüchtlings-Problematik begleitet uns nun schon etwas länger und da kam die Idee zu einem Factual-Format, bei dem es darum geht, wie Flüchtlinge nach Deutschland kommen und wie wir uns besser kennenlernen. Mit dem Format haben wir richtig was angestoßen und auch viele junge Menschen bewegt.
Das Format lief erstmals 2016 bei KiKA, damals waren Sie dort noch Chef. Nun sind Sie seit ziemlich genau 100 Tagen Leiter der Hauptredaktion Kinder und Jugend im ZDF. Wie fällt ihr Zwischenfazit aus?
Ich komme ja vom ZDF, deshalb ist mir hier vieles vertraut. Es hat sich nach den vier Jahren bei KiKA ein bisschen wie nach Hause kommen angefühlt. Ich bin sehr zufrieden: Das Kinderprogramm hat einen guten Stellenwert im Sender und auch die Ausrichtung auf die Mediatheken gefällt mir gut. Video on Demand hat einen größeren Stellenwert als noch vor ein paar Jahren, genau das habe ich ja bei KiKA versucht umzusetzen.
Wo gibt es Baustellen?
Ich sehe weniger inhaltliche Baustellen, aber wir müssen uns um die Planung kümmern. Seit September 2017 hat ZDFtivi eine neue Mediathek und eine neue App. Wir müssen jetzt lernen, wie wir diese am besten bespielen. Wie planen wir also die lineare und non-lineare Strecke und mit welchen Inhalten? Dahingehend müssen wir Erfahrungen sammeln und uns stetig verbessern. Außerdem haben wir inzwischen auch weitere neue Ausspielwege.
Was sind das für Ausspielwege?
Wir haben mit der Kindernachrichtensendung "logo!" jetzt eine unserer bekanntesten Marken auf Instagram gebracht. Wir wollen mit den Inhalten, die wir sowieso schon haben, neue Zielgruppen erreichen. Wir glauben, dass die "logo!"-Inhalte auch für die Zielgruppen interessant sind, die vielleicht nicht unbedingt KiKA oder ZDFtivi schauen. Die Entscheidung, den Instagram-Kanal zu machen, ist übrigens schon vor meiner Zeit gefallen. Damit will ich mich nicht schmücken, aber es passt gut zu der Strategie, die ich damals auch schon bei KiKA gefahren habe: Auf neue Plattformen gehen, ergänzend zum linearen Fernsehen.
Instagram als Kanal ist interessant. Es heißt ja immer, dass bei Snapchat die meisten jungen Menschen sind. Wieso also Instagram? Und wieso "logo!"?
"logo!" bietet sich an, weil es eine breite Zielgruppe hat und wir aus der Forschung wissen, dass die Sendung mit ihren Inhalten auch für Kinder über 13 Jahren interessant ist. Diese Kinder sind nur eben auch auf anderen Plattformen unterwegs und da haben wir uns für Instagram entschieden. Die Frage ist für uns, wo wir die Geschichten am besten erzählen können. Da ist Instagram nachhaltiger als zum Beispiel Snapchat, einfach weil die Themen dort verbleiben. Außerdem können wir dort besser mit unseren Bildern und Videos arbeiten. Wenn also unsere Reporter irgendwo hingehen und Video-Tagebuch führen, können wir das nicht nur bei logo.de, sondern auch in den Instagram-Storys abbilden.
"Die große Wüste, in der wir uns alle schwer tun, sind die 14- bis 17-Jährigen."
Wie intensiv wird Instagram bespielt?
Wir bespielen die Plattform zwar regelmäßig über den Tag verteilt, dennoch ist sie für uns in erster Linie ein Hinweisschild, mit dem wir auf unsere eigenen ZDF-Plattformen verweisen. Da kommen dann wieder unsere Webseite, die Mediathek und die App ins Spiel.
Was sind denn Ihre Learnings aus den ersten paar Testwochen?
Wir werden von den Usern gefunden, ohne dass wir den Kanal beworben haben. Wir haben mittlerweile fast 4.000 Follower, insofern glaube ich schon, dass es die richtige Entscheidung war. Unsere Moderatoren sind auf Instagram vertreten und sind hier für uns auch Multiplikatoren. Bewerben werden wir den Instagram-Kanal im TV nicht. Wir wollen die Kinder ja nicht aktiv auf diese Plattform bringen, wir wollen sie von dort abholen. Es wird also keine Kampagne bei KiKA geben. Das wollen und können wir als öffentlich-rechtlicher Sender nicht.
Und inhaltlich? Was funktioniert für "logo!" bei Instagram und was nicht?
Da experimentieren wir noch und sammeln Erfahrungen. Wir haben verschiedene Templates entwickelt: Mal ist es ein Video, mal nur ein Foto. Die Stärke von Instagram ist das "engagement", gut laufen Abstimmungen. Man muss schon sagen, dass Instagram eher eine bunte Plattform ist. Trotzdem werden wir dort auch mit unseren Erklärstücken präsent sein, weil das zum Markenkern von "logo!" gehört. Die Kombination macht es aus.
Wie schwer ist es eigentlich, junge Menschen zu erreichen? Gerade auch mit Nachrichten?
Fragen Sie doch mal die Kollegen von funk, die können auch ein Lied davon singen (lacht). Die große Wüste, in der wir uns alle schwer tun, sind die 14- bis 17-Jährigen. Die arbeiten selbst noch nicht in den Redaktionen, bei den 20-Jährigen ist das vielleicht schon anders. Aber wir merken, dass diese jungen Menschen mit "logo!" aufgewachsen sind und die Sendung sehr schätzen. Wir sind ein verlässlicher Ansprechpartner, das wissen die Jugendlichen. Und deshalb haben wir einen Vorteil, diese Zielgruppe zu erreichen. Für neue Formate ist das glaube ich sehr viel schwieriger.
Herr Stumpf, vielen Dank für das Gespräch!