Eng verbunden sind Sie mit Hella von Sinnen, deren gemeinsame WG mit Dirk Bach Sie früher häufig besuchten. Wie kam der junge Zivi Jürgen eigentlich dahin?
Ich komme wie Hella aus Gummersbach und habe zusammen mit ihr Abitur gemacht. Als ich Zividienst machte, war Hella längst nach Köln gezogen, wo sie Dirk kennenlernte. Und weil ich mich in Gummersbach sehr langweilte, bin ich häufig zu den beiden gefahren, um mit ihnen durch die Häuser zu ziehen.
Inwiefern hat Sie diese Zeit geprägt?
Das war eine tolle Zeit mit Hella. Wir beide hatten unser sexuelles Erwachen – und als wir Dirk kennenlernten, war es plötzlich auch künstlerisch hoch-interessant, weil er außerordentlich ambitioniert war. Ich wusste zu dieser Zeit nicht so richtig, wo ich hinwollte. Und so haben wir viel herumgesponnen. Das war für alle von uns sehr inspirierend.
Und plötzlich kam das Fernsehen...
Naja, das hört sich jetzt groß an. Weil ich Kohle brauchte, habe ich als studentische Hilfskraft beim WDR angeheuert und war zunächst Kabelträger. Auf diese Weise sah ich plötzlich große Produktionen mit Biolek und Carrell – und leckte Blut. Ich wollte unbedingt in diese Welt rein.
In welcher Rolle sahen Sie sich?
Ich sah mich sehr schnell in der Rolle des Moderators und Talkmasters. Bereits während meiner Zeit als Kabelträger begann ich, in der Kölner Südstadt Talkshows zu moderieren - ohne einen Sender natürlich, weil die sich nicht für mich interessierten. Durch meinen Job hatte ich jedoch das Glück, Prominente zu treffen, die ich einlud, um sie mit unbekannten Künstlern zu kombinieren. Ich hatte Rudi Carrell und Jürgen von der Lippe zu Gast und kombinierte Dagmar Berghoff mit dem damals überhaupt nicht bekannten Thomas Anders. Dirk war zusammen mit dem großen Günter Lambrecht da. So sammelte ich meine eigenen Erfahrungen.
Wer hat letztlich erkannt, dass Sie moderieren müssen - und zwar nicht nur in der Südstadt?
Das habe ich Dietmar Kindler zu verdanken, einem langjährigen WDR-Musikredakteur. Der war eine Instanz für Unterhaltung und Show im Hörfunk. Ich bewarb mich damals bei ihm als Nachfolger von Chris Howland für eine kleine Musiksendung. Als ich bei ihm saß, lachte er und zeigte auf einen dicken Stapel an Bewerbungen renommierter Hörfunk-Leute, die alle gerne die Sendung präsentieren wollten. "Irgendwann muss man ja mal anfangen", sagte ich zu ihm, was er offensichtlich für ein gutes Argument hielt und mich daraufhin zu einer Probesendung einlud. Anschließend hatte ich die Sendung. Das war für einen jungen Typen ein toller Karriere-Einstieg.
Was folgte, war die lange Karriere als Nacht-Talker. Wie soll es nach der letzten Sendung weitergehen?
Von Ende Januar bis April werde ich schließlich mit einer 1Live-Produktion auf Talk-Tournee gehen - und dann schauen wir mal weiter. Ich möchte sehr gerne weiter im Fernsehen talken. Nach über 23.000 Telefoninterviews würde ich meine Gäste gerne endlich mal sehen.
Jürgen Domian verbringt die Sommerpause im skandinavischen Lappland - bei Sonnenlicht rund um die Uhr (Ausschnitt aus der Doku "Domian - Interview mit dem Tod")
Sie werden im nächsten Jahr 60 – also keine TV-Rente?
Nein, mein Erfahrungsschatz als Talker ist so groß, dass ich ihn sehr gerne nach einer Verschnaufpause wieder einsetzen möchte.
Vor einigen Jahren äußerten Sie schon einmal den Wunsch, gerne eine Talkshow zu moderieren, mit der Sie zu den Leuten kommen...
Ich hätte diese Sendung wirklich gerne gemacht. Es ist allerdings nicht dazu gekommen.
Das heißt, Sie sind in Zukunft auch offen für andere Sender?
Meine Loyalität gehört natürlich dem WDR, meinem Heimatsender. Aber mal sehen, was sich so ergibt.
Hätten Sie sich einen Nachfolger für Ihre Sendung gewünscht?
Wir werden jeden Tag zugeschüttet mit Post unserer Zuschauer. Es tut mir sehr leid, dass mit dem Ende unserer Sendung eine wichtige Plattform verloren geht. Die Frage der Nachfolge müssen die Direktoren des WDR entscheiden. Als Angebot fände ich so etwas in der Medienlandschaft gut, weil es ja nichts Vergleichbares gibt. Ich verstehe bis heute nicht, warum ein anderer Sender nichts Ähnliches gemacht hat. Wir haben die billigste Fernsehsendung der ARD gemacht - und gleichzeitig bietet ein kleines Format wie dieses die Chance, eine Marke zu etablieren.
Worauf führen Sie die Konkurrenzlosigkeit zurück?
Für ein solches Format braucht man einen starken Sender - vielleicht haben die anderen sich einfach nicht getraut. Ich habe in all den Jahren nicht eine restriktive Anweisung von meinen Chefs bekommen, obwohl wir oft nicht nur an die Tabugrenzen gegangen sind, sondern sie auch überschritten haben. Das weiß ich sehr zu schätzen.
Welche Sendung hat in Ihnen mehr Adrenalin verursacht als die meisten anderen?
Das ist noch gar nicht lange her. Anfang des Jahres rief eine Fakerin an, die den Anschein erweckte, während des Anrufs zusammengeschlagen zu werden. Das hat mich sehr geärgert. Aber ich habe mich auch geärgert, weil ich die "Bild" aufgrund einer Falschaussage der Polizei bezichtigt habe, etwas Unwahres zu schreiben. Ich habe den Kollegen vor den Karren gepinkelt, was mir im Nachhinein leid getan hat. Die wirklich schweren Momente in all den Jahren aber waren die Gespräche mit Sterbenden, mit Trauernden und mit Opfern schrecklicher Gewalttaten.
Was nehmen Sie für sich aus all den Gesprächen mit?
Ich habe für mich vor allem Demut gelernt. Wie oft saß ich im Studio und sprach mit Menschen, die sehr souverän mit ihrem schweren Schicksal umgehen. Da erschienen mir meine Alltagssorgen äußerst klein. Das hilft bei der Erdung und dafür bin ich sehr dankbar.
Was machen Sie eigentlich in der Nacht von Freitag auf Samstag, wenn die letzte Ausgabe zu Ende ist?
Es werden sehr viele Freunde und Kollegen da sein. Nach der letzten Sendung werden wir uns hoffentlich richtig betrinken. (lacht)
Herr Domian, vielen Dank für das Gespräch.