Herr Reichart, zum 25. Geburtstag hat sich Vox selbst ein Geschenk gemacht und 2017 zum zweiten Mal in Folge als einziger Sender die Marktanteile gesteigert. Legen Sie jetzt die Füße hoch?
Oh nein, das würde gar nicht zu uns passen. Dass wir 2017 so gut ins Ziel gebracht haben, passt toll zum Jubiläum. Das werden wir mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern heute Abend auch gebührend feiern. Aber wir haben uns auch bereits unsere Hausaufgaben für 2018 ins Pflichtenheft geschrieben.
Zu denen kommen wir noch. Sie trotzen derzeit dem Abgesang aufs frei empfangbare, lineare Fernsehen. Ärgert es Sie, wenn man als einziger Sender gegen den Trend arbeitet und oft eine ganze Gattung in einen Topf geworfen wird?
Diese Wahrnehmung teile ich nicht. Es gibt in der Branche auch abseits von Vox geschätzte Kollegen, die ihre Arbeit erfolgreich und mit viel Leidenschaft betreiben. Ich würde sagen: Dafür, dass das Fernsehen schon oft tot geschrieben wurde, wird immer noch sehr viel übers Fernsehen berichtet. Die mediale Wahrnehmung dessen, was wir hier machen, ist meiner Meinung nach nicht kleiner geworden. Da haben es andere Mediengattungen sicher schwerer. Und die umfangreiche Berichterstattung zum Beispiel über "Die Höhle der Löwen" oder "Club der roten Bänder" widerlegt den gelegentlichen Abgesang aufs Fernsehen doch auch.
Neben 25 Jahren Vox feiern Sie Anfang Februar auch ihr 5-jähriges Jubiläum beim Sender. Wenn man Vox heute mit dem Sender vor fünf Jahren vergleicht - was hat sich geändert?
An unserem Vox-Team hat sich nicht viel verändert, aber unsere Integration innerhalb der Mediengruppe ist weiter vorangeschritten. Die Kooperation ist noch intensiver und partnerschaftlicher geworden. Rein programmlich ist der größte Unterschied sicher die Relevanz von US-Serien. Vor fünf Jahren hatten wir noch drei Serienabende am Montag, Mittwoch und Freitag. Als ich gerade bei Vox angefangen habe, sind "Arrow" und "Grimm" gestartet. Die holten zum Start 14 bzw. 16 Prozent bei den 14- bis 49-jährigen Zuschauern. Es waren damals die US-Serien, mit denen wir hin und wieder mal an der Zweistelligkeit gekratzt haben. Das ist heute selten geworden.
Welche Rolle spielen Lizenzserien künftig noch für Vox?
Wir sind am Montagabend auf Eigenproduktionen umgestiegen, was ein echter Kraftakt war. Dafür braucht man schließlich genug gutes Programm, das Kai Sturm und sein Team ja auch erst mal produzieren mussten. Aber an den US-Serien am Mittwoch- und Freitagabend werden wir auch mittelfristig festhalten. Wir gehen mit dem Genre gerade durch eine Dürreperiode, aber das wird sich auch wieder ändern. Und US-Fiction war in 25 Jahren Vox immer fest mit dem Sender verbunden, egal ob "Ally McBeal", "Boston Legal", "Six Feet Under" oder das "CSI"-Franchise. Wir haben uns bei den Zuschauern über Jahre eine Serien-Kompetenz erarbeitet und die wollen wir nicht einfach aufgeben, sondern vielmehr erneuern.
Aber die Mediengruppe RTL Deutschland hat nicht mehr so viele Output-Deals mit Hollywoodstudios wie früher. Woher kommt der Nachschub?
