Dennoch: Die eigenständigen Redaktionen von ZDFneo und 3sat sind aufgelöst worden und in den entsprechenden ZDF-Redaktionen aufgegangen. Klingt eher zentralistisch.
Bei ZDFneo ist der Prozess schon weitgehend umgesetzt und nun werden auch 3sat und das ZDF-Hauptprogramm näher zusammen rücken, obwohl natürlich weiterhin auch die ARD beteiligt ist. Diese Entscheidung zielt in erster Linie auf die sehr arbeitsintensiven Programme „Kulturzeit“ und „nano“, die wir stärken wollen. „Kulturzeit“ ist die natürliche Schwester von „Aspekte“ so wie „Nano“ eine Verwandte von „Terra X“ und „TerraXpress“ ist. Deswegen werden wir die Redaktionen in Plattformen vereinigen, um effektiver und kostengünstiger zu arbeiten. Aber Ihre Frage ist natürlich berechtigt. Das markante Gesicht von 3sat als einzigem Kulturangebot im deutschsprachigen Raum darf bei dieser besseren Einteilung der Ressourcen nicht ruiniert werden. Das ist das Ziel dieser Operation.
Aus Ihrem Haus werden immer wieder Klagen über solche Sparmaßnahmen laut. Von außen wiederum wird dem ZDF (wie auch der ARD) vorgeworfen, nicht genug zu sparen. Welchen der Schuhe ziehen Sie sich an?
Wir sollten als öffentlich-rechtlicher Rundfunk nicht ständig über unsere finanzielle Ausstattung klagen. Das gehört sich nicht. Wir haben wirklich die Mittel, um anständige Programme zu produzieren. Wir müssen den Personalbestand deswegen genau überprüfen, weil die Kosten von heute auch die Kosten von morgen sind. Nur, wenn wir da hausintern ansetzen, ist auf Sicht eine weitgehende Stabilität der Rundfunkbeiträge machbar. Das ist eindeutig eine Kehrtwende in der Betrachtung dieses Themas. Ein Stellenabbau ist nie einfach, aber ich kann sagen, dass wir das meiste jetzt schon geschafft haben. Jetzt beginnt die kluge, gelassene Managementarbeit. Der letzte Schritt sind jetzt noch etwa 100 Stellen die abgebaut werden sollen bis 2020.
Wo und wie soll gespart werden?
Das ist ja weitgehend schon beschlossen: Die Verwaltung hat sich selbst verpflichtet, hier stärker abzubauen als die Programmbereiche und wir suchen weiter nach Synergien, damit diese Maßnahmen so wenig wie möglich in unseren Produkten spürbar werden. Aber für den Programmbereich gilt auch: Redaktionen von Sendungen, die ähnliches produzieren, müssen enger zusammenarbeiten oder gar zusammengelegt werden. Da sehe ich durchaus noch Potential.
All diese Planungen basieren auf der Hoffnung, dass die KEF die derzeit eingefrorenen Mehreinnahmen aus der laufenden Beitragsperiode freigeben wird. Sonst bräuchte es einen Plan B.
Das wird sich ja in Kürze entscheiden, spätestens Mitte Februar. Wir haben durchaus maßvoll angemeldet. Wir warten jetzt ab, wie die KEF und dann die Bundesländer es sehen. Wir werden mit dem Rahmen leben, den wir gesetzt bekommen.
Und 2016 darf ZDFkultur dann auch endlich in Frieden ruhen? Auch da ist die Medienpolitik ja noch gefordert. Momentan ist es eine sendende Leiche.
Ich würde es diplomatischer formulieren: Der Sender ist extrem kostengünstig und dafür recht erfolgreich (lacht). Wer hätte gedacht, dass die alten „Disco“-Sendungen noch einmal so oft zu sehen sein würden? Ich wurde schon mehrfach darauf angesprochen. Aber zu Ihrer Frage: Wir beenden ZDFkultur, weil wir uns nicht die Frage stellen sollten: „Was hätten wir noch gerne?“. Das ist eine Versuchung, der man nicht erliegen darf. Das war keine leichte Entscheidung und hat sicher nicht nur für Freude gesorgt, aber entscheidend ist, welche Angebote man mit der nötigen Kraft befeuern kann. Wir wollen uns da auf ZDFneo und ZDFinfo konzentrieren und dürfen uns insgesamt nicht übernehmen. Außerdem rückt die Kultur in Form von 3sat ja künftig näher ans ZDF heran.
Ein neuer Kanal, der keiner ist, kommt ja noch: Der Jugendkanal bzw. das Jugendangebot. Die Begrifflichkeit ist reichlich sperrig. Braucht es da nicht langsam mal einen Namen?
