Herr Hoffmann, es wirkt als setze RTL in diesem Jahr insbesondere auf die Fiction-Karte. Unter welchem Stern steht das Jahr 2018 für Sie?
Unter einem guten: Mit neuen eigenproduzierten Serien Marktführer auf dem neuen Sendeplatz zu werden, freut uns sehr, selbst wenn noch Luft nach oben ist. Aber auch losgelöst von Quoten: Wir haben uns in diese Programme verliebt, freuen uns über die Geschichten der Autoren und das Spiel unserer Figuren. Unsere Entscheidung, welche Serien in Fortsetzung gehen, werden wir nicht allein an der Quote festmachen.
Aber deutlich zweistellige Marktanteile müsste eine RTL-Serie schon erzielen…
Zweistellig sind wir ja in der Regel. Natürlich suchen wir die maximale Reichweite. Aber Sehgewohnheiten, etwa bei der Etablierung unseres neuen Serien-Dienstags, sind nicht von heute auf morgen zu ändern. Mir ist daher auch das große Bild wichtig. Bei der Betrachtung am Ende ist nicht entscheidend, ob dem Maler zwischendrin mal ein Pinselstrich daneben ging. Wir haben fünf neue Drama-Serien in Auftrag gegeben und wenn wir davon ein oder zwei Produktionen durchs Ziel bringen, ist das Klassenziel mehr als erreicht. Das war auch bei den Sitcoms der Ansatz und es zeichnet sich ab, dass „Beste Schwestern“ nach „Magda macht das schon“ unser zweiter Erfolg in dem Genre werden kann. Wir wissen, dass wir am Dienstagabend geduldig sein müssen und investieren weiter.
Was heißt das konkret?
Die nächste Primetime-Serie geht in Produktion. In der Polizeiserie mit dem Arbeitstitel „Die Klempnerin“ geht es um eine Kriminalpsychologin, gespielt von Yasmina Djaballah. Wir sind sehr angetan von der ersten Folge, die übrigens auch in der Medienforschung besonders gut abgeschnitten hat, sodass wir gleich in die Staffelproduktion gehen. Wir bleiben also auf Kurs. RTL hatte schon lange nicht mehr so viel eigenproduzierte Fiction auf dem Sender - erst recht, wenn wir neben den Primetime-Serien und -Sitcoms auch an die täglichen Serien am Vorabend denken. Wir wollen es aber auf allen Sendeplätzen wissen und starten deshalb auch noch eine weitere, neue tägliche Serie.
Ist noch Platz für eine weitere Dailysoap?
Dailysoap wäre für die Produktion der falsche Begriff, weil die Serie in jeder Hinsicht anders sein wird. So gibt es beispielsweise kein so großes Ensemble, wie sonst üblich in dem Genre. Es wird zu hundert Prozent on location gedreht und die Drehbücher zeichnen sich durch eine ganz eigene Dramaturgie aus. Mit "Freundinnen - jetzt erst recht!“ wollen wir noch einmal ein Ausrufezeichen für die tägliche Serie setzen. RTL hat dieses Genre in Deutschland geprägt wie niemand sonst.
Wer produziert die neue Serie?
Da arbeiten wir mit UFA Serial Drama zusammen, unserem favorisierten Partner, wenn es um tägliche Serien geht. Verantwortlich bei UFA Serial Drama sind Guido Reinhardt als Produzent und Katrin Esser als Writer Producer, die bislang sehr erfolgreich als Chefautorin für „Unter uns“ gearbeitet. Im Zentrum der Serie stehen vier Freundinnen, die in der Mitte ihres Lebens angekommen sind. Und weil sich die großen und kleinen Wünsche und Sehnsüchte jetzt endlich erfüllen sollen, lautet ihr Motto auch „Jetzt fängt mein Leben nochmal richtig an“. Die vier um fünf – das wird der neue Mädelsabend am Nachmittag.
Können Sie schon etwas zum Cast der Serie sagen?
Die Hauptrolle spielt Franziska Arndt, die Sie vielleicht aus Gastrollen beim „Tatort“, „Sankt Maik" oder „Der Lehrer“ kennen. Mit dabei ist außerdem Shirin Soraya, die unter anderem aus Sketchcomedy-Formaten bekannt sein dürfte.
Sie bauen das Nachmittagsprogramm, seit langem eine Baustelle bei RTL, nun also vom Vorabend kommend um?
„Freundinnen“ verstärkt „Unter uns“ und bietet unserem Publikum dann ab 17 Uhr eine Stunde serielle Unterhaltung, bevor dann die Information folgt und ab 19.05 Uhr unsere beiden anderen täglichen Serien „Alles was zählt“ und „Gute Zeiten, schlechte Zeiten.“ Wir wollen die programmliche Lücke jedoch von beiden Seiten schließen. Mit „Freundinnen“ nähern wir uns vom Vorabend, aber der Plan ist weiterhin auch, den Erfolg und das Publikum von „Punkt 12“ mit guten Ideen bei uns zu behalten.
Vor einigen Wochen haben wir über eine Pilotproduktion für den Nachmittag geschrieben, bei dem Ruth Moschner und Detlef Steves zusammen vor der Kamera standen. Was ist eigentlich daraus geworden?
