Herr Lehmann, Sie haben in den vergangenen Jahren die Studio Hamburg Produktion Gruppe um und aufgebaut und haben vor anderthalb Jahren unter anderem eine Tochtergesellschaft in Großbritannien gegründet. Stehen weitere Neugründungen oder Beteiligungen an?
Michael Lehmann: Im Factual-Bereich haben wir zuletzt viel aufgebaut, sodass wir nun mit B.vision in der Gründung sind. Das wird eine neue Tochtergesellschaft von Riverside und Doclights in Berlin sein. Diese neue Firma wird geführt von Carina Teutenberg, die vor mehr als zwei Jahren zu uns gestoßen ist und gerade den Deutschen Fernsehpreis für die RTL-II-Politsendung „Endlich Klartext!“ gewonnen hat. B.vision wird unter anderem „Dunja Hayali“ für das ZDF produzieren. Der Talk hatte schon in den vergangenen zwei Jahren eine relativ große Redaktion und das verstetigt sich ab Sommer, wenn die Sendung monatlich läuft. Das Ziel ist, weitere Projekte zu realisieren, wobei wir vor allem die kreativen Talente in Berlin im Bereich der Dokumentationen und Factual Entertainment stärker an die Firma binden wollen.
Mit dem Talk von Dunja Hayali ist Ihnen ja ein echter Glücksgriff gelungen. Was wird sich ab dem Sommer ändern?
Diesen Glücksgriff verdanken wir insbesondere dem Team rund um Michaela Hummel und Rolf Hellgardt. Dunja Hayali ist eine wirklich bemerkenswerte Journalistin. Sie setzt sich ganz stark persönlich und mit ihrer ganzen Kraft und Leidenschaft für die Themen ein, das habe ich in der Form bislang noch nicht so oft gesehen. Bisher haben wir bei dem Talk die Themen auf einen kurzen Zeitraum im Sommer kanalisiert, da ist die monatliche Ausstrahlung schon eine Umstellung. Es erfordert da einer Feinjustierung im Team, das nun viel langfristiger in der Themensetzung planen kann. Inhaltlich möchte ich der ZDF-Redaktion und Carina Teutenberg nicht vorgreifen. Grundsätzlich bin ich aber froh, dass wir diesen Schritt mit B.vision nun gehen – und damit Menschen eine neue, kreative Heimat geben.
Gibt es weitere Neugründungen?
Unsere Doclights ist gerade dabei eine Tochtergesellschaft mit dem Wissenschaftsjournalisten Dirk Steffens zu gründen: Die New Planet Production soll die Kompetenz von Naturfilmprodukten und Naturschutzthemen vereinen und umfassend und multimedial über den Verlust der Artenvielfalt auf unserer Erde berichten.
Wie laufen denn die Geschäfte in Großbritannien? Dort sind Sie ja seit rund eineinhalb Jahren auch vertreten.
Wir haben verschiedene Projekte in der Pipeline und konzentrieren uns vor allem auf Serien und Kinofilme. Einen ersten Film werden wir noch in diesem Jahr mit der irischen Koproduktionspartnerin Kate McColgan von Calico Pictures drehen, da sind wir gerade in den Planungen. Damit bin ich sehr zufrieden, nach nur zwei Jahren ist das sehr schnell. Wir haben die Firma ja wirklich von null aufgebaut, Vivien Muller-Rommel hat alles, was man in Deutschland vielleicht mit einem größeren Stab aufbaut, alleine umgesetzt. Von der Bürosuche über den Computerkauf bis hin zum ersten Einbruch haben wir jetzt alles erlebt. Ich sehe die Investitionen in Großbritannien in einem zeitlichen Rahmen von mindestens drei bis vier Jahren – da liegen wir derzeit voll im Plan.
Wie sieht die Serien-Strategie der Studio Hamburg Produktion Gruppe 2018 aus?
Wir fahren dreigleisig. Das jährliche Aufbereiten von bereits etablierten Serien ist eine enorme Arbeit, wir investieren gemeinsam mit den Redaktionen viel Kraft, um bereits vorhandene Serien neu zu justieren. Der zweite Bereich ist der der Miniserien. Dort haben wir mit „Blochin“ und „Die Stadt und die Macht“ unterschiedliche Projekte umgesetzt. Das wird jetzt durch „Bad Banks“ als erste internationale Serie erweitert. Und da liegt auch die Erweiterung unserer Strategie: Wir wollen künftig vermehrt Projekte mit internationalen Partnern anschieben. Und als dritte Säule haben wir neue Serien, die sich im nationalen Umfeld bewegen, die also nicht kofinanziert sind.
