Sat.1 war früher in Comedy und deutschen Film und Serien groß. Später als andere hat der Sender dann auch auf Factual und Reality gesetzt. Muss man heute alles machen? Oder wäre es nicht ein Alleinstellungsmerkmal, gewisse Genres nicht zu bedienen?
Die Unterscheidung geschieht nicht über die Genres, sondern über die Tonalität und über Köpfe. Auf den Zug der Reality und Dokusoaps, ein absolut relevantes und erfolgreiches Feld im Fernsehen, ist Sat.1 zu spät aufgesprungen. Aber mittlerweile sind wir hier erfolgreich und setzen sogar Impulse. Und wir sehen ja zu unserer Freude an den Erfolgen von „The Biggest Loser“, „Das große Backen“ oder eben „Hochzeit auf den ersten Blick“, wie gut diese Programmfarbe zu Sat.1 passt. Und wir machen das alles mit einer Tonalität, die zu uns passt. Das Draufhauen überlassen wir Wettbewerbern.
Wenn es um deutsche Serien geht, verspricht Sat.1 seit langer Zeit jetzt schon, man habe viel in der Pipeline. Vielleicht sollte da mal jemand mit einem Rohrreiniger ran. Die scheint mir verstopft zu sein…
Es ist ja nicht so, dass wir jahrelang keine Serien im Programm gehabt hätten. Im letzten Jahr gab es Produktionen wie „Josephine Klick“ oder „Frauenherzen“. Wir hatten über Jahre „Danni Lowinski“ und „Der letzte Bulle“ im Programm.
Mit Verlaub, „Danni Lowinski“ startete vor mehr als sechs Jahren. Wo bleiben denn neue Ideen und warum dann oft so zaghaft nur?
Wir haben viel ausprobiert, aber so sehr das eine Herzensangelegenheit für uns ist, so schwer ist dieses Genre eben auch. Weil man mit langem Vorlauf an einem Projekt arbeitet und sehr schnell eine Quittung erhält. Die deutsche Serie ist aber ein wichtiges Erbe von Sat.1 und wir freuen uns, im Frühjahr 2017 auf „Einstein“ mit Tom Beck und „23 Cases“. Wie schon bei „Einstein“ haben wir bei den mehr als zwanzig neuen Filmen für den Dienstag einige mögliche Backdoor-Piloten dabei, die in Serie gehen könnten. Konkret geht es um vier Stoffe, die wir mit einem Film starten, aber bereits über eine serielle Fortsetzung nachdenken. Das ist sicher eine vorsichtigere Herangehensweise als vor zehn Jahren, aber die Wettbewerbssituation hat sich geändert.
Liegt es am Wettbewerb, der Erwartung des Publikums oder letztlich an den Ihnen vorgeschlagenen Ideen?
Es ist eine Mischung aus allem. Die Euphorie für eine bestimmte Art des Erzählens führte bei Produzenten wie Publikum in den vergangenen zwei, drei Jahren zu einer sehr starken Wellenbewegung. Wir können allerdings keine nischigen Geschichten erzählen, wenn wir damit ein großes Publikum erreichen wollen.
Wie sieht es bei Comedy aus?
Auch die ist ein wichtiger Bestandteil der DNA von Sat.1. Luke Mockridge kommt bereits diesen Herbst mit einer neuen Staffel von „Luke! Die Woche und ich“. Luke ist für mich ein außergewöhnliches Talent und ich freue mich, dass er inzwischen erfolgreich in Sat.1 angekommen ist. Außerdem sprechen wir mit Martina Hill aktuell über eine neue Staffel der „Knallerfrauen“. Der Erfolg dieser Serie hat uns beflügelt, auch über das von Sat.1 immer schon gerne besetzte Genre der Sketchcomedy nachzudenken und zwei weitere Formate in Produktion zu schicken. Die „Rabenmütter“ mit Friederike Kempter, Mimi Fiedler, Milena Dreißig und Anna Julia Kapfelsperger sowie, wenn man so will, das Gegenstück zu den „Knallerfrauen“: „Knallerkerle“ mit Antoine Monot.
Kommen wir von Comedy zu Shows. Was hat Sat.1 da geplant?
