Herr Schweizer, was ist für Sie als Unternehmer, Motivationstrainer und Löwe schlimmer: Wenn Menschen zu sehr von sich überzeugt sind oder wenn sie gar nicht erkennen, dass etwas in ihnen steckt?
Beides ist nicht gut, aber im Zweifelsfall ist der extrovertierte Strahlemann, der vielleicht etwas zu sehr von sich überzeugt ist, am Ende erfolgreicher als der introvertierte, der nicht an sich selbst glaubt. An sich selbst zu glauben ist das wichtigste. Wer gar nicht erst an sich glaubt, der gibt dem Glück keine Chance.
Glück allein macht aber nicht erfolgreich.
Natürlich nicht. Es braucht ein Momentum, den Willen, das Können, die Energie. Wenn dieses Momentum dann auf den richtigen Zeitpunkt trifft, dann kommt es zum Erfolg.
Idealerweise dann in dem Moment, in dem er sich vor Sie und die anderen Löwen stellt.
Das kann so eine Situation sein. Jemand hat seit Jahren Momentum aufgebaut, es fehlte aber der richtige Zeitpunkt. Das könnte dann der in der Höhle der Löwen sein.
Ärgert es Sie, wenn diese Chance dann nicht genutzt und schlecht präsentiert wird?
Ich bin ganz rational und ärgere mich selten. Das ist eine bewusste Entscheidung, denn das kostet nur Energie. Ich bin jetzt im 60. Lebensjahr und seit mehr als 40 Jahren Unternehmer. In dieser Zeit bin ich über viele Meere gesegelt. Ein erfahrener Seemann erkennt gute Steuerleute.
Wir leben in einer medialen Welt, die uns vermittelt: „Du kannst alles werden, Du musst nur daran glauben“ Wer das zu wörtlich nimmt, vergisst vor lauter Willen aber das Können…
Es gab schon lange vor dem medialen Overkill genügend Bücher, die in die gleiche Kerbe gehauen haben und vermitteln wollten: Sorge Dich nicht, lebe! Oder: The Secret. Es geht letztlich um die Frage der Selbstkonditionierung. Ich persönlich glaube, dass man in seinen Gedanken ein Ziel projizieren kann. Je genauer ich mir das vorstellen kann, desto konkreter beeinflusst dies unterbewusst mein Handeln. Sich vorzustellen „Ich möchte erfolgreicher Unternehmer werden“ reicht nicht, das ist zu unbestimmt. Das Zielbild muss möglichst konkret sein.
So wie junge Menschen die „irgendwas mit Medien“ machen wollen?
Genau. Seine Ziele erreicht nur der, der genau weiß, wo er hinwill. Es braucht eine konkrete Vorstellung. Und wenn man die hat, dann kann man erfolgreich werden. Daran glaube ich, weil man dann weitgehend unbewusst und instinktiv die Entscheidungen im Leben trifft, die dabei helfen, diese Vorstellung zu erfüllen. Es geht um die unbewusste Vergegenwärtigung des selbst gesteckten Ziels. Dann werden selbst Entscheidungen, die man zunächst als Fehler empfindet, rückblickend zu wichtigen Erfahrungen, die zum Erreichen dieses Ziels beigetragen. Das klingt ein bisschen esoterisch, aber ich glaube fest daran.
Und es scheint mir so als würde heute oftmals die Fähigkeit zur Selbstreflektion fehlen.
Das beschreibe ich auch in meinem Buch „Der perfekte Augenblick“. Die erste Frage, die man sich stellen sollte ist, warum ich bin wie ich bin. Was hat mich zu dem gemacht, der ich bin? Dann ist der Weg in ein erfolgreiches Leben einfacher. Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Ich persönlich habe einen großen Freiheitstrieb und das weiß jeder, der mich kennt. Deshalb bin ich auch mein eigener Chef. Dass ich so bin, weiß ich. Aber warum bin ich so? Wenn man sich darüber Gedanken macht und das begreift, lernt man sich selbst kennen und verstehen. Das ermöglicht einem dann die eigenen Fähigkeiten, aber auch eigene Schwächen zu verstehen und sich so anzunehmen, wie man eben ist. Das heißt nicht, dass man nicht permanent an sich arbeiten muss. Ich habe meine Energie dabei immer auf die Verbesserung meiner Stärken konzentriert und nicht darauf, meine Schwächen zu verbessern. Würde ich meine Energie auf meine Schwächen konzentriert haben, würde ich auf diesem Feld allenfalls mittelmäßig geworden sein. Wenn ich die gleiche Energie auf meine Stäken konzentriere, dann kann ich auf diesem Feld brillant werden.
