Herr Himmler, das ZDF erlebt zusammen mit ZDFneo ein erfolgreiches Jahr. Gleichzeitig ist mal wieder eine Debatte über die Öffentlich-Rechtlichen entflammt. War 2017 ein gutes oder ein anstrengendes Jahr?
(lacht) Jedes Jahr ist anstrengend. Ob 2017 ein gutes Jahr für das ZDF war, bemisst sich ja nicht nur an den Einschaltquoten, sondern eben auch an der Qualität. Wenn ich mir aber die Reichweite der ZDF-Familie anschaue und daneben die Qualität unserer Programme, dann bin ich sehr zufrieden. Wir haben mehr als 220 Preise gewonnen in diesem Jahr. Die wird man nicht alle gleich gewichten können, aber diese Anerkennung der Arbeit vieler Kolleginnen und Kollegen freut mich. Trotzdem haben wir noch einige Baustellen, an denen wir arbeiten, um noch besser, noch effizienter und noch hochwertiger zu sein.
Effizienter - das würde nicht nur den Verband des privaten Rundfunks in Deutschland freuen.
Ich muss sagen, wir können schon stolz auf unsere Programmleistung sein. Wir haben uns einmal das Verhältnis von eingesetztem Geld und erreichten Zuschauern angeschaut: Da liegen wir weit vor dem Ersten und gar nicht so weit von den Privatsendern entfernt. Wir gehen als schlankes und zentral aufgestelltes ZDF mit unseren Ressourcen sehr verantwortlich um.
Sie sehen also die dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk vorgeworfene Ineffizienz eher bei der ARD als bei sich?
Nein, es ist nicht an mir, andere zu kritisieren. Mir geht es darum zu betonen: Wir beim ZDF sind auf einem guten Weg - sicher noch nicht am Ziel in allen Belangen, aber wir haben gelernt, unsere Mittel effizienter einzusetzen. Ich verstehe diese dauerhaften Angriffe sowohl aus Köln als auch aus Unterföhring nicht - und zwar aus mehreren Gründen.
Ich bin gespannt.
Zum einen halte ich sie für unberechtigt. Wer über Jahre enorme Umsatzrenditen im zweistelligen Bereich einfährt, kann sich nicht darüber beschweren, dass der Wettbewerb angeblich verzerrt sei. Dann finde ich sie auch ein Stück weit unfair.
Warum?
Wenn es einen demokratischen und verfassungsrechtlich bejahenden Konsens zum dualen System gibt, dann sollte man sich auch daran halten und den Konsens nicht immer wieder untergraben. Wenn verlangt wird, dass wir mit den uns bereitgestellten Mitteln verantwortungsbewusst umgehen sollen, dann ist das völlig berechtigt, aber wenn grundlegend das öffentlich-rechtliche System hinterfragt wird, macht mir das gesellschaftlich gesehen große Sorgen. Wir sind doch nicht die Konkurrenz der Privatsender oder Verlage. Wenn Thomas Ebeling in den vergangenen Jahren ein Vergleichsportal oder Online-Shop nach dem anderen gekauft hat, dann kann ich nur sagen: In dem Geschäft sind wir nicht aktiv.
Man könnte auch sagen: Medienhäuser müssen auf andere Genres ausweichen, weil die Öffentlich-Rechtlichen ihnen im Netz beim Kerngeschäft der medialen Angebote durchaus Konkurrenz machen.
Aber da fühle ich mich als ZDF nur sehr begrenzt angesprochen. Unser Credo im Netz ist das Bewegtbild, und nicht der Text. Diesen Weg haben wir von Anfang an eingeschlagen und ihn konsequent bis heute beibehalten.
Wer ärgert Sie momentan am meisten: Verlage, Privatsender oder Google, Facebook und Co.?
Google, Facebook und Co. sind die Konkurrenz, über die wir uns im deutschen Markt gemeinsam unterhalten sollten. Wir erleben einen Wettbewerb der Medien, in dem die Gnade der ersten Tasten auf der Fernbedienung schon lange vorbei ist. Wir sehen uns - und da nehme ich auch die Privatsender mit ins Boot - immer mehr Gatekeepern gegenüber, die sich dazwischenschalten wollen. Smarte Fernseher schlagen eigenständig Inhalte vor. Googelt man beispielsweise die „heute show“, landet man rasch bei „YouTube“, also Google, und nicht unbedingt in der ZDFmediathek. Wir Inhalteanbieter müssen gemeinsam aufpassen, dass wir den Zugang zu unseren Zuschauern bzw. Nutzern nicht verlieren und andere mit unseren Angeboten Geld verdienen. Ich will da gern mit den Privatsendern zusammenarbeiten. Ich glaube nicht, dass wir gegen Google und Co. auf der einen und den neuen Wettbewerbern wie Netflix und Amazon auf der anderen Seite bestehen können, wenn wir nicht schauen, wie wir uns auf dem deutschen Markt zusammentun können.
