Herr Michel, Herr Deissenberger, wenn man den Zahlen der AGF glauben darf, dann sind die Pay-TV-Marktanteile in letzter Zeit gesunken. Was ist da los?
Michel: Es ist tatsächlich wahr. Wir stellen derzeit fest, dass Sky in der Bundesliga im zweistelligen Bereich an Reichweite verliert. In den Strukturwerten ist das Minus zum Teil sogar noch massiver. Wir hatten jüngst bei einem Fußballspiel einen Strukturwert von zwei Prozent innerhalb unserer Kernzielgruppe Männer 14-59. Dabei ist unser Kernzuschauer männlich und 42 Jahre alt. Dazu muss man eigentlich nicht mehr sagen.
Tun Sie uns den Gefallen und sagen doch mehr?
Michel: Wir liegen bei den Reichweiten laut AGF unter dem Niveau von vor vier Jahren. In der Zwischenzeit haben wir aber 1,2 Millionen Abonnenten dazubekommen. Das heißt, es gibt keine Plausibilität in dieser Entwicklung. Wir haben auch mit verschiedenen Marktteilnehmern bis hin zur DFL darüber gesprochen, ob es Tendenzen geben könnte, die dafür sprechen, dass die Attraktivität der Bundesliga zurückgegangen ist. Das Gegenteil ist der Fall. Allerdings sagt uns nicht nur unser Bauchgefühl, dass hier etwas nicht stimmt, denn erste Daten aus unserem Panel mit 15.000 Haushalten, das Anfang 2017 offiziell starten wird, belegen diese Vermutung.
Was haben Sie herausgefunden?
Michel: Es ist etwas früh, genaue Zahlen öffentlich zu machen, weil wir uns derzeit noch in der Analyse-Phase befinden und länger als nur ein oder zwei Spieltage abwarten wollen. Allerdings sehen wir schon jetzt Unterschiede zu den AGF-Zahlen im hohen zweistelligen Bereich – und zwar alleine auf Haushaltsebene. Wir sprechen also noch nicht mal über die Personenebene.
Deissenberger: Die Entwicklung der AGF-Zahlen ist absolut konträr zu unserer wirklichen Entwicklung, weil Sky an allen Ecken und Enden wächst. Das erkennen Sie nicht nur an den Abonnentenzahlen, sondern auch am zunehmenden Launch eigener Sender wie Sky1, der in dieser Woche startet.
Mit Sky 1 setzen Sie auf Entertainment, also auf einen Bereich, der verstärkt on demand genutzt wird. Macht's das mit Blick auf die Quoten-Messung noch schwerer für Sky?
Michel: Hier muss man deutlich differenzieren zwischen den Zahlen der AGF und der Mediennutzung auf unserer gesamten Plattform. Wir stellen fest, dass die Zunahme der non-linearen und mobilen Nutzung Woche für Woche nach oben geht. Hier verlieren wir im linearen Bereich also vielleicht Reichweite und Marktanteile, aber das ist eben nur ein gewisser Anteil. Eine Serie wie "House of Cards" hat gerade einmal 25 Prozent lineare Nutzung. Da ist eine Vergleichbarkeit in der linearen Welt irgendwann nicht mehr gegeben. Es ist also nur selbstverständlich, dass wir in diesem Segment gegenüber Free-TV-Sendern verlieren. Das wird in Zukunft stärker denn je zu hinterfragen sein. Wir sehen jetzt schon, dass wir mit dem Ansatz, den wir mit dem 15k-Panel verfolgen, eine ganz andere und neue Transparenz in den Markt reinbringen werden.
Die Sky-Media-Geschäftsführer Thomas Deissenberger und Martin Michel im Gespräch mit DWDL.de-Redakteur Alexander Krei
Sehen die Werbekunden das denn genauso, wenn sie plötzlich mit zwei verschiedenen Währungen hantieren müssen?
Michel: Um das klar zu sagen: Wir wollen keine Zweitwährung aufsetzen. Unser Ansatz ist ganz deutlich: Wir möchten mit den Marktpartnern eine Lösung herbeiführen, die unsere Messtechnik in die standardisierte Messtechnik der AGF aggregiert.
Wie bewerten Sie die derzeitige Entwicklung der AGF?
Michel: Die AGF öffnet sich. Es ist allerdings etwas früh, darüber zu sprechen. Es soll ja eine Veränderung des Gesellschaftermodells geben, mit dem wir uns derzeit auseinandersetzen. Wir befinden uns in guten Gesprächen, die man aber noch abwarten muss. Das Interesse der Werbeindustrie ist jedenfalls klar: Bitte keine Zweitwährung. Man muss aber auch immer sagen, dass das, was wir mit unserem neuen Panel machen, lediglich eine Abbildung der Sky-Nutzung ist. Das sind keine generellen Aussagen über mögliche Veränderungen des Free-TV-Markts.
Wenn sich die Nutzung also immer weiter ins Non-Lineare verschiebt, könnten Sie auch ein Problem mit den Einnahmen bekommen, weil Ihre Werbekunden in diesem Bereich ja deutlich zurückhaltender agieren.
Michel: Mit der Migration vom Linearen ins Non-Lineare verlieren wir natürlich an Inventar. Das darf man nicht von der Hand weisen. Unsere Werbeinseln verkleinern sich und anstelle mehrerer Spots treten ein oder zwei Pre-Rolls. Die großen Privatsender setzen jetzt schon darauf, im Netz eine Sendung in vier Teilstücken anzubieten, um zusätzliche Werbemöglichkeiten zu schaffen. Das ist eine Entwicklung, die genau beobachtet werden muss. Momentan ist es oft noch so, dass Konsumenten dann innerhalb einer Sendung sechs Mal den gleichen Coca-Cola-Spot gezeigt bekommen. Das kann nicht im Interesse des Zuschauers sein und auch nicht im Interesse des Werbetreibenden.
Deissenberger: Ich glaube, dass es noch eine zweite sehr wichtige Entwicklung gibt, die eher vom Markt heraus kommt. Der Zuschauer und der Werbemarkt fordern zunehmend von uns eine gewisse Konvenienz. Sie wollen alles haben, was es derzeit und zukünftig an technischen Möglichkeiten und Empfangs-Plattformen gibt. Es braucht daher den klassischen Werbespot ebenso wie die kreative Umsetzung mit Sonderwerbeformen. Dafür ein Gesamtkonzept zu entwickeln, wird in Zukunft immer wichtiger werden. Aus diesem Grund stellen wir uns hier derzeit strukturell und inhaltlich massiv auf.