Der Pilot ist bei uns gut angekommen. An der Idee werden wir daher weiter arbeiten. Mit welchen Zutaten genau und welchem Absender lässt sich jedoch noch nicht absehen. Insgesamt haben wir mehr als 20 Daytime-Piloten in Produktion, die mehrere Hürden überspringen müssen. Neben einem guten Bauchgefühl gehört eine erfolgreiche Medienforschung dazu und die Auswahl der richtigen Köpfe. Ich bin mir ziemlich sicher, dass wir in der zweiten Jahreshälfte einen Aufschlag haben werden mit gleich mehreren neuen Programmen zwischen 14 und 17 Uhr.
Eine Nachfrage noch zu den Serien am Dienstagabend: Sie sind aber noch nicht soweit, den Dienstagabend ganzjährig mit eigenen Serien zu bespielen, oder?
Noch nicht. Wir werden definitiv nochmal über die Sommermonate zu US-Serien zurückkehren, arbeiten aber auch, neben der bereits genannten neuen Primetime-Serie, an weiteren Ideen. Konkret befasst sind wir aktuell mit einem weiteren Stoff rund um das Thema Lehrer.
Lösen SVoD-Angebote wie Prime Video und Netflix das deutsche Privatfernsehen ab? Sind sie eine Konkurrenz für RTL?
Wir alle konkurrieren am Ende um die freie Zeit und Aufmerksamkeit des Publikums. Ich mache mir aber keine Sorgen um das Free-TV. Uns wird durch neue Konkurrenten von außen hin und wieder die Verteidigungsrolle zugesprochen, dazu sage ich gern und klar: Angriff ist die beste Verteidigung. Wir sind sehr aktiv und werden uns im Wettbewerb um Aufmerksamkeit nicht die Butter vom Brot nehmen lassen. RTL erreicht jeden Tag ein Vielfaches an Menschen wie alle Streamingdienste bei uns zusammen. Da gibt es mitunter eine leichte Diskrepanz zwischen mancher Darstellung und der realen Nutzung.
Zur Selbstdarstellung von Netflix und Amazon gehören auch die Milliardensummen, die ins Programm investiert werden.
Die Mediengruppe RTL Deutschland investiert im Jahr etwa eine Milliarde Euro ins Programm, viel davon geht direkt in den deutschen Produktionsmarkt oder in wochentäglich über fünf Stunden News und Magazine, allein bei RTL. Das ist etwa ein Fünftel dessen, was mancher Streamingdienst nach eigenen Angaben investiert, allerdings weltweit.
"RTL ist und bleibt der einzige Privatsender in Deutschland, der die Mitte der Gesellschaft erreichen will"
Ist ihre aktuelle Fiction-Offensive das Ergebnis der Erkenntnisse von Prestige-Projekten wie „Deutschland 83“ oder der angedachten und dann verworfenen Hitler-Serie? Statt mit Highend-Drama der Plattformen mitzuhalten, liefert RTL lieber vertraute Feierabend-Alternativen?
Ein Signature-Programm wie „Deutschland 83“ ist Teil unserer Strategie, weil es unser ernsthaftes Bekenntnis zur Fiction dokumentiert. Auch unsere neuen Drama-Serien sind durchaus relevant, aber eben auch populär. RTL ist und bleibt der einzige Privatsender in Deutschland, der die Mitte der Gesellschaft erreichen will, und zwar in allen Genres.
Hat der sich verändernde Markt mit neuen Wettbewerbern demnach keinen Einfluss auf RTL?
Doch. Unser Ziel lautet: Das Programm von RTL gibt es exklusiv nur bei uns und bei TV Now. Bei eingekauften US-Lizenzserien wurden uns über Jahre die Regeln diktiert – linear und nonlinear - und immer neue Auswertungsstufen haben unsere Ausstrahlungsfenster im frei empfangbaren Fernsehen entwertet. Unsere Antwort darauf: Mehr denn je selbst zu produzieren, dann haben wir es selbst in der Hand. Dieser Strategie folgen wir mit der Mediengruppe RTL schon seit Jahren. Wir wollen deutsche Kreativität fördern. Philipp Steffens ist das mit seinem Team in der RTL-Fiction sehr systematisch angegangen.
Stichwort systematisch: Gehen wir doch mal die Programmwoche bei RTL der Reihe nach durch. Wie sehen Sie sich aufgestellt?
Montags haben wir „Wer wird Millionär“ und „Undercover Boss“, zwei etablierte, reichweitenstarke Formate. Am Dienstag zwei neue, exzellent produzierte Serien, am Mittwoch läuft „Der Bachelor“ so erfolgreich wie noch nie. Donnerstags haben wir preisgekrönte deutsche Serien mit bis zu 20 Prozent Marktanteil. Am Freitagabend zeigen wir mit „Big Bounce“, dass wir das von uns nach Deutschland geholte Genre der Physical Challenge-Show mit einer von Endemol Shine und uns gemeinsam entwickelten Showidee ausbauen können. Wenn ein 14-Jähriger eine Olympia-Gewinnerin von Athen schlagen kann, dann ist das eine zauberhafte Heldengeschichte. Bei diesem Format fiebern wir auch der MIPTV in Cannes entgegen.