Man hört aus vielen Häusern, dass gespart werden muss. Gilt das denn auch für Arte?

Auch bei Arte wachsen die Bäume nicht in den Himmel. Wir haben vergleichsweise bescheidene Zuwachsraten, was die deutsche Finanzierungssäule angeht – genauso wie es auch bei den Rundfunkanstalten der Fall ist. Daher steht auch Arte immer wieder vor schwierigen Sachverhalten. Wir würden gerne mehr machen, können es aber nicht.

Zum Beispiel?

Wir würden gerne noch mehr Angebote bereitstellen, müssen uns aber konzentrieren. Natürlich wächst auch die Arbeitsbelastung. Die Kolleginnen und Kollegen müssen gerade im digitalen Zeitalter ordentlich anpacken. Man hört immer wieder Klagen, aber gleichzeitig ist es doch eine Arbeit, die einen ausfüllt und befriedigt.

Vor welchen Herausforderungen steht Arte in nächster Zeit?

Die große Herausforderung ist das sich verändernde Nutzungsverhalten der Menschen, auf das wir reagieren müssen. Wir werden Erfahrungen sammeln mit neuen Nutzungsformen wie SVoD, da probieren wir gerade in Frankreich einiges aus. Man darf sich also nicht zurücklehnen, sondern muss genauhinschauen, was sich verändert und warum. Allerdings habe ich den Eindruck, dass wir gerade ziemlich auf Augenhöhe sind mit der Entwicklung.

Mancher wundert sich darüber, dass sich das öffentlich-rechtliche Fernsehen neben Arte mit 3sat einen weiteren Kultursender leistet. Macht das wirklich Sinn?

Kultur hat viele Facetten. Das, was bei 3sat läuft, ist stark zentriert auf den deutschsprachigen Raum. Arte hat den anderen Blick, den deutsch-französischen. Wir sind keine Konkurrenz, sondern wir ergänzen uns. Unser Ansatz ist deutlich internationaler: 85 Prozent der Produktionen, die bei Arte laufen, sind europäisch, gerade bei den Serien besitzen wir eine hohe Kompetenz. Da bilden wir das gesamte moderne Fernsehschaffen ab. Wir sind zudem häufig Kinokoproduzenten, bei den letzten Oscar-Prämierungen waren es besonders vieleArte-Koproduktionen. "Toni Erdmann" hätte den Preis genauso verdient wie "The Salesman (Forushande)", – der ihn gewonnen hat – ebenfalls eine Arte-Koproduktion.

Sie sind seit mehr als einem Jahr zusätzlich zu ihrem Intendanten-Job beim SWR als Arte-Präsident tätig. Was hat sich dadurch in Ihrem Tagesablauf verändert?

Das ist eine große Arbeitszeitbelastung. Da habe ich nach einigen Monaten schon geschluckt. Glücklicherweise bin ich ganz gut organisiert und kann manches am Wochenende nachholen. Unter dem Strich überwiegt jedoch die Freude, in diesem kreativen Prozess innerhalb einer hoch ambitionierten Einheit dabei zu sein und die kleinen kulturellen Unterschiede festzustellen.

Wo stellen Sie die fest?

Beide Seiten haben einen anderen Zugang zu Stoffen, aber das ist gar nicht verkehrt, weil es einem jedes Mal aufs Neue die Augen öffnet. In der Diskussion kommt man sehr häufig weiter. Deswegen ist man in der Programmkonferenz in der Regel am Ende einer Meinung, auch wenn zu Beginn sehr unterschiedliche Vorstellungen aufeinandertreffen. Es gibt inzwischen sogar schon deutsche Lehnswörter, die Arte in den französischen Wortschatz gebracht hat – beispielsweise Mengengerüst. (lacht)

"Das Wichtigste ist, dass man beim Sparen das Programm nicht schädigt."
Peter Boudgoust

Lassen Sie uns über den SWR sprechen. Die ARD muss sparen, davon ist auch Ihr Haus betroffen. Was hat in diesem Prozess aktuell für Sie Priorität?