Wir sind umtriebiger und gucken in der Tat noch gezielter auch abseits der Output-Deals nach passenden Serien. In diesem Jahr freuen wir uns auf die vielfach ausgezeichnete HBO-Serie "Big Little Lies" - für die zweite Staffel wurde übrigens gerade Meryl Streep verpflichtet. Und in Großbritannien haben wir gerade "Liar" gekauft – eine Miniserie, die zur aktuellen #metoo-Debatte passt. Wir möchten auch in sich abgeschlossene Serien als klaren Trend ins Programm integrieren. Mit "Imposters" haben wir aber auch wieder eine tolle Serie aus dem bedeutenden Output-Deal mit NBC Universal im Programm.
Mit "Gone" ist außerdem die zweite international koproduzierte Serie gestartet. Wie zufrieden sind sie mit diesem Experiment?
Genau, mit "Gone" haben wir gerade bei Vox die zweite Koproduktion verheißungsvoll gestartet und in diesem Jahr kommt mit "Take Two" auch noch die dritte. Dass diese Koproduktionen der Mediengruppe am Ende alle bei Vox gezeigt werden, war anfangs noch nicht klar, sie tun uns aber gut. Wenn die drei Serien - "Ransom" lief ja schon – ausgestrahlt wurden, werden wir mal Bilanz ziehen, wie effektiv dieses neue Modell für uns war und wie wir diesbezüglich weitermachen.
Kommen wir nochmal zurück zum Vergleich von Vox heute und vor fünf Jahren bei Ihrem Antritt. Abseits der US-Serien…
…war der Dienstag das Sorgenkind. 2013 hatten wir da einen Flickenteppich von bestimmt zehn unterschiedlichen Formaten auf Sendung. Und am Sonntagabend taten wir uns auch schwer. In der Daytime hatten wir noch Scripted-Formate im Programm. Und es gab "X Factor". In meinem ersten Jahr haben wir dann beschlossen, weder Scripted-Reality noch die Castingshow fortzusetzen, und stattdessen neue imageprägende Formate zu suchen. Es folgte der Switch von einer Primetime mit vielen Fremdproduktionen zu einer Primetime mit vielen Eigenproduktionen. In diesem Prozess haben wir auch an Vielfalt gewonnen und sind inzwischen mit vielen eigenen Programmmarken im zweistelligen Quoten-Bereich. Darunter fallen aber nicht nur unsere aufmerksamkeitsstärksten Vox-Formate, sondern auch so schöne frische Erfolgsgeschichten wie die von "Hot oder Schrott".
Sie besetzen Genres, die grundsätzlich auch viele andere Sender anbieten. Liegt der Erfolg an der Auswahl der richtigen Formate oder spielt das Vertrauen in die Marke Vox mit rein?
Die Genres sind nicht neu, aber die Themen: Wir haben mit "Die Höhle der Löwen" Wirtschaft und mit "6 Mütter", "Die wunderbare Welt der Kinder" oder "Richtig (v)erzogen" Erziehung erfolgreich in die Primetime geholt. Sportler zeigen wir in "Ewige Helden" abseits ihres Wettkampfs. Ich glaube, dass wir da neue Territorien für uns entdeckt und erschlossen haben, ohne dass wir ein Genre überstrapazieren.
Naja. Die Formel "Prominente beim kuscheligen Miteinander" hat sich zwischenzeitlich in vielen Vox-Formaten wiedergefunden. Mal erfolgreich, mal nicht.
Vox ist ein Wohlfühlsender. Ich glaube aber, dass jedes Format seine eigene Handschrift trägt. Außerdem arbeiten wir nicht mit Prominenten, sondern mit Talenten. Sportler sollen bei uns wie bei "Ewige Helden" in einen Wettkampf treten, Sänger wie bei "Sing meinen Song" singen. Bei "Die Höhle der Löwen" investieren echte Investoren ihr eigenes Geld in echte Gründer und bei "6 Mütter" erzählen Mütter ganz authentisch über den Alltag mit ihren Kindern. Guido Maria Kretschmer ist bei uns erfolgreich, weil er bei "Shopping Queen" mit seinem Fachwissen in Sachen Mode punkten kann. Er geht seiner Kernkompetenz nach. "Kitchen Impossible" hingegen braucht echte Köche. Die wenigsten Gegner von Tim Mälzer sind einem großen Publikum bekannt, aber in der Kochbranche sind sie Stars, das ist wichtig. Das wird bei seiner neuen Late-Night-Kochshow "Knife Fight Club", in der er zusammen mit Tim Raue als Juror fungiert, übrigens genauso sein. Und das unterscheidet Vox-Shows mit prominenten Namen von vielen anderen Promi-Shows im deutschen Fernsehen.
