Herr Hofmann, Frau Meyermann, seit Januar hält die Tele München Gruppe (TMG) 85 Prozent der Anteile an der Odeon Film, doppelt so viel wie zuvor. Was verändert sich dadurch für Sie?
Mischa Hofmann: Es ändert sich gar nicht viel, weil wir auch bisher schon mit Dr. Kloiber als unserem stellvertretenden Aufsichtsratsvorsitzenden im engen Austausch über die strategische Ausrichtung der Odeon Film standen. Natürlich begrüßen wir es sehr, jetzt einen großen strategischen Aktionär zu haben – und damit eine große Klarheit in der Struktur. Durch die Auflösung der Medienfonds, die früher den Mehrheitsanteil hielten, war eine Zeit lang manches im Unklaren.
Haben Sie jetzt mehr Planungssicherheit?
Hofmann: Die TMG ist auf jeden Fall ein sehr gesundes Unternehmen. Das kann als Signal für potenzielle Partner sicher nicht schaden. Künftig werden wir unsere Zusammenarbeit mit der TMG eher noch vertiefen und ausbauen.
Heißt das auch, dass alles, was Sie produzieren, künftig von der TMG international vertrieben wird?
Hofmann: Nein. Es kann und wird da keinen Automatismus geben. In jedem einzelnen Fall geht es darum, was das Beste fürs Projekt und für die Odeon Film ist. Aktuell haben wir etwa zwei große internationale Serienprojekte in der Entwicklung, bei denen wir mit anderen Weltvertrieben zusammenarbeiten.
Der deutsche TV-Markt tickt ja eher konservativ, Sender und Produzenten ruhen sich vielfach noch gern auf ihren alten, langlaufenden Serien aus. Mit "Ein Fall für zwei", "Der Staatsanwalt" oder "Der Kriminalist" sind auch Sie dort erfolgreich vertreten. Was motiviert Sie dazu, sich nun so stark ins Feld der internationalen Koproduktionen hineinzuknien?
Hofmann: Serienproduzent zu sein, ist unser Kerngeschäft. Das lieben wir, damit verdienen wir unser Geld. Dazu gehört auch die unternehmerische Fragestellung, wo wir im Seriengeschäft noch wachsen können. Zu einem Zeitpunkt, als Netflix, Amazon oder Sky noch gar nicht mit Eigenproduktionen im deutschen Markt vertreten waren, erschienen uns englischsprachige, international angelegte Serien als logische Antwort. So sind wir vor rund drei Jahren in den Koproduktionsmarkt eingestiegen – und das trägt jetzt seine ersten Früchte. Inzwischen entwickeln wir auch intensiv für den deutschen Pay-TV- und VoD-Markt.
Gibt es zwischen den "alten" und den "neuen" Serien denn irgendwelche Synergien? Oder muss man alle Regeln für deutsche Auftragsproduktionen vergessen, um erfolgreich international mitspielen zu können?
Britta Meyermann: Die Unterschiede zwischen den beiden Welten sind in der Tat riesig. Klassischerweise sind wir mit unseren meisten Serien im deutschen Free-TV unterwegs – da geht es um herkömmliche Auftragsproduktionen, bei denen der Produzent nicht unbedingt in Vorleistung geht, sondern gemeinsam mit dem Sender entwickelt. Im internationalen Bereich – gerade in der Phase, in der wir uns erst einmal etablieren mussten – sind wir erheblich in Vorleistung gegangen. Wir haben am Anfang viel Zeit damit verbracht, Autoren in Großbritannien, Skandinavien und anderen Märkten kennen zu lernen und mit ihnen zusammen unsere Ideen zu entwickeln. Ohne das Investment in ein Pilotdrehbuch und eine Serienbibel lassen sich schwerlich internationale Partner gewinnen. Inhaltlich kommt hinzu, dass die meisten erfolgreichen internationalen Serien horizontal erzählt sind. Das ist bekanntlich auf dem deutschen Markt auch noch anders.
Hofmann: International stehen die Autoren sehr viel mehr im Zentrum als hierzulande. Die gewünschte Andersartigkeit des Erzählens und die jeweils eigene Stimme sind viel wichtiger als beim stark formatierten deutschen Fernsehen mit seinen klar definierten Sendeplätzen...
Meyermann: ...wobei wir jetzt gerade versuchen, auch deutsche Autoren mit britischen und skandinavischen zusammenzubringen. Es gibt schließlich auch bei uns tolle, kreative Autoren.