Das ist richtig, aber wann pfeifen Sie dann Ihr eigenes junges Angebot Funk zurück? Die schenken Google und Facebook seit mehr als einem Jahr mit Beitragsgeldern finanzierte Inhalte.
Berechtigte Frage. Es ist das alte Spiel: Kannst Du die Wölfe nicht besiegen, musst Du mit ihnen heulen. Wir müssen dahin gehen, wo unsere Zuschauer sind. Wir müssen immer genau prüfen, wann wir so agieren, und an welcher Stelle eben nicht. Sie können die „heute show“ auch bei YouTube finden, aber eben nur kurze Clips - und werden dann darüber zu uns in die Mediathek geführt. Gegen die Veröffentlichung ganzer Programme auf YouTube gehen wir vor, und seitdem wir das tun, sind die Abrufzahlen der „heute show“ in unserer Mediathek um Hunderttausende gestiegen.
"Kannst Du die Wölfe nicht besiegen, musst Du mit ihnen heulen. Wir müssen dahin gehen, wo unsere Zuschauer sind. Wir müssen immer genau prüfen, wann wir so agieren, und an welcher Stelle eben nicht."
Im März nächsten Jahres gibt es in der Schweiz einen Volksentscheid über die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Gäbe es eine solche Abstimmung in Deutschland: Wie sicher wären Sie sich, dass sie gewinnen würden?
Ich glaube, dass wir eine deutliche Zustimmung hätten. Das ZDF erreicht mit seiner Senderfamilie im Monat über 80 Prozent der deutschen Bevölkerung. Und in qualitativen Bewertungen - Stichwort „Welchen Sender würden Sie mit auf eine einsame Insel nehmen“ - sind ARD und ZDF einsame Spitze, weit vor privaten Angeboten.
Lassen Sie uns mal übers Programm reden. 2017 sieht bisher nach einem erfolgreichen Jahr für das ZDF aus. Was hat sie am meisten überrascht in den vergangenen Monaten?
Was mich am meisten überrascht, ist der gewonnene Abstand zu den anderen Sendern. In einem Markt, der immer dichter wird, verlieren alle Sendergruppen, bis auf eine. Nur wir legen in der Kombination ZDF, ZDFneo, ZDFinfo und unsere Partnerkanäle zu und das eben nicht durch eine Verlagerung der Nutzung vom Hauptprogramm. Die Sender wachsen und ZDFneo hat es in diesem Jahr geschafft, ins Relevant Set der zehn größten Sender aufzusteigen. Das ist ein riesiger Schnitt für einen immer noch vergleichsweise kleinen Kanal, insbesondere in einem Markt, der immer vielfältiger wird.
Den Erfolg hätten andere sicher auch gerne. Positiv - und die Branche sucht ja nach positiven Signalen - ist aber auch für die Anderen die Erkenntnis, dass es keinen Automatismus von sinkenden Einschaltquoten geben muss.
Die positive Nachricht für den Kreativmarkt in diesen Zeiten - und da schaue ich nicht nur auf das ZDF - ist doch, dass eine gute Idee, die nachhaltig umgesetzt wird, im linearen Fernsehen weiterhin ein großer Erfolg werden kann. Das haben die Kollegen von Vox mit „Die Höhle der Löwen“ bewiesen. Das haben wir zum Beispiel auch mit „Bares für Rares“ geschafft. Wir haben ausgerechnet, wie viele verschiedene Zuschauer binnen einer Woche „Bares für Rares“ einschalten - egal ob im ZDF ausgestrahlt oder bei neo. Es sind 11,5 Millionen Menschen. Die Zahl hat uns auch erstaunt, weil man zunächst denkt, es wären mehr oder weniger die gleichen Fans, die jede Folge einschalten. Aber der Kreis der Fans des Formats ist eben weitaus größer. Ich würde sagen, diese Effizienz kann sich sehen lassen.
ProSieben hat „Big Bang Theory“ und sie haben „Bares für Rares“.
(lacht) Beide Formate brauchen sicher auch einen gewissen Humor, aber der entscheidende Unterschied ist: „Bares für Rares“ haben wir zusammen mit dem Produzenten entwickelt und halten auch alle Rechte daran.
Und nach dem Erfolg in der Primetime kommt im nächsten Jahr noch mehr „Bares für Rares“?
Ich glaube, dass wir in der Anzahl der Sendungen und Ausstrahlungen über beide Sender ein perfektes Maß gefunden haben. Nach dem Erfolg der ersten Sendungen haben wir uns allerdings vorgenommen, vier Mal pro Jahr „Bares für Rares“ in der Primetime anzubieten. Wir überlegen uns noch, ob wir die Location ab und an wechseln oder die Sendungen anlassbezogen aufziehen. Aber darüber hinaus möchte ich die Zitrone nicht weiter ausquetschen.