Ich habe kürzlich nochmal darauf gedrängt, dass wir da jetzt möglichst bald einen Titel für das Projekt brauchen. Ich bin ganz zuversichtlich, dass Florian Hager unterm Weihnachtsbaum an nichts anderes denken wird (lacht) und wir da bald ein Ergebnis haben.
Wenn man Serien wie „Downton Abbey“ und „Call the Midwife“ nervös aus dem Programm wirft und absurderweise im Morgenprogramm von ZDFneo versendet - sagt das dann was über die Qualität der Serien, die nervöse Quotenorientierung oder die Quotenmessung aus?
Tja, „Downton Abbey“ habe ich damals noch gekauft. Das hat leider auch im Laufe der Jahre an Glanz verloren. Aber ich erkenne die Berechtigung Ihrer Frage. Auch ZDFneo muss Qualität zeigen können ohne einen Blick auf die Quoten. Aber dass die Verantwortlichen auch erfolgreich sein wollen und ihr zartes Pflänzchen pflegen möchten, kann man ihnen auch nicht verübeln. Ich will da jetzt nicht rein regieren.
Der schwierige Spagat wenn dem Anspruch Marktanteilsziele gegenüber stehen…
Umso dringender ist es, dass wir ZDFneo auf ein Niveau bringen, in dem man stark genug ist, solche Serien dann wie geplant zeigen zu können. Es geht ja auch um die Frage, ob gewisse Produktionen einem Sender auch einfach gut zu Gesicht stehen. Ich bin privat großer Fan beider Serien, aber leider muss man immer wieder feststellen: Es gibt eine Diskrepanz zwischen dem, was Kritikern gefällt und dem, was das deutsche Publikum will.
Das merkt gerade auch RTL bei „Deutschland 83“.
Ja, genau. Das meine ich auch frei von Häme. Diese Diskrepanz bereitet vielen Sendern Kopfschmerzen.
Die Herausforderung bei solchen Prestige-Projekten ist offenbar zunehmend die Sichtbarkeit im immer fragmentieren Medienangebot. Man muss auffallen. Für „Morgen hör’ ich auf“ bricht das ZDF Anfang 2016 sein Programmschema auf. Ist der Überraschungsmoment inzwischen vielleicht wichtiger als Verlässlichkeit?
Das ist nur begrenzt möglich und leider ist meiner Meinung nach eher das Gegenteil der Fall: Das Publikum will Verlässlichkeit und befeuert damit den Status Quo. Deutschland ist aber auch, das kann ich nicht oft genug sagen, im Bereich des Fiktionalen eigentlich ein Markt der 90-Minüter. Die Kreativität, die viele im Bereich der Serien vermissen, fließt bei uns in hervorragende Filme, etwa am Montagabend im ZDF, am Mittwochabend bei der ARD und immer wieder auch mal bei den Privaten, wenn ich an Sat.1 und „Mordkommission Berlin 1“ denke. Besonders fortlaufend erzählte Serien haben es schwer, wenn sie in Einzelfolgen gezeigt werden, weil das Publikum nach nur 45 Minuten aus einer laufenden Geschichte herausgeworfen wird. Man wird experimentieren müssen: Mit den vorhandenen Stärken und den Erwartungen, die durch den Boom der Serienkultur an uns heran getragen werden.
"Amazon und seine Produktionen sind eine Möglichkeit, aber wir sind generell offen. Ich kann mir auch Koproduktionen mit neuen Partnern vorstellen"
Wenn das Feuilleton derzeit jede Serie von Amazon und Netflix ausführlich zelebriert während Ihnen am Morgen danach schon eine Quote um die Ohren fliegt, während die neuen Wettbewerber sich zu Reichweiten ausschweigen können - macht das neidisch?
Es ärgert mich nicht mehr. Ich habe mich daran gewöhnt. Es ist das Privileg eines Kritikers, gut zu finden, was immer er gut finden möchte und zu kritisieren, was er kritisieren will. Auch wenn ich glaube, dass Herr Hoff unserer Soko-Reihe bei Ihnen Unrecht getan hat. Aber zu Ihrer Frage: Eine Netflix-Serie wie „House of Cards“ hat sich ihr Lob auch verdient, aber jeder, der in der Branche tätig ist, weiß, dass das Nischenprogramme sind, die nicht die breite Masse erreichen. Da, wo sehr anspruchsvolle US-Serien ihren Weg ins frei empfangbare Fernsehen geschafft haben, herrschte meistens Ernüchterung. Dagegen sind Filme und Serien im ZDF durch die Bank weitaus erfolgreicher.
Amazon hat angekündigt, seine Serien für ein zweites Verwertungsfenster an lineare Sender verkaufen zu wollen. Wäre das eine Option für Programmnachschub, wo sie für ZDFneo gerade mehr Kauf-Serien angekündigt haben?