"Wir wollen künftig vermehrt Projekte mit internationalen Partnern anschieben."
Kann man das irgendwie quantifizieren? Wie viele internationale Koproduktionen werden Sie in diesem Jahr machen?
Wir entwickeln derzeit zwei deutsch-italienische Serien. Teilweise haben wir für diese auch schon Förderungen bekommen und suchen nun nach weiteren Finanzierungspartnern. Wir arbeiten aber auch an „Tod unter Freunden“, einer Serie von Friedemann Fromm, die im deutsch-dänischen Grenzgebiet spielt. Für dieses Projekt sind wir gerade dabei, die Bücher zu entwickeln und die Finanzierung zu sichern. Federation ist hier als Weltvertrieb genauso an Bord wie bei „Bad Banks“. Es gibt bereits einen Letter of Intent von zwei dänischen Partnern. Eins dieser Projekte soll im besten Fall noch in diesem Jahr gedreht werden. Und natürlich hoffen wir, dass wir mit unserern Partnern beim ZDF, mit Caroline von Senden, eine zweite Staffel von „Bad Banks“ umsetzen können. Unsere Produzentin Lisa Blumenberg, die nicht nur die Idee zu dieser Serie hatte, sondern das ganze Projekt mit einer besonderen kreativen Kraft durchgesetzt hat, befindet sich bereits in den Vorbereitungen für eine weitere Staffel mit dem bewährten Team: Oliver Kienle ist als Headautor wieder mit an Bord und als Regisseur Christian Schwochow.
National produzieren Sie unter anderem die neue ZDFneo-Serie „Tanken“, ein Format aus Island. Wie ist es dazu gekommen?
Christian Friedrichs, der ausführende Produzent von „Tanken“, ist vor drei Jahren zu uns gestoßen. Er hatte den Kontakt zu den isländischen Produzenten von Saga Film und hat uns das Projekt vorgeschlagen. Wir waren sofort begeistert und haben eine Option auf die Umsetzung erworben. Gemeinsam mit Development Producer Torsten Götz haben wir das Format adaptiert und uns bemüht, den richtigen Finanzierungspartner zu finden. Die haben wir mit Martin R. Neumann beim ZDF und Carina Bernd bei ZDFneo nun gefunden.
Was macht „Tanken“ so besonders?
Inhaltlich ist „Tanken“ faszinierend, weil die Serie ausschließlich an einer Tankstelle spielt. Für mich sind Tankstellen heutzutage so etwas wie moderne Meetingpoints unserer Gesellschaft, da treffen Menschen aufeinander. Und wo Menschen aufeinandertreffen, entstehen Geschichten. Unsere Serie dreht sich mit subversiver Komik um Georg Bergstedt, den Chef, der stets die Ordnung will und das Chaos schafft und dessen zwei Mitarbeiter. Wir haben ein tolles Ensemble, das die Nachtschicht der Tankstelle spielt. Zum Hauptcast gehören Stefan Haschke, Daniel Zillmann, Ludwig Trepte, Christina Petersen und Vita Tepel. Gleichzeitig sind wir in der wunderbaren Situation, dass wir immer auch Gaststars haben werden, die zu dieser Tankstelle kommen. Mit Martina Plura, Marc Schlegel und Joseph Orr haben wir eine Comedy erfahrene Regisseurin und Regisseure.
Also wird es nicht zu eintönig? Das Setting einer Tankstelle ist ja begrenzt.
(lacht) Das stimmt, aber damit hatten wir beim „Tatortreiniger“ ja auch keine Probleme. Das kammerspielartige Setting ist ja gerade das besondere an diesen Formaten. Wir haben zum Beispiel auch gerade eine Serie mit dem Titel „Kleine Sünden“ in Koproduktion mit Friday Film für den Heimatkanal produziert, die nur im Beichtstuhl in einer Kirche spielt…
An welchen weiteren Projekten arbeiten Sie noch?
Sat.1-Geschäftsführer Kaspar Pflüger hat bei DWDL.de im Interview ja bereits mehrere Projekte benannt. Wir entwickeln für Sat.1 ein Pilotdrehbuch. Darüber hinaus arbeiten wir an jeweils einer neuen Serie für zwei weitere große deutsche Sender, für die es bereits schon einen Produktionsauftrag gibt.
Auf der zweiten Seite lesen Sie, wie Michael Lehmann die derzeitige Serien-Offensive der Privatsender beurteilt und wie er versucht gegenzusteuern, wenn es mal nicht so rund läuft.