Herr Hager, das junge Angebot von ARD und ZDF sitzt versteckt in einem unscheinbaren älteren Hochhaus und überrascht dann hier oben in der 22. Etage mit der jungen Einrichtung. Sinnbildlich für Ihr Projekt selbst?
(lacht) So würden wir das nie sagen. Wir schämen uns nicht ARD und ZDF sein, aber sinnbildlich haben Sie Recht: Die große Herausforderung wird sein, unsere Zielgruppe dazu zu bewegen, mit uns in den Aufzug zu steigen. Ein paar geile Inhalte allein reichen nicht. Wenn ich die 14- bis 29-Jährigen ernst nehme, dann reicht es nicht aus mit einigen Videos von Böhmermann auch in dieser Zielgruppe erfolgreich zu sein. Wir müssen eine nachhaltige Reichweite bei jungen Menschen komplett neu für uns aufbauen, weil ARD und ZDF diese nicht mehr auf regelmäßiger Basis erreichen.
Wie sehr lässt sich ein „junges Angebot“ auf eine Zielgruppe zuschneiden ohne sich anzubiedern?
Wir wollen relativ breitgefächert an den Start, um durch die Nutzung zu erfahren, was von uns erwartet und was genutzt wird. Das Feedback unserer Nutzer wird dann letztlich unsere Rolle in der Mediennutzung der Zielgruppe definieren. Wir sind aber definitiv mehr als coole Leute die coole Sachen für coole Leute machen wollen.
Der 14-Jährige, der heimlich noch mit Lego spielt und die 29-jährige Uni-Absolventin scheinen mir in der Tat ein breiter - vielleicht zu großer - Spagat zu sein…
Die Zielgruppe zu begreifen und im Blick zu haben, war auch unsere erste Herausforderung. Wir waren gelinde gesagt etwas überrascht, dass es abgesehen von der JIM-Studie so wenig erhobene Daten zu unserer Zielgruppe gibt. Daher war es wichtig, da eine aktuelle und auch kontinuierlich aktualisierte Datengrundlage zu bekommen. Aber wir haben aber auch mindestens einmal im Monat Schulklassen und andere Gruppen hier, um nicht nur Durchschnittswerte und Statistiken zu haben sondern auch ganz direkt zu erfahren, was unsere Zielgruppe denkt, wie sie Medien nutzen und welche eigentlich.
Was ist leichter unter einen Hut zu bringen: Die Interessen eines 14-Jährigen und eines 29-Jährigen oder alle Interessen von ARD und ZDF bei diesem Projekt?
(lacht) Im Laufe des vergangenen Jahres hat sich aber die Idee eines Jugendangebots bei ARD und ZDF erkennbar ausgebreitet und ohne die Unterstützung der Mutterhäuser werden wir auch nicht weit kommen. Am Anfang waren die sehr unterschiedlichen Erwartungshaltungen von ARD und ZDF an dieses Projekt sicher die größere Herausforderung.
Und das hat sich inzwischen geändert?
Wenn erstmal die ersten auf der Tanzfläche sind, dann kommen die anderen auch irgendwann dazu. Jetzt wird es - um zu der Frage zurück zu kommen - sicherlich viel, viel schwieriger die Zielgruppe der 14- bis 29-Jährigen auch von unseren Inhalten zu überzeugen.
Sie werden online auch eingekaufte Serien zeigen, die ZDFneo und One im linearen Programm zeigen. Diese beiden Sender wollen sich aber an ein etwas älteres Publikum richten. Da verschwimmen die Altersgrenzen, daher mit Verlaub: Wird das junge Angebot mehr als nur ein Alibi der Öffentlich-Rechtlichen um Lizenzserien auch im Netz anbieten zu können?
Bei uns werden nur Serien zu sehen sein, die auch zu uns passen. Da gibt es ja durchaus Überschneidungen zwischen den jüngeren Zuschauern der Digitalkanäle und den älteren Nutzern bei uns. Wir haben es uns sehr mühsam erkämpft, serielle Kaufproduktionen online anzubieten. Das war bislang auf der Negativliste für ARD und ZDF. Da durfte „Sherlock“ dann nach der TV-Ausstrahlung gar nicht online angeboten werden - was aus Nutzersicht nicht nachvollziehbar war. Das junge Angebot darf das jetzt. Für uns wird es spannend zu sehen, welche Möglichkeiten sich da ergeben. Ohne die redaktionelle Hilfe von ZDFneo und One wäre das in diesem Teilsegment nicht möglich, da wir da keine eigenen Kapazitäten aufbauen können. Ab dem 1. Oktober gibt es bei uns exklusiv in der App unter anderem die britische Serie „The Aliens“, die dann auch bei ZDFneo linear zu sehen sein wird, wir bieten die Serien „Banana“, die bereits bei One lief, und „Hoff the Record“ exklusiv nur bei uns an. November-Highlight ist dann „Fargo“, das auf ZDFneo laufen wird. Wir wollen so jeden Monat mindestens eine neue Serie in unserem Angebot anbieten können. Wichtig ist aber, dass der Einkauf von Lizenzserien den deutlich kleineren Teil unseres Budgets ausmacht. Der weitaus größere Teil wird in neuen, originären Webvideo-Content gehen, der ohne uns nicht entstanden wäre.
Alles noch etwas improvisiert - auch weil der Name noch immer ein Mysterium ist.
Können Sie da konkreter werden?
Zum Oktober wollen wir mit über dreißig solcher Formaten bei z.B. YouTube, Facebook, Snapchat, Minecraft oder Twitch starten. Darunter sind auch fiktionale Auftragsproduktionen, weil wir nicht nur YouTube-Optik wollen sondern auch fiktionale Geschichten erzählen möchten. Das wird uns auch von dem unterscheiden, was bisher auf dem Markt ist. Ingesamt starten wir breitgefächert und dabei ist das erstmal nur der Aufschlag. Für 2017 schaut man dann: Was hat funktioniert? Was setzt man fort, was nicht? Dafür kommen wieder neue Dinge.
Sie haben hier auf Ihrer Büroetage mehrere mögliche Sets integrieren lassen. Wann gehen Sie hier selbst auf Sendung?
In unserem Programm wird es mehrere Stufen geben. In der ersten Phase werden wir hier auf unserer Etage erstmal nichts selber produzieren. Wir haben die Möglichkeit geschaffen, aber das wollen wir später entwickeln. Für den Moment arbeiten wir fast mit allen relevanten Partnern der Webvideobranche zusammen. Es gibt auch kleinere Produktionsfirmen, die wir mitnehmen auf unseren Weg im Bereich der Auftragsproduktionen für eine Online-Verbreitung auf Drittplattformen. Das ist neben der Möglichkeit Lizenzserien online zu verbreiten, ja unsere wichtigste medienpolitische Errungenschaft.