Herr Winterscheidt, welche Frage mussten Sie in diesem Jahr am häufigsten in Interviews beantworten?
(überlegt) "Wo ist Klaas?" (lacht) Das ist so lustig, weil viele Leute wirklich dachten, dass wir uns komplett trennen würden, in jeglicher Konsequenz. Meine häufigste Antwort darauf war, dass ich jeden enttäuschen muss, der darauf gehofft hat, uns beide nicht mehr zu sehen. Ganz im Gegenteil, es könnte sogar noch mehr werden, da wir jetzt sowohl getrennt voneinander als auch gemeinsam auftreten werden.
Wann spürt man, dass der Zeitpunkt gekommen ist, mit einer Sendung aufzuhören?
Das ist ganz schwer zu erklären. Es hat mit "MTV Home" angefangen, wurde mit "Neo Paradise" weitergeführt, irgendwann mal in "Circus HalliGalli" umbenannt - eigentlich haben wir jahrelang dieselbe Sendung gemacht und immer wieder versucht, sie mit dem Leben zu füllen. Bis wir irgendwann festgestellt haben, uns im Kreis zu drehen. Wir haben einfach wahnsinnig viel von dem erledigt, was wir schon immer tun wollten, und wollten keine Kopie von uns selbst werden. Auf diese Gefahr wäre es mit der Zeit hinausgelaufen, hätten wir einfach weitergemacht. Ich bin mir allerdings ziemlich sicher, dass es in den letzten Jahren wenige Momente gab, in denen Moderatoren einem Sender gesagt haben, sie würden ein erfolgreiches Format gerne beenden.
Wie fiel die Reaktion von ProSieben aus?
Am Anfang war lautes Lachen da, das dann aber relativ schnell eingefroren ist. Dann kam die Rückfrage: "Ihr meint das ernst, ne?" Das war kein Moment, der uns leicht gefallen ist, aber wir wollten diese Show, die wir über alles geliebt haben, so unbeschadet wie möglich ins Regal stellen. Wir hatten die Chance, das Ding zu beenden als es am schönsten war und es nicht bis zum Ende einfach irgendwie durchzunudeln. Das hat ProSieben verstanden und das hat uns wiederum auch gezeigt: Wir sind beim richtigen Sender. So wie es gelaufen ist, war es rückblickend genau richtig.
Hat es die Entscheidung ein bisschen einfacher gemacht, dass der Sendeplatz am Ende nochmal geändert wurde?
Unser Entschluss ist weit vorher gefallen. Aber es wäre natürlich schön gewesen, wären wir konsequent am Montagabend geblieben. Allerdings haben wir die Entscheidung auch mitgetragen. Es wäre zu einfach zu sagen, dass das die Schuld des Senders wäre. Das ist Quatsch. Dass das am Ende dienstags nicht so funktioniert hat, ist schade, hat der Sendung aber auch keinen Abbruch getan.
Und jetzt fehlt Ihnen gar nichts?
Null. Ich frage mich ernsthaft gerade, wie ich bislang diese Sendung untergebracht habe. (lacht) Der Terminkalender ist voll und eine Weekly wäre gerade undenkbar. Wir haben einfach viel mehr Zeit für Neues. Ich bin sehr dankbar dafür, dass Klaas und ich das gemeinschaftlich klar entschieden haben.
Jetzt sind Sie mit "Beginner gegen Gewinner" auf Solopfaden unterwegs. Dabei meinen gar nicht wenige, dass die Zeit der Samstagabendshow lange vorbei ist. Wieso halten Sie das für falsch?
Vielleicht gab es bisher einfach die falschen Sendungen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass du mit der richtigen Show am Samstagabend bestehen kannst. Es gibt genügend Beispiele aus unserem Hause, als auch auf anderen Sendern. Wenn es einen Tag in der Woche gibt, um die ganze Familie vor die Glotze zu kriegen, dann ist es der Samstag.
Was macht Sie so sicher, dass das mit "Beginner gegen Gewinner" zu schaffen ist?
Ich bin davon überzeugt, dass jeder etwas aus dieser Show rausziehen kann. Es gibt die sportliche Seite, den Wettkampf David gegen Goliath, die Hero-Momente eines Außenseiters. Und dann sitzt du vor dem Fernseher und fragst dich: Würde ich das auch hinbekommen? Es ist ja so, dass die Amateure bei ihren Duellen auswählen dürfen, mit welchen Handicaps die Profis versehen werden. Wenn man dann sieht, wie Tischtennis-Champion Timo Boll mit einer Bratpfanne den Ball schlägt, dann ist das schon extrem unterhaltsam.
Die Idee ist aus der "besten Show der Welt" heraus entstanden. Inwiefern merkt man schon dort, dass ein Konzept auch für "mehr" taugen kann?