Wenn man mal von "Perfekten Promi Dinner" und "Promi Shopping Queen" absieht.
Stimmt, Kochen und Shoppen ist nicht unbedingt die Kernkompetenz der Promis. Aber glaubwürdig sind sie trotzdem allemal, da sie auch im wahren Leben schon mal gekocht oder geshoppt haben werden.
Sie sprachen von der Kraft der Marke Vox. Klingt ja toll aber macht sich das auch spürbar bemerkbar?
Die Kraft der Marke Vox hilft jedem Neustart. Wenn es am Dienstagabend mit großer Promotion einen Neustart um 20.15 Uhr gibt, dann haben wir uns bei vielen Zuschauern inzwischen einen Vertrauensvorsprung erarbeitet. Das hat auch "Club der roten Bänder" bewiesen. Wir haben damals ein für uns völlig neues Genre auf einem nicht etablierten Sendeplatz gestartet – und die Zuschauer haben sich darauf eingelassen. Natürlich nützt uns die Sendermarke nichts, wenn wir diesem Vertrauensvorschuss nicht gerecht werden – das haben wir auch schon erlebt. Aber ich bin wirklich stolz darauf, dass wir eigentlich keine Flops haben, für die ich mich wirklich schämen müsste und bei denen ich mir denke: "Hoffentlich spricht Thomas Lückerath mich nicht darauf an.“"
Sie meinen so etwas wie "Chicas Walk Academy"?
(lacht). Es gibt in meinen fünf Jahren bei Vox allenfalls eine handvoll Produktionen, die nicht so wurden wie gedacht und unseren eigenen Ansprüchen auch nicht entsprochen haben. Aber bei den meisten Quoten-Flops kamen wir in der Nachbetrachtung zum Ergebnis: Es war einen Versuch wert. Wir können ja nicht ständig Neues liefern, ohne zu experimentieren. Und wenn wir uns nicht mindestens ein Mal pro Jahr eine blutige Nase geholt hätten, hätte ich das ungute Gefühl, dass wir nicht aggressiv genug an neuen Ideen gearbeitet haben.
Und selbst mit so einer blutigen Nase - Stichwort "Story of my Life" - kann man noch eine Grimme-Nominierung ergattern.
Das ist ein Pflaster für die blutige Nase (lacht). Wie schon gesagt: Wir haben unsere Hausaufgaben notiert. Und eine Übung besteht sicherlich darin, dass Wohlfühlen und Nähe weiter Markenkern von Vox bleiben, aber wir darüber hinaus etwas aufdrehen. Vox muss frecher werden.
Weinen Sie Steffen Henssler hinterher?
Stand heute würde ich sagen: Das ist eine Lose-Lose-Situation. Den Reiz der Chance, ein großes Format wie "Schlag den Raab" zu übernehmen, kann ich absolut nachvollziehen. Wir haben dann in der Herbst-Staffel von „Grill den Profi“ etwas unter seinem Weggang gelitten. Hier waren aber zum Teil auch weniger bekannte Köche dabei, bei denen wir mal schauen wollten, wie sie sich schlagen. Wir haben aber auch gemerkt, dass wir noch etwas am Format drehen müssen, da es schon stark auf Steffen Henssler zugeschnitten war. Und mit all diesen Erkenntnissen und mit den drei Spitzenköchen Roland Trettl, Ali Güngörmüs und Nelson Müller gehen wir jetzt in die nächste Staffel.