Im Rahmen der Genrenale feierte diese Woche der dystopische Actionthriller „Immigration Game“ seine Weltpremiere. Er erzählt von einer perfiden Reality-Gameshow, in der sich Flüchtlinge eine Aufenthaltsgenehmigung in Deutschland erspielen können. In den Hauptrollen spielen Mathis Landwehr („Lasko“) und Denise Ankel. Mit dabei ist u.a. auch Jochen Schropp als Moderator der fiktiven Gameshow. Die Regie führte Krystof Zlatnik.
Der Film spielt in der nahen Zukunft. Europa nimmt keine Flüchtlinge mehr auf. Die einzige Möglichkeit, eine Aufenthaltsgenehmigung zu erhalten, ist die Teilnahme an der Show „Immigration Game“. Wer als Runner mitmacht, wird am Berliner Stadtrand ausgesetzt und muss sich seinen lebensgefährlichen Weg bis zum Fernsehturm am Alexanderplatz bahnen.
Dabei kann jeder deutsche Bürger für ein Preisgeld Jagd auf die Flüchtlinge machen und sie straffrei töten. Als der Bankangestellte Joe einem Flüchtling hilft und dabei in Notwehr einen Hunter tötet, droht ihm eine lebenslange Haftstrafe. Es sei denn, er nimmt selbst am “Immigration Game” teil. Herausgekommen ist ein Genre-Film, der Hommage und erschreckend aktuell zu gleich ist.
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Wir haben im Vorfeld der Weltpremiere mit Mathias Landwehr, Hauptdarsteller und mit seiner Firma Roundhouse auch Produzent des Films, sowie Autor und Regisseur Krystof Zlatnik über „Immigration Game“, den deutschen Genrefilm und deutsche Filmförderung gesprochen.
„Immigration Game“ ist ein Film mit eindringlicher Aktualität. Wie und vor allem wann entstand die Idee zu dem Film?
Krystof Zlatnik: Wir haben schon einige Projekte angestoßen, die lange in der Finanzierungsphase festhängen. Genre-Filme und Action haben es in Deutschland schwer, weil es wenige erfolgreiche Vorbildprojekte gibt, und sie damit nicht als so breitenwirksam gelten. Wir kamen also an den Punkt, dass wir ungeduldig wurden und uns gefragt haben: Können wir einen Film machen, der fast nichts kostet (lacht).
Das verkauft Ihren Film jetzt aber fast unter Wert…
Krystof Zlatnik: Ein Film der im hier und jetzt auf Berliner Straßen spielt, ist aber natürlich schon mal deutlich günstiger. Viele Aufnahmen in der Stadt sparen Kosten für Sets und Raummieten. Jedenfalls hatte ich schon länger die Grund-Idee in mir getragen. Tom Toelle hat in den 70er Jahren „Das Millionenspiel“ fürs ZDF inszeniert und ich war der Überzeugung, dass es Zeit ist für ein modernes Update. In einer Welt, wo morbide Spiele existieren, bei denen sich jeder mobil einschalten kann, passt das einfach.
Wann war das denn? In Zeiten von Hetze und Jagd auf Flüchtlinge und einem US-Präsidenten der Politik wie eine Realityshow wirken lässt, wirkt „Immigration Game“ beängstigend aktuell.
Krystof Zlatnik: Das war schon vor anderthalb, zwei Jahren in der Luft. Es war aber nicht so, dass wir spezifisch etwas zur Flüchtlingskrise machen wollten. Beim „Millionenspiel“ ging es damals noch um Geld. Heute, hab ich mir gedacht, spielt man nicht mehr um Geld, man spielt um die Aufenthaltsgenehmigung.
Herr Zlatnik, „Immigration Game“ war auch ihr erster Langfilm. Wie war die Erfahrung?
Krystof Zlatnik: Ich habe schon viele kürzere Filme gemacht und genau deswegen habe ich mir zugetraut, dass wir auch einen Langfilm hinbekommen. Wir hatten 14 Tage Drehzeit, was weniger war als bei manchen meiner Kurzfilme. Somit brauchte es viele kreative Lösungen, um in der Zeit einen Langfilm gedreht zu bekommen. Unter anderem hatten wir als Vorlage nur ein Treatment und kein ausgearbeitetes Drehbuch, Daher haben wir auch viel improvisiert, wodurch beim Dreh selbst viel mehr Spontanität möglich war.
Sie haben an anderer Stelle schon mehrfach betont, den Film ohne Sender und Förderung finanziert zu haben. Da klingt Verärgerung über das Fördersystem in Deutschland mit…
Mathis Landwehr: Bei älteren Projekten haben wir schon gemerkt, was für ein langfristiger Prozess es sein kann, bis man solch eine Förderung mit verschiedenen Partnern durchgeboxt hat. Deswegen haben wir uns bei "Immigration Game“ entschieden, das selbst zu finanzieren. Bei diesem Thema darf man das Momentum nicht verpassen.