Wir hatten zuerst eine andere Sendung aus "Die beste Show der Welt" heraus entwickelt, bis wir gemerkt haben, dass wir damit einfach nicht auf die Größe kommen, die wir uns für den Samstagabend vorstellen. Im Fall von "Beginner gegen Gewinner" mussten wir auch einige Modalitäten verändern und haben das Konzept beispielsweise um Promis erweitert, die auf die Außenseiter setzen. Wenn die gewinnen, fließt das Geld ins Finale. Das war der große Kniff, der uns da gelungen ist. So simpel das auch scheinen mag, lag das nicht von Anfang an auf der Hand. Ich bin froh, dass das nicht nur in der Theorie geklappt hat, sondern auch in der Praxis bei der Aufzeichnung.
Letztes Jahr gab es mit "My Idiot Friend" schon einmal eine Auskopplung. Darum ist es in letzter Zeit aber etwas ruhiger geworden. Warum eigentlich?
Das ist eine gute Frage. Ich fand's jedenfalls super, auch wenn es natürlich nicht der 20-Prozent-Quotenhit war. Vielleicht lag es an einem Mangel aus freien Terminen. Nach dem Ende von "HalliGalli" wollten wir zunächst einmal unsere neuen Projekte anschieben.
Abseits des Fernsehen haben Sie zusammen mit Matthias Schweighöfer und dem ehemaligen Sat.1-Chef Nicolas Paalzow die Werbeagentur Creative Cosmos 15 gegründet. Sehen Sie sich da eher als Beginner oder bereits als Gewinner?
(lacht) Ich glaube, aus den Beginner-Schuhen bin ich schon etwas raus. Das liegt daran, dass man eine sehr steile Lernkurve hat – ganz einfach, weil das für mich ein komplett neues Business war. Das macht wahnsinnig Bock, vor allem, wenn man merkt, dass der Bedarf am Markt vorhanden ist. Man wird von Mal zu Mal selbstsicherer.
Bei der Gründung hieß es, die Firma will Werbe- und Unterhaltungsgeschichte. Wie weit sind die Einträge in die Geschichtsbücher schon vorangeschritten?
Die Firma gibt es ja erst seit anderthalb Jahren. Wenn wir den Anspruch hätten, schon nach so kurzer Zeit Geschichte geschrieben zu haben, dann wäre das sehr vermessen. Die wenigsten Menschen auf dieser Welt haben so etwas geschafft. Wir haben allerdings schon jetzt sehr gute Kunden und spannende Projekte, die das Zeug haben, Gesprächsthema zu werden.
"'Die Höhle der Löwen' wäre so gar nicht meins. Das wäre mir zu Etat-getrieben."
Joko Winterscheidt
Abseits davon investieren Sie gerne in Start-Ups und sitzen nun auch beim SevenVentures Pitchday in der Jury. Woher kommt Ihr Interesse für die Geschäftswelt?
Ich führe das auf einen Moment in meiner Kindheit zurück, als ich meinem Vater gesagt habe, dass wir keine Eisdiele im Dorf haben und wir deshalb eine eröffnen sollten – in einer Nische im Flur, in die eine Kühltheke reingepasst hat. Da war ich vielleicht sieben oder acht. Wahrscheinlich war das der erste Move. Ich hatte schon immer eine Faszination für Leute, die eine Firma besitzen und eine eigene Vision verfolgen. Ich liebe es auch Leuten zur Seite zu stehen, die Ideen haben. Wenn jemand etwas Einzigartiges hat, das es wert ist, das Licht der Welt zu erblicken, schaue ich es mir interessiert an und kann im besten Fall ein paar Türen öffnen.
Ein wenig ärgerlich, dass "Die Höhle der Löwen" bei der Konkurrenz läuft, oder?
Nein, gar nicht. "Die Höhle der Löwen" wäre so gar nicht meins. Das wäre mir zu Etat-getrieben. Da geht‘s nur darum, für wie viel Geld ich wie viel Prozent bekomme. Ich bin aber nicht der harte Verhandler. Es geht mir eher darum, ob die Idee gut ist und ob mir die Leute gefallen, die dahinterstehen. Danach kann man sich zusammen Gedanken machen, wie man das gemeinsam groß macht. In der "Höhle der Löwen" steht dagegen immer die finanzielle Vermehrung im Mittelpunkt. Wahrscheinlich ist die Sendung auch deswegen so faszinierend, weil es um so absurde Summen geht, und die Leute, die da sitzen, ihre Rollen perfekt spielen. Für mich wäre eine Show viel interessanter, in der es um die Menschen und ihre Ideen geht und in der die Profitgier hintenansteht.
Herr Winterscheidt, vielen Dank für das Gespräch.