Frau Unseld, Deluxe Music hat zuletzt immer neue Quotenrekorde eingefahren. Der Sender kam im vergangenen Jahr auf 0,5 Prozent Marktanteil bei den 14- bis 49-Jährigen, im Sommer lief es sogar noch deutlich besser. Im Februar 2018 wurden 0,7 Prozent gemessen. Ich dachte, das Musikfernsehen sei tot. Wie haben Sie das gemacht?
Ulrike Unseld: Das muss man über einen längeren Zeitpunkt betrachten. Wir wachsen, seitdem wir den Sender aus der Insolvenz übernommen haben. 2013 haben wir die Verbreitung auf solide Füße gestellt, ein Jahr später lag der Marktanteil bei 0,1 Prozent, seither wachsen wir stetig. Das ist also nicht über Nacht gekommen. Jetzt haben wir den berühmten Tipping-Point von 0,5 Prozent Marktanteil überschritten. Und das gleiche natürlich bei den absoluten Zuschauerzahlen: 2015 hatten wir da rund tägliche 500.000 Zuschauer, inzwischen liegen wir konstant bei mehr als einer Million.
Was hat sich in den vergangenen Jahren verändert?
Zunächst einmal haben wir mit der technischen Verbreitung die Basis gelegt. Ab 2014 haben wir den Sender dann sehr konsequent ausgerichtet und aus DELUXE MUSIC ein modernes Musikfernsehen für ein erwachsenes Publikum gemacht.
Wie weit sind Sie bei dieser Neuausrichtung?
Wir haben noch einige Hausaufgaben zu machen. Das Musikprogramm muss natürlich immer wieder modernisiert und aktualisiert werden. Außerdem können wir noch viel im Bereich On Air machen. Da wollen wir in diesem Jahr am Look & Feel schrauben. Neben den moderierten Strecken mit Markus Kavka und Jennifer Weist haben sich unsere DELUXE MUSIC SESSIONS bei Zuschauern und Labels etabliert. Diese zeichnen sich besonders durch die Nähe zu den Künstlern aus, das wollen wir fortführen und ausbauen. Und im Bereich Social Media wollen wir ebenfalls aktiver sein. Sie sehen: Wir haben noch einiges vor. Und vielleicht kommt ja auch inhaltlich noch die eine oder andere Überraschung.
Lässt sich das Wachstum ewig so fortführen?
Wir glauben, dass wir konstant und moderat weiterwachsen werden. Das gibt der Markt her, es gibt ja auch einen Trend hin zum Spartenfernsehen. Und Musikfernsehen war ja so etwas wie die erste Sparte des linearen TV. Aber auch inhaltlich haben wir noch einiges vor. Natürlich wird nicht von heute auf morgen die 1-Prozent-Marke fallen, aber wir glauben schon, dass noch etwas mehr drin ist als bislang. Vielleicht wachsen wir künftig auch auf einem etwas niedrigeren Niveau, für die nächsten zwei Jahre sind wir aber sehr optimistisch.
Welche Auswirkungen haben die gestiegenen Quoten in der Vermarktung? Müssen Sie oder die Kollegen von Sky Media noch viel Überzeugungsarbeit bei den Agenturen leisten?
Die Vermarktung braucht immer etwas Zeit. Man muss da erst in Vorleistung gehen und hinterher erntet man die Früchte des Erfolgs. Aber tatsächlich erhalten wir mittlerweile mehr Aufmerksamkeit von den Agenturen. Mit den 0,5 Prozent bieten wir eine gute Planbarkeit und hohe Planungssicherheit. Ein schönes Beispiel ist das Phänomen der nicht messbaren Werbeblöcke. Da hatten wir vor einigen Jahren noch ein Problem, mittlerweile ist das kein Thema mehr. So leisten wir einen guten und wichtigen Beitrag im Mediaplan vieler Unternehmen. Martin Michel (Geschäftsführer von Sky Media, Anm. d. Red.) hat uns 2014 netterweise eine Chance gegeben, als wir noch einen Marktanteil von 0,1 Prozent hatten. Er hat uns viel Vertrauen entgegengebracht und darauf vertraut, dass wir ihm eine relevante Reichweite bringen. Ich glaube seine Erwartungen haben wir deutlich übertroffen.
Sky Media hatte zuletzt erklärt, die Umsätze der Partnersender seien im Schnitt um 17 Prozent gestiegen. Liegt Deluxe Music darüber oder darunter?
Da liegen wir darüber, wir wachsen und müssen auch über unseren Senderschnitt wachsen. DELUXE MUSIC ist heute sicher ein echtes Zugpferd für Sky Media. Wir tragen einen sehr ordentlichen Beitrag zu den 4,0 Prozent Marktanteil bei, die Sky Media inzwischen mit all ihren Sendern bei den 14- bis 59-Jährigen erreicht. Grundsätzlich ist Sky Media als solches mit ihrem Marktanteil noch unterrepräsentiert im Markt und auch wir sind noch deutlich unterbewertet auch unter Berücksichtigung der Marktgegebenheiten. Da sind jetzt ein paar Schritte zu machen, aber wir sind auf einem guten Weg.
"Jetzt müssen wir damit aufhören, uns so vornehm zurückzuhalten."
Was wollen Sie ändern?
