Maurice, du bist von Beginn an als Moderator bei Joiz gewesen. Den neuen Weg willst du nicht mitgehen. Wieso?
Das Kapitel Joiz ist für mich nach ziemlich genau drei Jahren beendet, denn alles, was jetzt kommen wird, ist nicht das, was ich mir unter Joiz vorstelle. Den Kollegen, die dort bleiben, wünsche ich viel Erfolg, aber ich glaube, dass nach den turbulenten letzten Wochen für mich persönlich ein guter Zeitpunkt gekommen ist, um den Sender zu verlassen.
Was hat für dich den Reiz von Joiz ausgemacht?
Der Reiz war ganz klar das Experimentierfeld, das irgendwo zwischen MTV und Viva lag und mit einer Mischung aus Musik, Jugendkultur und Lifestyle von Beginn an total spannend war – verbunden mit einem extrem hohen Live-Anteil. Dazu kam der sympathische Chaos-Haufen aus der Schweiz, den ich ein wenig beobachtet hatte. Deshalb wollte ich vor drei Jahren herausfinden, was da so geht.
Und was ging bei Joiz?
Erst mal ging gar nicht so viel, weil Joiz eine sehr lange Casting-Runde veranstaltete – von Vorgesprächen bis zu einem öffentlichen Casting, das in zahlreichen Starbucks-Filialen vor Publikum stattfand. Das war die erste Hürde, die man nehmen musste. Danach ließ Joiz über die 20 besten Kandidaten abstimmen und es entbrannte ein richtiger Wahlkampf, bei dem ich mich am Ende etwas überraschend mit über 20 Prozent der Stimmen durchgesetzt habe.
Die drei Jahre waren äußerst turbulent. Wie hast du diese Zeit empfunden?
Es war alles dabei. Ich durfte großartige Live-Erfahrung sammeln und habe schon wenige Wochen nach dem Sendestart gemeinsam mit meinen Kolleginnen am Brandenburger Tor das Fest der Einheit moderiert. Genau so gab es auch krasse Interviews, bei denen man vorher nicht wusste, was passieren wird. Joiz war großes kleines Fernsehen. Man wurde nicht abgesetzt, wenn etwas nicht funktionierte, aber man sprach über alles. Und nach einem Jahr kam plötzlich die Insolvenz, mit der niemand rechnete. Was danach passierte, war auch spannend, weil wir gezwungen waren, den Sender umzubauen. Ich hatte zuletzt das Gefühl, dass wir endlich da waren, wo wir hinwollten.
Und dann kam der Investor Uwe Fabich.
Das war die nächste Überraschung für uns. Die Schweizer Muttergesellschaft war zahlungsunfähig und wir mussten schnell schauen, wie es weitergeht. Zwar haben wir unsere Pläne erfüllt, doch wenn dein Besitzer nicht mehr über finanzielle Mittel verfügt, hilft das alles nichts. Innerhalb von so kurzer Zeit jemanden zu finden, der bereit ist, den Sender zu kaufen, ist eigentlich illusionär. Die Idee unserer Geschäftsführerin, den Sender an den Vermieter zu verkaufen, war schlüssig, weil er dieses Funkhaus in Berlin besitzt. Leider stellte sich für mein Empfinden recht schnell heraus, dass es Uwe Fabich ziemlich egal war, was bei uns passierte und er eigentlich nur sein eigenes Projekt pushen wollte. Seine Intention, Arbeitsplätze zu retten, ist ja grundsätzlich eine gute. Bloß die Machart, die dahintersteckte, hat uns alle sehr verwundert.
Ex-Joiz-Moderator Maurice Gajda
Hat sich Uwe Fabich denn häufig blicken lassen?
Ja, Uwe Fabich war oft da. Es kursierte in den Medien immer wieder der Begriff "Phantom", doch für uns war er das ab dem ersten Tag des Kaufs überhaupt nicht. Er hat viel Energie reingesteckt – nur eben auf seine Art und Weise.
Was hast du die zurückliegenden Wochen bis zur Abschiedssendung erlebt?
