Können Sie das konkretisieren?
Rainer Wemcken: Im Zuge der Entwicklung der Adaption ist man vielleicht zu weit vom Ursprungsformat abgekommen.
Sie meinen beispielsweise die absurde Grundvoraussetzung, dass sich Mila - gespielt von Susan Sideropoulos - darüber beklagt, dass sie einfach keine Männer finde?
Rainer Wemcken: Das ist vermutlich einer der Aspekte. In der spanischen Umsetzung wurde die Rolle nicht mit einer so prominenten und attraktiven Frau besetzt. Vielleicht war deshalb die Empathie der Zuschauerinnen größer.
Und dann hat Sat.1 Ihnen kurzerhand einen anderen Sendeplatz gegeben - wo sie sich selbst Konkurrenz gemacht haben: „Mila“ gegen „Alles was zählt“…
Rainer Wemcken: Der Sendeplatz war sicher nicht hilfreich, aber ich glaube nicht, dass allein eine Ausstrahlung um 18 Uhr aus „Mila“ einen Erfolg gemacht hätte.
Joachim Kosack: Das wäre zu einfach, da muss man schon tiefer gehen. Sie haben das Interview ja auch mit der Unterscheidung zwischen Prestige-Produktionen und Daily Drama begonnen. Diese Wertung führt dazu, dass der Reiz steigt, es mit einer neuen täglichen Serie oder Telenovela ebenfalls beweisen zu wollen, dass man auch mit einem solchen Format Prestige schaffen kann. Bei „Mila“ wollten wir vielleicht zu viel. Auf ein klassisches Element wie den Cliffhanger am Ende der Folge zu verzichten - wie wir es bei „Mila“ gemacht haben - ist rückblickend betrachtet eine schlechte Idee gewesen. Einen Krimi ohne Spannung zu erzählen, wäre ähnlich absurd. Aber hätte es funktioniert, hätte man ein Genre revolutioniert. Die Haltung bei "Mila" war: Wir wollen Hauptabend-Fernsehen am Vorabend zeigen, was ja sehr ehrenwert ist und gemeinsam mit Sat.1 beschlossen wurde. Aber die grundlegenden Wirkungsmechanismen müssen einfach greifen.
Rainer Wemcken: Der Wunsch etwas Besonderes zu schaffen und damit eine neue Generation an Dailysoaps zu etablieren bleibt bei UFA Serial Drama ungebrochen.
Sehen Sie gerade noch Platz für weitere Dailysoaps im deutschen Fernsehen?
Rainer Wemcken: Ein starkes tägliches Format kann für den Erfolg eines Senders ausschlaggebend sein. Daran kann sich Sat.1 sehr gut erinnern, wenn man an „Verliebt in Berlin“ denkt. Wir spüren unverändert Lust auf neue Dailysoaps und es gibt weiterhin einen Markt: Sat.1 wird sich für den Vorabend weiterhin Gedanken machen, aber langfristig gibt es auch bei Sendern aus der zweiten Reihe Bedürfnisse.
Herr Wemcken, in vielen Gesprächen der letzten Jahre haben Sie immer wieder mal Lust auf eine LateNight-Dailysoap geäußert.
Rainer Wemcken: Es war immer mein Anliegen, den Sendern diese Idee schmackhaft zu machen. Bislang ohne Erfolg. Ich glaube auch, täglich würde man das nicht hinbekommen. Sehr viel Potential jedoch sehe ich für die UFA Serial Drama im Segment der Super Series: Aufwendige Telenovelas für die Primetime mit ein oder zwei neuen Episoden pro Woche: Ein abgeschlossener Roman für eine Season mit 30 bis 60 Episoden.
Joachim Kosack: UFA Serial Drama hat immer schon Trends gesetzt. Wir haben in den 90er Jahren Dailysoaps etabliert, in den 00er Jahren die Telenovela in Deutschland zum Erfolg gemacht und jetzt geht mit den Super Series der nächste Trend um die Welt. Wöchentlich oder zweimal wöchentlich erzählte, große Dramen wie z.B. die türkische Serie „Son“, die weltweit bereits mehrfach als „The End“ adaptiert wurde. Eine Frau muss feststellen, dass ihr Mann ein Doppelleben führt. Ein Flugzeug stürzt ab, in dem ihr Ehemann sitzen sollte, was aber nicht der Fall ist. Als sie ihn dann noch mit einer anderen Frau wegfahren sieht, .entwickelt sich ein komplexes Geflecht aus Geheimnisse und Zusammenhängen. Solche Adaptionen, aber auch eigene Ideen, entwickeln wir.
UFA Serial Drama gibt die Primetime also auch nach „Block B“ nicht auf?
Joachim Kosack: Wir sehen Potential in der Primetime. Und bevor sich die Frage nach möglichen Sendeplätzen stellt, sollten Sender und Produzent doch das Selbstbewusstsein haben zu sagen: Wir glauben an das Programmversprechen und halten es für stark genug, dass es sein Publikum finden wird, statt nur auf bestehende, etablierte Sendeplätze zu schauen.
