Geht das denn? Ohne Druck entwickeln, wenn ein Programm bei RTL dann aber aus dem Stand heraus 14 Prozent oder mehr holen muss?
Ein guter Punkt. Ich glaube, dass wir in der Lage sind aus dem Stand heraus Hits zu kreieren. Das haben wir mit „Mario Barth deckt auf“, „Team Wallraff“ oder dem „Jenke-Experiment“ geschafft. Keines der Formate ist im Vorfeld eine sichere Bank gewesen. Aber natürlich haben wir auch einstecken müssen. „Der Nächste bitte“ oder „Der Reisechecker“ liefen nicht wie erhofft. Wir werden uns bei RTL daran gewöhnen müssen, auch Marktanteile unter Senderdurchschnitt in Kauf zu nehmen, damit sich Programme zum Hit entwickeln können. RTL experimentiert schon so viel wie kein anderer Sender und hat bei den Privaten, wie Sie es nennen, den höchsten Frischefaktor. Das wollen wir ausbauen. Gleichzeitig könnte die Branche manchmal etwas weniger forsch damit sein, etwas als Flop zu bezeichnen. Manches Programm ist durch die gesammelten Erfahrungen oder auch aus Imagegründen ein Gewinn.
Mit Verlaub Herr Hoffmann, wenn wir über Kreativität und Experimente sprechen: RTL macht aus „Die 25“ kurzerhand „Germanys Top 50“, lässt mit „Das Duell der Jahrzehnte“ I&U-Shows kopieren, die zweite Tanzshow moderiert dann ebenfalls Daniel Hartwich, bei „DSDS“ darf als neues Gesicht Oliver Geissen nochmal ran und im Comedy-Segment scheint das Rezept zu sein: Ein Prominenter lädt sich Gäste ein und die machen schon was Lustiges. Ja, RTL macht viel. Aber auch sehr viel Naheliegendes.
Sicherlich ist die Versuchung groß, in der Entwicklung neuer Ideen evolutionär zu verfahren. Man nimmt die Gene erfolgreicher Sendungen und lässt sie nochmal in neuen Konzepten aufgehen. Das kann aber nur ein Modell sein. Losgelöst davon sind wir natürlich auch auf der Suche nach Konzepten, die echte Innovationen versprechen.
Dennoch haben Sie ja punktuell auch internationale Formatideen eingekauft. Eine davon ist die Quizshow „500 Questions“. Steht da die Moderation schon fest?
„500 Questions“ ist nach wie vor eingeplant. Der Schlüssel zum Erfolg dieser Sendung ist die Moderation. Wir sind noch in Gesprächen - daher kann ich noch nicht mehr verraten.
Darf Vox eigentlich „Die Höhle der Löwen“ behalten oder verlockt der Quotenerfolg, das Format mal bei RTL auszuprobieren?
Das ist keine Diskussion bei uns. „Die Höhle der Löwen“ ist und bleibt ein Vox-Erfolg.
Der „Bachelor“ kehrt in Kürze zurück. In drei Jahren drei Produktionsfirmen. Wie begeistert ist man als Sender über diesen permanenten Wechsel von ITV Studios zu Seapoint zu Warner Bros.?
Sie kennen ja den Spruch „Never change a winning team“. Das gilt sicher auch für erfolgreiches Fernsehen. Wenn man aufgrund von Veränderungen im Produzentenmarkt dennoch die Partner wechseln muss, dann sind alle Beteiligten gefordert, weiterhin die Qualität zu bieten, die das Publikum gewöhnt ist. Ich bin mir sicher, dass auch die nächste Bachelor-Staffel gut bei den Zuschauern ankommt – trotz Produzentenwechsel.
Kommt „Die Bachelorette“ im Sommer zurück?
Nein, „Die Bachelorette“ pausiert in diesem Jahr. Auch „Stepping Out“ und den Sommer-Dschungel werden wir in diesem Jahr nicht wiederholen. „Ich bin ein Star - Lasst mich wieder rein“ war als Event zur Jubiläumsstaffel gedacht. Trotzdem dürfte es eine Sommer-Überraschung geben.
Ich merke, es gibt zum jetzigen Zeitpunkt irgendwie wenig Neues anzukündigen…
Wir alle lieben das Neue und Journalisten ganz besonders. Aber auch die Teams, die unsere RTL-Klassiker frisch und erfolgreich halten, haben eine Erwähnung verdient. Das Finale der letzten „Supertalent“-Staffel war handwerklich hervorragendes Fernsehen. Jedoch fällt das – neben den Zuschauern - kaum jemandem auf, weil sich viele Kritiker nicht so sehr mit einem Format beschäftigen, das seit vielen Jahren läuft. Wir sind sehr stolz auf unsere Dauerbrenner. In diesem Jahr werden die 6.000. Folge von „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“ und die 300. Folge von „Alarm für Cobra 11“ laufen. Bestehende Formate immer wieder neu zu beleben ist eine hohe Kunst, die nur wenige so gut beherrschen wie wir.