"Ganz wichtig war, dass wir nicht mit leeren Händen kamen, sondern mit konkreten Ideen"
Britta Meyermann, Head of International Co-Production, Odeon Film
Zu Beginn haben Sie aber bewusst keine deutschen Autoren gesucht. Welche Erfahrungen haben Sie im Ausland gemacht, als Sie auf gestandene britische oder skandinavische Autoren zugegangen sind?
Meyermann: Das war schon mühsam im ersten Jahr. Wir haben sämtliche Agenturen kontaktiert, sind überall hingeflogen, hatten viele Meetings, um unsere Firma, unsere Ideen und Projekte vorzustellen. Wir haben unglaublich viel gelesen und so peu à peu die richtigen Autoren für unsere Projekte gefunden. Ganz wichtig war, dass wir nicht mit leeren Händen kamen, sondern mit konkreten Ideen. Wir hatten uns zuvor hier im Team Gedanken über Stoffe gemacht, die organisch nachvollziehbare Koproduktionen sind und die eine deutsche Seite haben.
Hofmann: "Spy City" – das Projekt, mit dem wir jetzt am weitesten sind – ist ein gutes Beispiel dafür. Die Serie spielt in den 1960er Jahren in Berlin, Hauptfigur ist ein britischer Spion, der sich dort mit den rivalisierenden Geheimdiensten auseinandersetzen muss. Das ist eine organische Koproduktion, weil die verschiedenen Nationalitäten zu diesem Zeitpunkt tatsächlich in der Stadt waren. Damit haben wir zuerst Gaumont Television aus Frankreich als Koproduktionspartner und Weltvertrieb gewonnen. Dann kam als Drehbuchautor der bekannte britische Schriftsteller William Boyd an Bord, schließlich Endor Productions mit Hilary Bevan Jones als britische Koproduzentin und Christian Schwochow als Regisseur. So sind wir jetzt gut aufgestellt und befinden uns in konkreten Gesprächen mit einem deutschen und einem französischen TV-Sender. Wir sind zuversichtlich, dass wir damit den ersten Baustein der Finanzierung bald haben.
Hofmann und Meyermann haben vor, Ende 2017 oder Anfang 2018 mit den Dreharbeiten zu "Spy City" zu beginnen. Sechs Folgen sind geplant, die 1961 in Berlin spielen und in denen der britische Geheimagent Fielding Scott eine schwierige Mission hat: Er muss herausfinden, wer der Verräter ist, der sämtliche Geheimnisse der drei Westmächte an die Russen weitergibt. Mit dem israelischen Drehbuchautor Benny Barbash entwickelt Odeon Film den zehnteiligen Spionagethriller "The Institute" – der Titel ist der umgangssprachliche Name des berühmt-berüchtigten Mossad. Hauptfigur David Michael führt als Mossad-Agent ein Doppelleben mit zwei Familien im Iran und den USA. Als sein iranischer Sohn an Leukämie erkrankt, ist seine amerikanische Tochter die letzte Hoffnung auf eine passende Knochenmarkspende, aber dafür muss David sein Geheimnis lüften. Gedreht werden soll auf Englisch, Hebräisch und Farsi. Oliver Hirschbiegel mag den Stoff und ist mit Odeon im Gespräch über die Regie. Koproduzent und Weltvertrieb ist eOne aus Kanada.
Bereits im Dreh ist die finnische Nordic-Noir-Serie "Deadwind", bei der Odeon Film den Part des deutschen Koproduzenten an der Seite von Dionysos Film aus Helsinki übernommen hat. Erzählt wird ein komplexer Fall von Mord und Korruption im Baugewerbe, der mit dem persönlichen Schicksal der ermittelnden Kommissarin Sofia Karppi eng verknüpft ist. Ende März wird eine Woche in Hamburg und Schleswig-Holstein gedreht. Die deutschen Rechte hat Odeon an die TMG verkauft, Weltvertrieb ist About Premium Content aus Frankreich. Daneben sind fünf weitere internationale Serienstoffe in einem früheren Entwicklungsstadium.
Was Britta Meyermann und Mischa Hofmann über die nötigen Investitionen in ihre internationalen Koproduktionen sowie über ihre Erfahrungen mit deutschen und ausländischen TV-Sendern sagen, lesen Sie auf der nächsten Seite...