Rainer Wemcken: Die ersten in Deutschland in der Masse erfolgreichen Kultserien aus den USA waren „Dallas“ und „Denver Clan“. Das waren ebenso Soaps wie heute „Scandal“ oder „Empire“ - also wöchentlich erzählte Primetime-Soaps.
Joachim Kosack: Wenn wir etwas davon lernen können, dann doch, dass Primetime-Serien auch ohne klassische Kriminalgeschichte funktionieren. Das sind Familien- und Beziehungsgeschichten, die gar nicht so richtig in eine Schublade passen wollen. „Scandal“ oder „Empire“ erzählen von Macht, Liebe und Intrigen.
„Scandal“, „Empire“ - beides tolle Primetime-Soaps. Aber nochmal zu „Block B“: RTL hat ja durchaus dran geglaubt. Hat aber auch nicht geholfen. Woran lag es?
Rainer Wemcken: Zunächst einmal suche ich Fehler bei uns. Vielleicht fehlte ein wenig die Wärme der Charaktere, dann wäre es mir leichter gefallen anzudocken und dranzubleiben. Vielleicht war es auch der Sendeplatz.
Joachim Kosack: Die Zusammenarbeit mit RTL war toll und sie lag nahe, weil wir schon „Hinter Gittern“ sehr erfolgreich zusammen umgesetzt haben. War das Chance oder Bürde? Schwierig zu sagen. Vielleicht war „Block B“ aber gerade in dem Vergleich in den ersten Episoden zu ernst und realistisch.
Mal weg vom Gefängnis: Gibt es Welten, in denen Sie gerne mal Geschichten erzählen würden?
Joachim Kosack: Vor zehn bis fünfzehn Jahren habe ich extrem über Welten nachgedacht, in denen man erzählen könnte. Heute denke ich nur noch über Figuren und Figurenkonstellationen nach. Das ist auch meine Lehre aus "Danni Lowinski" und dem "Letzten Bullen“. Weil wir eben schon über „Empire“ sprachen: Es ist die Welt des Hip Hop. Aber wichtiger als das Milieu sind doch die ersten Minuten der Serie: Der Vater und seine Probleme mit den drei Söhnen - dann geht das Gefängnistor auf, Mutti kommt raus und macht die Ansage: „Ich will meine Firma zurück“. Zack - Vorspann. Da ist es egal, in welcher Welt das spielt. Das sitzt.
"Bei einer Daily ist die Grund-DNA sehr wichtig."
Joachim Kosack
In der Tat ein starker Einstieg. Aber der Hype der ersten Staffel hatte auch viel damit zu tun, dass „Empire“ eine Welt erzählt, die so noch nicht erzählt wurde.
Joachim Kosack: Da haben Sie Recht. Bei einer Daily ist die Grund-DNA sehr wichtig. Bei „GZSZ“ gab es im Titelsong mal die gesungene Zeile: “Du hast ein Ziel und nimmst jede Hürde mit Gefühl". Das war immer die Kern-DNA der Serie. Bei "Alles was zählt" wiederum geht es um Sport und bei "Unter Uns" geht es um Nachbarschaft. Die Figuren und ihre Beziehungen sind darin wichtiger als die Frage, in welchem Milieu die Serie spielt. Bei einer Primetime-Serie, da gebe ich Ihnen Recht, wäre das wiederum wichtiger.
Wir sprachen vorhin schon mal von Cliffhangern. Haben die sich in den letzten zwanzig Jahren verändert? Oder funktionieren noch immer die gleichen Themen?
Rainer Wemcken: Ich glaube es sind die gleichen. Handwerklich hat es sich natürlich verändert.
Joachim Kosack: Der erste Kuss; der erste Freund. Diese Themen bleiben. Manche wandeln sich mit der Zeit. Mobbing beispielsweise, ein Thema, das in den vergangenen Jahren an Relevanz gewonnen hat..
Wie wandelt sich das?
Joachim Kosack: Früher hat man über Mobbing in der Schule oder im Job erzählt. Heute kommt Mobbing im Netz als Variation dazu. Hier muss man natürlich mit der gesellschaftlichen Entwicklung gehen. Das gilt auch für Themen wie Migration und Diversity. Ein schwules Outing beispielsweise sorgt heute vielleicht nicht mehr für so empörte Reaktionen in der Öffentlichkeit. Aber auf der ganz persönlichen Ebene - was das für den Einzelnen bedeutet - bleiben solche Themen stets noch sehr emotional. Deswegen werden sie weiterhin erzählt.
Weiterhin erzählen. Ein gutes Stichwort für die letzte Frage: Wie lange wollen Sie die Geschichte von UFA Serial Drama noch selbst mitschreiben Herr Wemcken?
Rainer Wemcken: Solange ich zum Erfolg der Serien noch etwas beitragen kann und es mir Spaß macht. Aber diese Antwort hätte ich Ihnen auch schon vor 10 Jahren so gegeben.
Herr Kosack, Herr Wemcken, herzlichen Dank für das Gespräch.