Sie produzieren Highend-Drama allein mit Misofilm jetzt bereits seit zwölf Jahren. Wenn Sie sich die Branche damals und heute anschauen. Welcher Unterschied fällt sofort ins Auge?
Peter Bose: Es hat sich alles enorm verändert. Viel mehr Marktteilnehmer haben den Wettbewerb sehr belebt, dazu kommt ein enormes kreatives Potential weil viele Filmregisseure und -schauspieler das Medium Fernsehen für sich entdeckt haben. Da war Dänemark innerhalb Skandinaviens sicher auch den anderen Ländern ein Stück weit voraus.
Jonas Allen: Und wir sehen eine neue Generation an Autoren, die mit den wesentlich umfangreicheren Möglichkeiten einer TV-Serie und ihrer Erzählung über eine Staffel oder länger weitaus vertrauter sind als jene, die mit Film aufgewachsen sind und gelernt haben.
Wie finanziert sich eine norwegische Serie wie „Acquitted“? Welche Rolle spielt Skandinavien und der Weltmarkt?
Peter Bose: Der Großteil der Finanzierung von „Acquitted“ kommt natürlich von TV 2 aus Norwegen. In der Regel finanzieren wir 50-60 Prozent einer Produktion durch den heimischen Broadcaster. Vorab wurde die Serie dann schon nach Dänemark, Schweden, Finnland, Island und Weißrussland verkauft. Und dann gab es auch Fördermittel. Weil die erste Staffel so gut lief, konnten wir Staffel 2 vorab auch bereits nach Frankreich und nach Großbritannien verkaufen, wo es bei „Walter Presents“ läuft.
Jonas Allen: Die zweite Staffel war in diesem Fall erfreulich einfach zu realisieren weil die erste Staffel international so großes Interesse ausgelöst hat. Aber natürlich ist es in erster Linie eine skandinavische Serie. Für den Markt macht man die Serie. Früher hatte man auch immer Deutschland sehr früh mit im Boot, was dann einen Großteil der Finanzierung ausmachte, aber der Wettbewerb ist viel härter geworden. Es gibt inzwischen so viele Firmen und Projekte aus Skandinavien, die um Partner buhlen, dass eine deutsche Beteiligung nicht mehr selbstverständlich ist.
Eine kurze Nachfrage: Sie sprachen von Fördermitteln. Von welcher Größenordnung sprechen wir da? In Deutschland haben die Filmförderungen lange gezögert bevor Mittel für TV-Produktionen eingesetzt wurden.
Peter Bose: Es gibt inzwischen längst dezidierte Fördermittel für TV-Produktionen in Skandianvien. Natürlich braucht es nach wie vor einen Sender, der das große Risiko übernimmt. Aber bei Staffel 1 von „Acquitted“ kamen 12,5 Prozent des Budgets aus der Förderung. Bei Staffel 2 zwar waren es 10 Prozent.
Jonas Allen: Es gibt auch noch einen Wettbewerbsvorteil in Skandinavien: Es gibt zwar keinen Automatismus aber oftmals steigen Sender der Nachbarländer frühzeitig in Projekte ein. Da arbeitet TV 2 in Norwegen dann zusammen mit z.B. SVT in Schweden, TV 2 in Dänemark und MTV in Finnland. Mal öffentlich-rechtlich, mal privat. Selten bleibt damit ein Sender allein auf den Produktionskosten sitzen.
Peter Bose: Und in Schweden war „Acquitted“ auch ein sehr großer Erfolg mit fast einer Million Zuschauer. Mit Lena Endre in einer der Hauptrollen haben wir eine der größten Schauspielerinnen Schwedens im Cast. Das hat da sicher geholfen (lacht).
Noch eine Frage von jemandem, der mit Skandinavien nicht sehr vertraut ist: Wird die norwegische Produktion „Acquitted“ dann für den dänischen, schwedischen und finnischen Markt synchronisiert?
Peter Bose: Nein, wie bei US-Produktionen gibt es nur Untertitel in Landessprache
Jonas Allen: Aber wir verstehen uns gegenseitig. Norwegisch, dänisch, schwedisch - da gibt es keine großen Verständigungsschwierigkeiten.
Peter Bose: Lena kommt aus Schweden und spielt auf schwedisch. Der Rest des Casts spielt auf norwegisch.
Lassen Sie uns über Miso Film selbst reden. Wie groß ist Ihr Unternehmen, an dem sich FremantleMedia ja 2014 die Mehrheit übernommen hat.
Peter Bose: Wir haben 25 feste Mitarbeiter. 16 allein in Dänemark, einige in Norwegen und Schweden. Aber in Produktion haben wir natürlich mehr als 150 Kolleginnen und Kollegen auf der Payroll.
Welche Projekte beschäftigen Sie neben Dreh von „Acquitted“ im Sommer, das jetzt gerade ausgestrahlt wird in Skandinavien?
Jonas Allen: Wir entwickeln Ideen zusammen mit dem sehr prominenten dänischen Regisseur Christoffer Boe. Sein Debütfilm Reconstruction gewann in Cannes die Camere d’Or. Ein Projekt, „Warrior“ erzählt als Miniserie die Geschichte eines dänischen Soldaten der vom Kriegseinsatz in Afghanistan zurückkehrt und versuch sicht wieder zu sozialisieren, was ihm nicht wirklich gelingt. Ihm fehlt das Adrenalin, die Bestätigung und das Zugehörigkeitsgefühl der Armee - all das findet er dann in einigen Biker-Gangs. Als Soldat widerstreben ihm aber die illegalen Machenschaften seiner neuen Freunde. Für die Polizei geht er letztlich undercover - doch für welche Seite sein Herz schlägt wird immer schwieriger zu entscheiden. Für ihn und für den Zuschauer.
Peter Bose: Dann geht unsere schwedische Serie „Modus“ ebenfalls in die zweite Staffel. Und es gibt die Idee zu einer übernatürlichen Krimiserie.
Wie lange werden Sie und der skandinavische Markt noch auf der Welle der Sympathie für Scandi Noir reiten können?
Peter Bose: Das lässt sich schwer sagen. Wir können nur die Qualität unserer eigenen Produktionen kontrollieren. Der Begriff Scandi Noir ist hingegen schon zu einer Art Marke geworden unter der auch viele andere Produktionen angeboten werden. Das kann natürlich irgendwann auch einen Ruf verwässern. Außerdem kommt ja derzeit auch aus Deutschland sehr gutes Fernsehen. Ihr habt aufgeholt im Serien-Segment.
Peter, Jonas, herzlichen Dank für das Gespräch.