Das ist sicher eine Kunst, aber ich glaube, dass durch die neue Serienkultur und neue Wettbewerber nun einmal die Frage im Raum steht, mit welchen neuen Rezepten RTL und andere lineare Anbieter das Publikum für sich gewinnen wollen. Diese Zielgruppe, die Netflix und Amazon entdecken weil sie sich im linearen Fernsehen nicht vertreten fühlen, lässt sich kaum mit alten Erfolgsformaten beeindrucken.
Wir schließen zu oft von uns persönlich auf die Mediennutzung der Mehrheit. Zweifelsohne gibt es Verschiebungen in der Fernsehnutzung, denen auch die Mediengruppe RTL Deutschland mit spitzen Angeboten und neuen Plattformen begegnet. Programm im Verständnis von RTL bedeutet mehr zu machen als Fernsehen für den spitzen Geschmack. Ich habe übrigens über Weihnachten sehr viel RTL gesehen und trotzdem noch Zeit für Bingewatching gehabt. Und bevor Sie fragen: Ich sage Ihnen jetzt nicht was und wo ich geguckt habe (lacht).
Schade.
Nochmal zum Kult um die Serien. Es liest ja auch nicht jeder mal eben 800 Seiten Jonathan Franzen und trotzdem sind seine Bücher Bestseller. Sie sind inhaltlich herausragend und erfolgreich, aber erreichen dennoch nur einen bestimmten Teil der Bevölkerung. Mit RTL stellen wir uns breiter auf.
Gibt es eine Formel nach der Sie arbeiten, um genau das zu erreichen?
RTL hat in den vergangenen zwei Jahren sehr gute Erfahrungen mit relevantem Fernsehen gemacht, in der Unterhaltung und natürlich in der Information. Wir haben uns damit eine hohe Glaubwürdigkeit erarbeitet. Die gilt es zu nutzen und zu pflegen.
"Wir sind wild entschlossen und haben große Lust, in diesem und nächstem Jahr Marktanteile zurückzuerobern"
Welche Rolle spielen im Infotainment künftig noch Magazine? Sie waren mal eine Königsdisziplin, aber inzwischen bekomme ich besonders Info-Häppchen überall.
Ich stimme Ihnen zu, dass sich News und Magazine einem harten Wettbewerb stellen müssen, weil viele Nachrichten schneller übers Netz verbreitet werden. Es braucht also Vertiefung, Einordnung und Exklusivität. Das bieten unsere Sendungen regelmäßig. Und schnell sind wir außerdem. Mit Sondersendungen und natürlich mit Angeboten wie der n-tv App. Auch RTL Next, unser neues inhaltliches Video-Angebot im Netz, entwickelt sich sehr vielversprechend.
True Crime ist derzeit ein Trendthema, das auch von Netflix und seiner Dokureihe „Making a murderer“ befeuert wird. Sie hatten da auch experimentiert mit „Stern Crime“. Was waren ihre Schlussfolgerungen daraus?
Die erste Ausgabe war in der Medienforschung, um Antworten darauf zu bekommen, was inhaltlich funktioniert hat und was nicht. Die Erkenntnisse waren überzeugend genug, um an dem Thema dran zu bleiben. Das ist spannend aber für uns auch nicht ganz neu. Mit „Anwälte der Toten“ haben wir es im Ansatz ja bereits länger im Programm.
Welche Ziele stecken Sie sich für RTL mit Blick auf das Jahr 2016?
Wir haben uns vorgenommen mit dem ein oder anderen Monatsmarktanteil über dem des Vorjahres zu liegen. Das kann nicht in jedem Monat gelingen, weil 2016 ein Sportjahr ist. Aber wir sind wild entschlossen und haben große Lust, in diesem und nächstem Jahr Marktanteile zurückzuerobern.
Und könnte perspektivisch auch die Bundesliga dabei helfen? Die Rechte werden in wenigen Monaten neu vergeben.
Die Bundesliga ist ein spannendes Thema. Wir werden uns ernsthaft anschauen, welche Rechte-Pakete verfügbar sind, Wir wissen aber auch – mit Blick auf die finanzielle Ausstattung von ARD und ZDF - um die ungleichen Voraussetzungen.
Herr Hoffmann, herzlichen Dank für das Gespräch.