Der Freitag ist unser Show-Tag mit Sendungen für die ganze Familie. Nach den „Superkids“ kommen – erstmal mit einer Show – die „Superpets“. Es ist wirklich großartig, dass wir Michelle Hunziker für beide Formate gewinnen konnten, sie bringt mit ihrer Herzlichkeit und fröhlichen Art eine besondere Note in diese Shows. Dann starten wir am 2. September die vierte Staffel von „Promi Big Brother“ mit Désirée Nick als neuem Sidekick neben Moderator Jochen Schropp. Und ich will zur neuen Staffel natürlich noch nichts verraten, nur so viel: So tief sind die Promis noch nie gesunken. „The Voice of Germany“ kommt mit neuer Besetzung und wird toll: Die Produktion ist gestartet und es hat wieder gezündet. Wir freuen uns auch auf neue Staffeln von „The Voice Kids“, „Ran an den Mann“ und wir holen den US-Überraschungserfolg „Little Big Shots“ nach Deutschland. Am Mittwochabend haben wir eine neue Staffel von „The Taste“, auch hier personell erneuert. Ruth Moschner moderiert die Panel-Show „So tickt der Mensch“ und auch gerade schon in Produktion ist „Karawane der Köche“ mit Tim Mälzer und Roland Trettl. Mit diesem kulinarischen Road-Trip feiern wir die deutsche, regionale Küche und greifen den Street Food-Trend auf.
2016 ist ein Sportjahr. Erleichtert das den Einstieg als neuer Senderchef? Die Erwartungen an den Marktanteil sind in Sportjahren geringer.
(lacht) Also ich habe für mich selbst schon einen höheren Anspruch an unsere Arbeit, als auf dem jetzigen Quoten-Niveau aus dem Jahr zu kommen. Wir sind für das zweite Halbjahr auf allen Slots gut aufgestellt. Deswegen werden wir den positiven Trend fortsetzen, den wir seit Jahresbeginn beobachten können und da hilft es, Sendeplätze verlässlicher bespielen zu können als bisher, weil wir genügend Nachschub haben.
"Vielleicht ist auch nochmal ein neuer Ansatz für ein tägliches Magazin möglich"
Die erworbenen EM-Übertragungsrechte haben ihre Erwartungen vermutlich nicht erfüllt?
Von der Ausstrahlung der Parallelspiele zum Ende der Gruppenphase haben wir uns ganz klar mehr erhofft. Die Quoten waren eine Achterbahnfahrt der Gefühle, aber mit einem versöhnlichen Ende. Und ich glaube, dass uns eine sehr gute Berichterstattung rund um diese Spiele gelungen ist. Wir gucken uns weiterhin alle verfügbaren Fußball-Übertragungsrechte und auch andere Sportrechte an.
Kommen wir am Ende noch kurz zum Bereich Information. Da hat Sat.1 das erfolgreiche „Frühstücksfernsehen“, aber davon abgesehen neben den Nachrichten einmal die Woche „Akte“. Reicht das?
Das „Sat.1 Frühstücksfernsehen“ ist Marktführer. Bei „Akte“ sehen wir in diesem Jahr schon Fortschritte, hier müssen wir aber weiter klar Gas geben. Ich bin mir sicher, dass wir durch die Erhöhung der Schlagzahl neuer Filme am Dienstagabend auch der „Akte“ helfen werden. Wir arbeiten mit dem Produzenten intensiv am richtigen Themenmix und sind überzeugt, eine unserer ältesten Programmmarken wieder stärken zu können. Und mit Verlaub: Mit „Fahndung Deutschland“ haben wir gerade ein tagesaktuelles Magazin am Vorabend im Programm, wenn auch monothematisch.
Stimmt. Aber reicht das als Informationsangebot für einen großen Sender?
Vielleicht ist auch nochmal ein neuer Ansatz für ein tägliches Magazin möglich, der aber anders ausfallen müsste als „Unser Tag“. Und wenn ich unter Information auch informatives Factual Entertainment verstehe, dann haben wir in dem Bereich eine ganze Menge im Angebot. Die Reportage-Reihe „Mein schrecklich schöner Körper“ startet diese Woche, wir haben im August die außergewöhnliche Crime-Doku „Tatsache Mord? Auf der Spur des Verbrechens“ und denken darüber hinaus über weitere True Crime-Formate nach. Mit „15 Dinge“ zeigen wir außerdem ein Ranking mit sehr hohem Service-Faktor. Das wird im nächsten Frühjahr auch fortgesetzt – und Matthias Killing präsentiert gerade heute eine neue Ausgabe von „21 Schlagzeilen“.
Herr Pflüger, herzlichen Dank für das Gespräch.