Herr Kühn, sie waren einst bei Tresor TV als das Unternehmen eine Boom-Phase erlebte. Zurückgekehrt sind sie vor gut einem Jahr zu einer Firma in einem anderen Zustand…
Ich habe zu meiner ersten Zeit bei Tresor TV ja die Phase des enormen Wachstums mitbekommen. „Popstars“, „Germany’s Next Topmodel“ und „Die Super Nanny“ waren unsere drei Flaggschiffe. Dazu kamen „Teenager außer Kontrolle“, die Arbeit mit Thomas Gottschalk. Das waren die Zeiten von Glanz und Gloria bei Tresor TV.
Genau das - Glanz und Gloria - hat Tresor TV in den vergangenen Jahren nicht erlebt.
Jetzt habe ich Tresor TV in einer ganz anderen Marktsituation übernommen. Es gibt einerseits weitaus mehr Konkurrenten im Produktionsgeschäft aber in erster Linie auch deutlich größere Konkurrenten, die durch Übernahmen zu Riesen gewachsen sind. Das habe ich ja noch bei Shine Germany mitbekommen, da bin ich ja nicht ganz unschuldig dran. Tresor TV ist in der Unterhaltung - neben Georg Hirschberg und Prime Productions - der letzte größere Unabhängige. Auch neben all den Sendertöchtern.
Und wie stellt man sich in der noch vorhandenen Nische auf: Möglichst breit oder möglich fokussiert?
Wir müssen uns spezialisieren. Ich sag es auch ganz ehrlich: Ich habe die Lage bei Tresor TV am Anfang unterschätzt, weil ich mit dem gesunden Selbstbewusstsein angetreten bin, vorher die Shine Germany von Null auf 100 aufgebaut zu haben. Eine eingeführte Produktionsfirma zu übernehmen - das müsste ja einfacher sein. Das war ein bisschen naiv.
Es ist also ganz und gar nicht so?
Nein, es ist deutlich schwerer. Schönen Gruß an alle Kollegen, die in einem großen internationalen Netzwerk arbeiten: Ihr wisst gar nicht wie leicht ihr es habt mit einem Netzwerk und einem Katalog im Rücken. Das ist deutlich leichter als wenn man jedes Programm einzeln akquirieren oder selbst entwickeln muss. Der erste Schritt war für uns im Frühjahr sicher der mit Abstand schmerzhafteste: Ich musste die Firma konsolidieren und relativ viel Personal abbauen.
Können Sie das beziffern? Wie viele Mitarbeiter waren betroffen?
Wir mussten uns von einem Drittel der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter trennen. Das war auch für mich neu. Ich habe in meinem Leben immer nur Anstellungsverträge unterschrieben, aber noch keine Kündigung. Das muss man auch lernen. Ganz ehrlich: Sowas brauche ich in den nächsten Jahren auch nicht nochmal. Das geht einem sehr nahe. Wir konnten in Folge dessen aber umstrukturieren und sind dann im Sommer mit der Firma nach Unterföhring umgezogen. Jetzt ist die Tresor so neu aufgestellt, dass wir uns im Markt behaupten können. Aber dazu gehörte tatsächlich auch die Entscheidung, sich zu konzentrieren: Große Reality-Shows, Factual Entertainment und Soft Scripted, also das, woraus letztlich die Scripted Reality wurde. Letzteres ist ein Genre, das die Tresor mit erfunden hat.
Aber einen Auftrag abzulehnen, der nicht in diese Sparten gehört, können Sie sich doch vermutlich nicht leisten.
Doch. Das stößt beim Sender manchmal auf Unverständnis, aber es ist tatsächlich so, dass kleine Factual-Produktionen beispielsweise für uns als mittelgroßem Produzenten keinen Sinn machen, weil die Marge dort enorm gering ist. Da hat der kleine Produzent den Vorteil, der so gut wie keinen Over Head hat, oder der Produktionsriese, der damit seine Ressourcen bei etwas Leerlauf beschäftigen kann. Ein Nein soll nicht provozieren, aber wenn man es durchkalkuliert und es sich einfach nicht rechnet, dann sollten sich Produzenten nicht unter Wert verkaufen.
Und so kann man alleine kämpfen?
Wir kämpfen nicht allein, wir bilden Netzwerke. Ich bin der festen Überzeugung: Allein hat man als Indie keine Chance mehr. Die Indie-Karte zu spielen klingt zwar sexy, aber bringt keinen Auftrag mehr. Wir müssen also Allianzen schmieden, um ein breiteres Kreuz zu haben im Markt. Da haben wir Gespräche mit Südkoreanern gesucht und das Independent Producers Network gegründet, das besser angelaufen ist als gedacht.
Aber jetzt mal Butter bei die Fische: Was genau tauscht man denn aus? Oder klingt das einfach nur toll?
Wir sind mit dem Independent Producers Network letztlich das, was Endemol Shine, Warner und Co. sind. Wir haben Zugriff auf einen internationalen Katalog, machen gemeinsame Workshops und haben einen monatlichen Formataustausch. Aber all das ohne unternehmerisch verbunden zu sein. Das funktioniert sehr gut und wir haben unsere „Curvy Supermodel“ bereits an die niederländischen Kollegen von Tuvalu verkauft. Aber das Independent Producers Network wird sicherlich nicht die letzte internationale Partnerschaft sein.