Das Wichtigste ist, dass man beim Sparen das Programm nicht schädigt, sondern im Gegenteil die Voraussetzungen schafft, um neues und innovatives Programm erstellen zu können. Ich kann da niemandem Ratschläge geben. Aber der SWR hat, weil sich die Entwicklung früh abzeichnete, schon 2010 ein sehr intensives Sparprogramm aufgesetzt, das in der Öffentlichkeit ausschließlich als Einsparprogramm verstanden wurde. Wir haben aber immer betont, dass es sich um einen Einspar- und Umbauprozess handelt, bei dem 20 Prozent der Einsparungen wieder als Programminnovationen und -investitionen eingesetzt werden. Das haben wir mit verschiedenen Neuerungen erreicht, etwa mit dem Kulturmagazin oder der Verlängerung der landespolitischen Formate. Wir haben die Fernsehnachrichten von 15 auf 30 Minuten verlängert, jetzt auch am Samstag, haben unlängst mit SWR Aktuell ein multimediales Nachrichten- und Informationsangebot herausgebracht. All das trotz eines laufenden Sparprozesses.

Worin sehen Sie den Schlüssel zum Erfolg für die ARD?

Das Regionale ist wichtig für einen Medienverbund, der föderal aufgestellt ist. Wir müssen das Lebensgefühl der Menschen – und das ist überwiegend ein regionales – transportieren. Darüber hinaus müssen wir jeden Tag den Nachweis liefern, dass es den Menschen etwas bringt, uns einzuschalten; dass wir relevant sind für sie. Das haben wir in den letzten Jahren auch ganz gut geschafft, wie uns Umfragen, aber auch der Erfolg unserer Programme bestätigen. Nach wie vor erreichen wir mit unseren verschiedenen Angeboten mindestens die Hälfte des Publikums erreichen, und zwar Tag für Tag. Im Grunde geht es darum, gerade in bewegten Zeiten wie diesen Orientierung zu bieten. Wir müssen den Menschen die Möglichkeit geben, Dinge einzuordnen und komplexe Entwicklungen zu verstehen, damit sie ihre eigenen, möglichst fundierten Entscheidungen treffen können.

Dennoch wird den Medien mittlerweile mit einer gewissen Skepsis begegnet. Auf dem Weg zum Interview habe ich mit einer türkischen Taxifahrerin gesprochen. Sie sprach davon, sehr lange SWR Info gehört zu haben, den Sender – der neuerdings SWR Aktuell heißt – jetzt aber nicht mehr zu hören, weil sie sich nicht mehr wiederfindet. Was antworten Sie solchen Menschen?

Ich würde ihr raten, dabeizubleiben, auch wenn ihre persönliche Meinung vielleicht abweicht von dem, was sie bei uns hört. Es ist nicht gut, wenn man sich ausschließlich in der eigenen Echokammer bewegt. Man muss sich auseinandersetzen mit anderen Meinungen, denn nur das hilft, den Horizont zu erweitern und das Zeitgeschehen souverän zu überblicken. Ich glaube aber auch nicht, dass das ein genereller Trend ist. Wir wissen aus Umfragen, dass uns sehr viele Menschen – mehr als drei Viertel des Publikums – für vertrauenswürdig halten.

Gleichzeitig ist es kein Geheimnis, dass sich die Öffentlich-Rechtlichen schwer damit tun, ein jüngeres Publikum anzusprechen. Sie haben sich im SWR sehr früh für ein Jugendangebot stark gemacht. Das ist inzwischen auf dem Markt. Wie zufrieden sind Sie damit bislang?

Es war von Beginn an die richtige Entscheidung, das Angebot von funk breit aufzustellen. Funk entwickelt seine Formate flexibel, experimentiert und bezieht dabei auch die Zielgruppe mit ein.Es wird auch in Zukunft ganz sicher noch so manches Format grandios misslingen. Aber wenn man alles in allem nimmt, dann hat funk bislang eine erfreuliche Entwicklung genommen.

Was können die alten Hasen davon lernen?

Neugierig sein und bleiben und nicht von vorgefassten Meinungen ausgehen. Und erst recht nicht glauben, dass Dinge so bleiben müssen wie sind, nur weil man sie schon immer so gemacht hat.

Herr Boudgoust, vielen Dank für das Gespräch.