Wären sie heute gern noch einmal junge Frau?
Jaja. Weil ich gern jung war und weil es schön war.
Aber heute werden Sie leicht öffentlich seziert, drohen Shitstorms…
Vielleicht. Aber ich bin jetzt erst mal gern auf das „jung“ abgefahren. Individualität und Stärke haben sich immer durchgesetzt und so wird es auch heute wieder sein. Jung sein ist an- und aufregend und man muss sich nicht einsortieren in den Strom der nichtssagenden Worte. Ich hätte aber sicher keine Facebookseite. Die braucht man nicht. Ich würde mich heute sehr stark engagieren, trotzig auftrumpfen, mich schön anziehen und den Wiener Charme nach belieben einsetzen. Also fragen Sie mich noch einmal: Wollen Sie heute noch einmal jung sein? Und ich sage: Ja!
Wie hat sich die Mediennutzung geändert?
Sehr stark und sehr ungerecht, wenn wir das hier als Generalthema haben. Seit 2002 gibt es ein Gesetz, dass Leistungen eines Künstlers nicht pauschaliert entlohnt werden dürfen. Ich hab das jetzt erst erfahren. Wir Schauspieler fallen völlig hinten runter. Die Regisseure haben einen Betrag, den sie erstattet bekommen, wenn die Arbeiten wiederholt werden, die Kameraleute und die Autoren auch.
Was meinen Sie damit?
Es gibt einen Paragrafen, der sagt, der Schauspieler gibt seine Rechte auf für Online-Auswertungen und Wiederholungen ab und schließlich: „Der Schauspieler gibt seine Rechte auf für noch nicht erfundene Medien.“ Selbst Justizminister Maas empfindet das als Unrecht. Dagegen hat sich der Verein für Schauspieler gewehrt. Wir wollen auch von der Online-Auswertung einen kleinen Brocken abbekommen.
"Ich habe Angst, dass das Kino wirklich verloren geht."
Senta Berger
Früher haben sie viele Kinofilme gedreht, heute nur noch Fernsehen…
Wir werden das Kino verlieren, wenn wir uns nicht darum aktiv kümmern. Sie müssen als Produzent Eigenkapital stellen. Das hat doch kein junger Mensch mehr. Michael und ich hatten das Haus und haben das beliehen – und zweimal hatten wir Angst, dass wir es verlieren. Bei „Mutters Courage“, weil mittendrin Harvey Weinstein ausgestiegen ist und bei der „Weißen Rose“ weil wir nicht schnell genug das Geld von der Bank bekamen. Jeder Kinofilm ist heute doch an einen Fernsehsender gebunden und der dortige Redakteur will einen Fernsehfilm machen. Das ist seine Aufgabe. So sehen deutsche Kino-Filme dann auch aus. Sie sind gut gemacht, technisch sehr gut sogar. Alles wird kommentiert und ausgebreitet, nach einem voraussehbaren Schema. Der Fernsehzuschauer könnte sich ja ein Bier holen oder etwas nicht verstehen.
Wie nutzen Sie selbst Ihre Medien?
Ich bin da ganz einfach: Fernsehen, DVD, Kino. Ich bin nicht bei Netflix und nicht bei Amazon und ich hab einen Computer, mit dem ich gerade so zurechtkomme. Mein iPhone ist meine Nabelschnur zur Welt. Meine Enkel werden so was nur noch vom Hörensagen kennen und gar nicht mehr ins Kino gehen, die werden sich zuhause ihre Dinge aussuchen. Ich hab nur Angst, dass das Kino wirklich verloren geht. Wahrscheinlich muss es sich neu erfinden als sozialer Raum, wo man sich trifft und kommuniziert.
Wie lange werden Sie noch Filme machen?
Who knows. Der Beruf zieht sich langsam zurück. Ich sehe doch das an mir selber, dass ich manchmal Angebote und Drehbücher bekomme wo ich anrufe und sage, Sie wissen wohl nicht, wie alt ich bin und dass ich nicht eine Frau spielen kann, die nach ihrer Scheidung neu anfängt und eine Boutique eröffnet. Was werde ich noch spielen? Und werde ich noch spielen wollen? Bis jetzt sieht es so aus, als gäbe es noch genug Gelegenheiten und genügend Lust darauf.
Für wen gehen Sie noch ins Kino; wer überrascht Sie im Fernsehen?
Ich schau mir jeden Woody Allen Film an und liebe alle seine Schauspieler. Aber ich finde auch Martin Brambach großartig und seine große, überraschende Interpretation dieser Rolle in „Unter Verdacht“. Das hätte auch völlig anders sein können. Ich schau mit gern die Filme der Coen-Brüder an und wenn Volker Schlöndorff Max Frisch verfilmt weiß ich, dass ich ins Kino gehen muss. Den Film „Victoria“ fand ich wunderbar. In meiner Familie gab es wilde Diskussionen. Einige haben gesagt: Jetzt wissen wir erst, wofür Schnitt gut ist. Ich fand‘s fantastisch.
Sie und Ihr Mann (Regisseur Michael Verhoeven, Anm. d. Red.) feiern in diesem Jahr goldene Hochzeit. Wie hat sich ihr Verhältnis zueinander in 50 Jahre Ehe entwickelt?
Wir hatten schlimme Zeiten und schöne Zeiten. Wir sind lange Jahre der Liebe gemeinsam einen Lebensweg gegangen. Das ist ein großes Abenteuer . Da gibt es Niederlagen und Auseinandersetzungen. Alles das, was man als Paar erlebt – nur wir erleben das schon ein bisschen länger. Am Ende bleibt immer die Spannung: Ein Mann - eine Frau. Das finde ich schön. Wir sind auch künstlerisch immer verbunden gewesen, auch wenn mich einige Dinge von Michael nicht so überzeugt haben und er einige meiner Arbeiten nicht so beeindruckend fand. In unserem Zusammenleben aber zählen doch ganz andere Dinge.
Senta Berger ist am Donnerstagabend um 20:15 Uhr im ZDF-Film "Die Hochzeit meiner Eltern" zu sehen.