Woher kam das Geld?
Mathis Landwehr: Wir haben als Serviceproducer und Action -Dienstleister, zum Beispiel bei dem Bollywood-Action-Film „Shivaay“, eigenes Kapital aufbauen können, was wir wiederum für diesen Film nutzen konnten. In Deutschland ist es ziemlich schwierig die Leute dazu zu bringen, ein Risiko einzugehen und in Filme zu investieren, die nicht schon davor als sicherer Erfolg gelten. Unsere Firma gibt es seit 2011 und wir wollten jetzt mal ein Projekt, dass wir komplett in Eigenregie gestalten können. Es ist eine unfassbare Hilfe zu wissen, dass einem niemand reinreden kann bei dem, was man realisieren möchte. Dafür muss man dann auch die Finanzierung alleine übernehmen.
Lag es daran, dass die Mühlen der Filmförderung in Deutschland langsam mahlen oder wäre es aufgrund des Genres schwierig geworden? Ich kann mich jedenfalls an wenige Stoffe des Action-Genres erinnern, die gefördert worden wären. Stattdessen gibt es Geld für Schweiger, Schweighöfer und Co.
Mathis Landwehr: In Deutschland muss man zum erwählten Kreis gehören, um auch beachtet und gefördert zu werden. Die Verantwortlichen sind zwar immer nett und freundlich, jedoch merkt man, dass man eigentlich vor geschlossenen Türen steht. Bevor wir weiter ignoriert werden, haben wir uns gesagt, dass wirs eben selbst machen.
Krystof Zlatnik: Ganz nach dem amerikanischen Model haben wir aber auch gesagt, dass das Ding wirtschaftlich erfolgreich sein soll. Deswegen war die Grundidee, einen Action-Film zu machen, der man auch verkaufen kann. Somit ist unsere Feuertaufe, ob wir den Film tatsächlich auch refinanzieren können.
Hat er sich denn bereits refinanziert? Sie haben am Montag eine Premiere im Rahmen der Genrenale in Berlin gefeiert. Wo wird der Film denn nun zu sehen sein?
Mathis Landwehr: Wir sind momentan im Gespräch mit einigen deutschen Verleihern, müssen aber noch abwarten. International haben wir den Film schon an einige asiatische Länder und Frankreich verkauft. Im besten Falle kriegen wir "Immigration Game" natürlich an einen Kino-Verleih verkauft. Aber es war erstmal unser Ziel auf einer VoD-Plattform platziert zu werden. Da ist auf jeden Fall ein Markt und eine Menge Firmen, die genau nach solchem Content suchen. Ein Kino-Verleiher würde uns sehr happy machen, aber das ist viel schwieriger.
Krystof Zlatnik: Außerdem verschicken wir den Film auf weitere Festivals international.
Dabei haben doch inzwischen einige Sender und Plattformen ihre Liebe zu Genre-Filmen und Action entdeckt. Aber offenbar wird das Genre eher mit ausländischen Produktionen verbunden als mit deutschen Filmen…
Krystof Zlatnik: Das ist der große und lange Kampf den wir mit der Genrenale an sich führen, die ich ja mitgegründet habe. Deutschland unterscheidet immer noch stark zwischen "Unterhaltung" und "Anspruch", und dem Unterhaltungsfilm zu dem die Genrefilme nun mal gehört erfährt immer noch eine Geringschätzung in der Medienlandschaft, obwohl das international die erfolgreichsten Filme sind. Man hört auch oft die Behauptung „Der Zuschauer wolle deutsche Genrefilme nicht sehen“, da wir wenige erfolgreiche Vorbilder haben - dabei gibt man ihm gar keine Gelegenheit zu wachen, da es kaum Platz für Genre und Action oder Martial Arts gibt.
Macht es eigentlich Angst, wenn man während den Arbeiten an einem Film merkt, wie die Realität sich erschreckenderweise immer mehr der inszenierten Dystopie anpasst?
Krystof Zlatnik: Es ist schon eigenartig. Man will eigentlich etwas aufbauen, dass ein abschreckendes Bild entwirft, eine Dystopie zeigt, die man als Zuschauer nicht anstreben sollte. Es ist dann sehr besorgniserregend, dass unser Film bereits so nah an der Realität steht.
Mathis Landwehr: Auf dem Filmmarkt in Cannes gab es zu unserer Filmvorstellung das Zitat "This may be the one film Donald Trump wants you to see". Da haben wir uns gedacht, dass die Person, die das geschrieben hat, bestimmt nur den Trailer gesehen hat. Denn den Film kann man natürlich aus mehreren Perspektiven betrachten. Auf der einen Seite gibt es bestimmt einige Leute, die denken, dass solch ein Spiel gar nicht so schlecht wäre. Das ist aber natürlich nicht unsere Intention. Wir wollen genau davor warnen.
Herr Zlatnik, Herr Landwehr, herzlichen Dank für das Gespräch