Sie sagen: Unternehmer sein bedeutet Freiheiten haben. Verantwortung kann aber auch unfrei machen oder nicht?
Das ist eine selbstgewählte Entscheidung. Wenn ich mich dazu entscheide, als Unternehmer frei zu fliegen, dann muss ich auch das Risiko in Kauf nehmen, abzustürzen. Wenn ich das verhindern will, muss ich also sehr auf das Unternehmen und mich aufpassen.
Genau, aber das funktioniert nicht immer.
Die Situation kenne ich auch. Dann leidet man…
…unter seiner "Freiheit".
Nein, unter der selbstgewählten Entscheidung. Das kann manchmal sehr unbequem sein und auch bedeuten, dass ich vorübergehend durch die Zwänge des Unternehmens beziehungsweise der Situation bestimmt werde. Buddha hat gesagt: Schmerz generiert Erkenntnis. Unter diesen Schmerzen - wenn als Unternehmer nicht nur der Job, sondern die ganze Existenz gefährdet ist - kann man furchtbar leiden. Das habe ich selbst erlebt. In solchen Situationen wacht man morgens um 4 Uhr auf und sucht einen Ausweg, auch wenn man weiß, dass man den morgens um 4 Uhr vielleicht nicht unbedingt finden wird.
Jetzt neigen Motivationsbücher und -trainer grundsätzlich dazu, zu ermutigen. Wie wichtig ist es auch Nein zu sagen? Bei manchen Geschäftsideen, die Ihnen bei „Die Höhle der Löwen“ präsentiert werden, frage ich mich: Hat denen nie jemand vorher mal gesagt: „Eure Idee ist Quatsch“?
Oft genug ist es so, dass sich eine Geschäftsidee nicht für ein Investment eignet, aber ich trotzdem das Gefühl habe: Daraus kann sich etwas entwickeln. Ein Nein von den Löwen ist nicht automatisch eine Niederlage für die Geschäftsidee. Manchmal muss man aber die Menschen vor sich selbst schützen und sagen: Hör auf! Es gibt einfach Gesetze, die man respektieren sollte. Ich habe zwanzig Jahre als Stuntman überlebt, weil ich die Gesetze der Physik respektiert habe. Und als Unternehmer muss man die Gesetze des Marktes respektieren. Die kann man nicht aushebeln.
Ist „Die Höhle der Löwen“ Bildungsfernsehen?
Ja, es lehrt vieles. Ich könnte mir vorstellen, dass ein großer Teil der Zuschauer mehr oder weniger konkret den Traum verfolgt, sich selbstständig zu machen und eigene Ideen umzusetzen. Jetzt sind aber viele Menschen vom Psychogramm her keine Flieger-Typen, sondern suchen eher Sicherheit. Für den größten Teil der Menschen ist ein Angestelltenverhältnis das Beste, weil sie sich unter dem Schutzschirm eines guten Arbeitgebers sehr gut entfalten können.
"Die langen Drehtage sind anstrengender als es aussieht. Konzentriert zuhören und klug agieren kostet unfassbar viel Energie."
Da sind wir in Deutschland anders sozialisiert als im anglo-amerikanischen Raum…
Das stimmt, aber den Amerikanern bleibt ja auch nichts anderes übrig: Wenn man in den USA nur zehn Tage Urlaub bekommt, manchmal sogar noch unbezahlt, und zwei Jobs annehmen muss, um überhaupt über die Runden zu kommen, dann leben wir in Deutschland dagegen doch im Paradies. Wir haben sogar Insolvenzversicherungen für die Arbeitnehmer. Wir haben eine so hohe Sicherheit für Angestellte in Deutschland, dass man sich sehr gut überlegen muss, ob man sich selbstständig machen will. In den USA wiederum hat man doch nichts zu verlieren.
Wenn „Die Höhle der Löwen“ Bildungsfernsehen ist, dann mal die umgekehrte Frage: Was haben Sie durch die Sendung gelernt?
(überlegt) Ich habe viel über Fernsehen, und wie es funktioniert, gelernt.
Funktioniert es anders als sie dachten?
Ich habe gelernt, dass es extrem harte Arbeit ist. Als ich zur ersten Staffel zugesagt hatte, dachte ich man spaziert rein, setzt sich hin, erzählt ein bisschen was und geht wieder. Aber dem ist nicht so. Die langen Drehtage sind anstrengender als es aussieht. Konzentriert zuhören und klug agieren kostet unfassbar viel Energie. Jeder Löwe verfolgt ja auch seine eigenen Ziele. Ich sitze dort ja nicht aus Spaß, sondern weil ich in junge Gründer investieren will.