Wir haben uns in den vergangenen Jahren eher zurückgehalten und waren im Hintergrund tätig. Kleine Sender können ja auch nervig sein, da muss man die Agenturen verstehen. Man braucht eine gewisse Größe, um eine bestimmte Planungssicherheit mitzubringen. Jetzt müssen wir damit aufhören, uns so vornehm zurückzuhalten. Wir wollen präsenter und kundenorientierter werden, die Reichweiten geben das her. Wir holen uns jetzt mit Tobias Dettling außerdem zusätzliche Unterstützung unter anderem auch für die Verkaufssteuerung und für kunden- bzw. kampagnenorientierte Analysen ins Haus. Er unterstützt uns, wie auch Stephan Schwarzer, bereits seit vielen Jahren und hat eine lange Karriere im Musikfernsehen hinter sich, nun binden wir ihn fest an die HIGH VIEW.
Kommen wir zurück zum Inhalt. Wo sehen Sie noch Verbesserungsbedarf im Programm?
Unter der Woche zwischen 11 und 18 Uhr ist unser Programm eine Bank, da liegen wir in der Regel bei mehr als 1,0 Prozent Marktanteil. Unsere Quoten machen wir mit aktuellen Hits und Chart-Musik. Am Wochenende und auch in manch anderen Zeitschienen können wir uns sicherlich noch steigern und weitere Impulse setzen. Wir glauben aber auch, dass wir durch einen neuen Look & Feel noch einiges herausholen können, da wollen wir wie erwähnt in diesem Jahr ansetzen.
Zuletzt haben Sie die Deluxe Music Sessions mit HD+ auch in Ultra HD produzieren lassen. Wir kann man als Musiksender noch innovativ sein?
Es gibt zwei Dinge, die im Musikfernsehen wichtig sind: Das eine ist das Musikvideo, das an sich ja sehr innovativ ist. Es gibt dort brillante Bilder und Geschichten, außerdem wird die neueste Technik immer wieder ausprobiert. Das andere sind eigene Akzente, wie unsere moderierten Formate und die DELUXE MUSIC SESSIONS. Bei den Sessions haben wir uns über die Kooperation mit HD+ sehr gefreut, weil wir dadurch sehr hochwertig in Ultra HD produzieren konnten. Da müssen wir schauen, dass wir mit unseren eigenen Formaten auch immer mit der hohen Qualität der Musikvideos mithalten können. Im Fokus steht aber der Inhalt, das darf man nie vergessen. Und so machen wir mit den Sessions weiter, die wird es aber nicht immer in Ultra HD zu sehen geben.
Was waren eigentlich Ihre ersten Gedanken, als Sie gehört haben, dass MTV zurück ins Free TV kommt?
"Das wird keine einfache Aufgabe", habe ich gedacht. Aber wir sind da relativ entspannt und konzentrieren uns auf uns selbst. Grundsätzlich kommen Musikthemen ja auch auf größeren Sendern vor. Eine breite Präsenz des Themas Musik ist über das ganze Nutzerspektrum im TV positiv zu bewerten. Das war schon immer so: Musikstrecken auf den Musiksendern, als sie noch Musik gesendet haben, hatten immer positive Effekte. Da bin ich also optimistisch. Und wenn wir uns den Januar und den Februar anschauen, können wir uns derzeit auch wirklich nicht beschweren.
Also haben Sie keine Angst vor dem großen MTV?
Wir haben einen großen Vorteil: Mit der HIGH VIEW haben wir keine Konzernstrukturen und damit auch keine internationalen Contentvorgaben. Damit können wir uns auf die Zuschauer konzentrieren. Wir setzen unsere Ziele selbst und machen das sehr realistisch. Das ist ein Luxus, den es bei einem Sender dieser Größe in Deutschland nicht so oft gibt.
"Wir machen wirklich 24/7 Musikfernsehen für ein erwachsenes Publikum, das unterscheidet uns vom 'Musikfernsehen'."
Aber Sie schauen sich schon an, was bei der Konkurrenz so läuft.
Wir analysieren natürlich alles, was im Musikfernsehen stattfindet, auch bei Viva und MTV. Man kann ja immer was lernen. Wir schauen aber auch, was für Formate auf den großen Sendern funktionieren. "Sing meinen Song" ist ein schönes Beispiel, das ähnlich wie die DELUXE MUSIC SESSIONS eine echte Nähe zu den Künstlern entstehen lässt.
Was unterscheidet Deluxe Music von anderen Musiksendern?
Wir machen wirklich 24/7 Musikfernsehen für ein erwachsenes Publikum, das unterscheidet uns vom "Musikfernsehen". Sie wissen, was ich meine. Der TV-Markt und das Angebot für den Fernsehzuschauer fragmentiert seit Mitte 2014 immer stärker – wir bieten als Musikfernsehen Orientierung und 100 Prozent Verlässlichkeit und sind zudem immer die bestmögliche Alternative. Wenn jemand also musikinteressiert ist und zu uns zappt, dann haben wir den Vorteil des Musikvideos als Premium Content. Und sollte dem Zuschauer wirklich ein Song nicht gefallen, ist der auch nach rund dreieinhalb Minuten wieder vorbei – gefolgt vom nächsten Highlight. Wenn man Musikfernsehen macht, hat man es mit Fans zu tun, die sehr leidenschaftlich sind. Letztendlich ist es wie im Sport: Wenn man seine Sache gut und mit Leidenschaft macht, kann man gar nicht so viel falsch machen. Und was soll ich sagen? Es läuft.
Vielen Dank für das Gespräch, Frau Unseld!