Wenn Sie den Hauptstadt-Aspekt so stark betonen, lesen manche Kritiker daraus, dass der ländliche Raum Brandenburgs, der auch zu Ihrem Sendegebiet zählt, zu kurz kommen könnte. Ein ewiger Konflikt für den RBB seit der Fusion.
Ich sehe diesen Konflikt gar nicht mehr so. Die Region wächst beispielsweise an den Rändern von Berlin und Potsdam stark zusammen. Wir haben natürlich eine Disparität zwischen Stadt und Land, zwischen Urbanität und ländlichem Lebensgefühl. Aber solche Unterschiede haben andere Sender auch. Dem müssen wir gerecht werden, ebenso wie dem Thema Ost-West. Das schaffen wir mit gezielten Inseln im Programm für die jeweils unterschiedlichen Bedürfnisse. Wir müssen für alle etwas anzubieten haben. Das heißt aber nicht, dass wir Kompromissfernsehen machen, also mit einer Sendung möglichst viele einzufangen versuchen. Sendung A richtet sich eher an eine urbane, Sendung B an eine ländliche Bevölkerung. Sendung C machen wir eher für jüngere, Sendung D für ältere Leute. Mir ist jeder Zuschauer gleich lieb. Und jeder soll bei uns etwas finden.
Das RBB Fernsehen hat sich im laufenden Jahr mit durchschnittlich 5,8 Prozent Marktanteil vom letzten auf den vorletzten Platz der Dritten Programme verbessert. Wie sehen Ihre weiteren quantitativen Ziele aus?
Das Wichtigste ist zunächst: gutes Programm. Und ich möchte, dass wir die rote Laterne dauerhaft abgeben. Das Ziel 6 Prozent plus X ist möglich und realistisch. Daran arbeiten wir, und zwar mit den Mitteln von qualitativ gutem Fernsehen.
Gilt Ihr Hauptstadt-Sender-Anspruch mit gleicher Konsequenz fürs Radio?
Auf jeden Fall. Berlin-Brandenburg ist der heißeste Radiomarkt der ganzen Bundesrepublik. Wir sind mit Antenne Brandenburg Marktführer und liefern uns meist ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit 104.6 RTL. Ich freue mich, dass unser Inforadio mit seinem wortlastigen, inhaltsschweren Programm bei der Tagesreichweite die viertstärkste Welle der Stadt ist.
"Es ist nicht nötig und nicht richtig, unseren Zuschauern weniger von dem zu geben, was ihnen zusteht"
Patricia Schlesinger, RBB-Intendantin
Haben Sie im Zuge Ihrer Umschichtungen auch darüber nachgedacht, ob der RBB alle sechs Radioprogramme – mit der Beteiligung an Cosmo sogar sieben – braucht?
Wir haben äußerst unterschiedliche Radioprogramme, die zum Teil gehobenen Geschmack bedienen. Was wir im Gegensatz zu anderen ARD-Anstalten nicht haben, ist eine reine Popwelle. Die brauchen wir tatsächlich nicht, weil es davon genug gibt. Aber auf welche der bestehenden Wellen sollten wir verzichten? Wir brauchen Regionales, wir brauchen Kultur, wir brauchen Information und wir brauchen auch im Radio identitätsstiftende Programme für verschiedene Zielgruppen, die in der Region verankert sind. Davon etwas aufzugeben, hieße wertvolle Vielfalt zu verringern.
Glauben Sie wirklich, dass jede Anstalt ihr eigenes Info- oder Kulturradio braucht? Da wären doch mit ARD-übergreifenden Kooperationen à la Cosmo erhebliche Einsparungen drin.
Unsere Info- und Kulturwellen sind stark regional ausgeprägt. Und das ist gut so. Die Menschen möchten, dass ihr Sender ihnen das vermittelt, was vor der eigenen Haustür los ist. Innerhalb der ARD wollen wir unsere Strukturen und Prozesse so aufstellen, dass wir künftig viele Dinge gemeinsam tun, die bislang jeder für sich erledigt hat. Dadurch werden wir erhebliche Einsparungen realisieren. Das betrifft allerdings die Bereiche Verwaltung, Produktion und Technik, nicht den Bereich Programm. Die Vielfalt unserer Programme sollten wir nicht antasten.
Überraschender und provokanter will Patricia Schlesinger das RBB Fernsehen positionieren. Das spiegelt auch eine neue Werbekampagne mit dem Claim "Bloß nicht langweilen" wider, die in diesen Tagen anläuft.
Es könnte sein, dass sich die Medienpolitiker der Bundesländer damit nicht zufrieden geben.
Wir haben jetzt einen Strukturoptimierungsprozess aufgelegt, der die ARD wirklich stark verändern wird und hinter dem alle Intendanten gemeinsam stehen. Dabei werden wir über die nächste Dekade deutlich schlanker und effizienter. Hinter den Maßnahmen stehen konkrete Zahlen, wir reden von Hunderten Millionen Euro Einsparungen. Insofern ist es nicht nötig und nicht richtig, unseren Zuschauern, Hörern und Usern weniger von dem zu geben, was ihnen zusteht – nämlich das beste Programm in ihrer Region in vielfältiger Ausspielung.
Frau Schlesinger, herzlichen Dank für das Gespräch.