Ich habe Irritation erlebt, weil die Kommunikation sehr eingeschränkt war und wir, die Mitarbeiter, das Gefühl hatten, nicht gehört zu werden. Uns allen war klar, dass klassisches Musikfernsehen nicht mehr funktionieren kann, doch das schien Uwe Fabich nicht weiter zu interessieren. Mit der Zeit macht einen dieses Verhalten dann doch stutzig und ärgerlich.
In einem Interview kündigte er schließlich an, "keine Games oder so einen Scheiß" mehr machen zu wollen.
In diesem Tonfall hat er mit uns intern nicht gesprochen. Es ist natürlich crazy, wenn man dann aus der Presse erfahren muss, wie er das bisherige Programm sieht. Das war wie der Donald-Trump-Efffekt: Es gibt den lauten Donald bei Twitter und es gibt ihn deutlich ruhiger in der Präsidenten-Debatte. Und so gibt es eben einen Uwe Fabich, der uns sagt, dass alles erst mal so weitergehen soll, und einen, der sich gegenüber der Presse mit drastischen Worten äußert...
… und der dann auch Stühle rausräumen lässt.
Genau das ist es, was uns so irritiert hat. Zunächst hieß es, wir erörtern die Situation in aller Ruhe – und dann kommst du am nächsten Tag in den Sender und plötzlich ist das Mobiliar an manchen Stellen weg. Richtig verrückt wurde es, als mein eigener Schreibtisch abgebaut wurde, während ich live auf Sendung war. Ich finde es einfach befremdlich, das eigene Programm on air zu zerfleischen. Das ist nicht professionell. Da fällt es einem dann auch schwer, nichts dazu zu sagen. Zumal die Zuschauer das ja auch sehen konnten und viele Fragen an uns richteten. In den letzten Wochen haben wir es uns sehr viel einfacher gemacht, indem wir die Situation mit Humor nahmen. Das konnte man ja auch nicht mehr ernst nehmen.
Wie hat Uwe Fabich darauf reagiert, dass ihr auf Sendung sehr deutlich verstehen gegeben habt, wie ihr die Situation findet?
Er hat das natürlich gesehen und war sicher überrascht. Natürlich fand er es nicht lustig, aber er reagierte verhältnismäßig fair und sagte: „Wenn das euer Weg ist, den ihr wählen wollt, dann könnt ihr das machen – ihr müsst euch nur Gedanken machen, welche Konsequenzen das haben kann.“ Meine große Hoffnung war, dass wir dadurch mit unseren Ideen doch noch einmal gehört werden. Der Kurs wurde aber leider trotzdem weitergefahren.
Jetzt wird erst mal nicht mehr weitergesendet. Hat der Sender in deinen Augen eine Chance?
Für mich persönlich, und ich vermute auch für viele andere Kollegen, ist ein schönes Kapitel bei Joiz nach drei Jahren jetzt erst einmal beendet. Ich glaube nicht, dass es noch einmal einen Fernsehsender geben wird, sondern kann mir eher vorstellen, dass im Funkhaus eine Produktionsfirma entsteht, die schöne Sachen mit Musik macht. Das wird dann aber ohne mich passieren, denn das ist nicht mein Herzensprojekt. Den anderen Moderatoren geht es vermutlich genauso. Das ist wie wenn man den Bäcker zum Fleischer machen will. Der wird kein gutes Steak schlagen. Ich bin eben ein Bäcker und werde deshalb nicht in die Fleischerei wechseln.
Wie geht es nun für dich persönlich weiter?
Uwe Fabich hat den Sender erst vor wenigen Wochen gekauft. Da wäre natürlich nicht viel Zeit gewesen, um sich dann erst mit dem Thema Zukunft zu beschäftigen. Allerdings hat sich mein Fokus bereits seit vielen Monaten geändert: Ich habe etwas weniger bei Joiz gemacht, weil ich die Möglichkeit hatte, für "Galileo" durch die Welt zu reisen. Das wird so auch weitergehen und ich freue mich wahnsinnig, meine gesamte Energie in dieses schöne ProSieben-Format zu stecken. Außerdem mache ich weiter Radio bei Fritz. Und selbstverständlich bin ich jetzt auch offen für neue Projekte. Insofern schaue ich voller Freude in die Zukunft und bin mir sicher, dass mich da viele tolle Geschichten erwarten
Maurice, vielen Dank für das Gespräch.