Tja, aus Skandinavien kommt leider immer weniger. Bislang ist es uns ja stets gelungen, etwas Neues aufzutun. Amazon und seine Produktionen sind eine Möglichkeit, aber wir sind generell offen. Ich kann mir auch Koproduktionen mit neuen Partnern vorstellen.
Stichwort neue Partner. Das IOC hat sich bei der Vergabe der TV-Rechte an den kommenden Olympischen Spielen mit Discovery für einen neuen Partner entschieden. Die ersten Reaktionen von ARD und ZDF wirkten recht verschnupft…
Also ich war nicht verschnupft, weil ich versuche, die Welt so zu sehen, wie sie ist und dass es kommerzielle Interessen im Sport gibt, war jetzt keine Überraschung. Es gab nur die Verwunderung darüber, dass sich ein kommerzieller Anbieter hier ausgerechnet für den Breitensport interessiert, denn wenn es um die Sichtbarkeit dieser Sportarten abseits der Olympischen Spiele geht, sind sie sonst auf die Öffentlich-Rechtlichen angewiesen. Aber nun haben ja die Gespräche mit Discovery begonnen und wir warten auf ein erstes Angebot des Rechteinhabers, das uns noch nicht vorliegt.
Im nächsten Jahr werden auch die Bundesliga-Rechte neu verhandelt. Welche Ambitionen hat das ZDF?
Ich freue mich zunächst einmal sehr, dass wir die Champions League im Programm haben. Wir haben sie bekommen, weil damals andere Sender entgegen früherem Verhalten nicht in entsprechendem Maße geboten haben. Im Augenblick ist mein Eindruck, dass die Privatsender wiederum erkennen, dass sie etwas für den Gesamtmarktanteil tun müssen. Man sah es an der Entscheidung von RTL, die Rechte an den Qualifikationsspielen zu ersteigern. Dieses Spiel um TV-Rechte und die Bewertung ihrer Bedeutung verändert sich immer mal wieder.
Das war jetzt der Versuch sich sehr diplomatisch herauszureden. Nochmal: Es ging konkret um die Bundesliga-Rechte…
Bei der Bundesliga haben wir ja nur ein kleines Häppchen für das „Aktuelle Sportstudio“. Wenn es in die Rechteverhandlungen geht, dann würden wir das aus journalistischen und sportlichen Gründen gerne beibehalten. Ich glaube, das ist Berichterstattung auf einem hohen Niveau, die Publikum und Bundesliga-Vereine zu schätzen wissen.
"Wenn Herr Raab hier anrufen würde, um über neue Projekte zu reden, würden wir natürlich ans Telefon gehen."
Die ZDF-Unterhaltung hat Jan Böhmermann in der Nische, Johannes B. Kerner und neu Steven Gätjen für die Primetime. An Köpfen mangelt es erstmal nicht, nur auf so etwas wie einen „Wetten, dass..?“-Nachfolger warten noch alle.
Dieses brutale Schicksal hat keiner der Matadore verdient (lacht). Aber worauf Sie zielen, ist ja klar: Der Showbereich ist ein durch die Privatsender sehr hart umkämpfter Markt, in dem wir abgesehen von der musikalischen Unterhaltung und Quizsendungen nur schwer punkten. Unser Programmdirektor Norbert Himmler hat die Leidenschaft, daran etwas zu ändern. Die neuen Gätjen-Projekte lesen sich gut. Wenn ich dann Kritik höre, dass es das doch schon mal gegeben hat, dann muss ich sagen: Man erfindet nur noch selten das Rad neu aber variiert Bestehendes. Raab war noch einer, der relativ viel Neues probiert hat. Wir sind jetzt nicht abhängig von einem erfolgreichen Showformat, aber ein Vollprogramm wie das ZDF sollte den Ehrgeiz haben, auch hier etwas anbieten zu können.
Herr Raab geht bei ProSieben in Rente. Wäre eine Altersteilzeit beim ZDF denkbar?
(lacht). Ich glaube, dass Herr Raab genau weiß, was er tut. Es gab null Gespräche darüber. Herr Himmler hat ihm öffentlich den Respekt bekundet für seine Leistungen, den er zweifelsohne verdient. Wenn Herr Raab hier anrufen würde, um über neue Projekte zu reden, würden wir natürlich ans Telefon gehen. Aber ich glaube, dass er sich erst einmal zurückziehen will.
Eine Frage noch, Herr Bellut: Stünde das ZDF heute da wo es steht, wenn vor einigen Jahren nicht zwei junge Männer dem Sender einen Twitter-Account quasi aufgedrängt hätten, der längst maßgeblich zur digitalen Präsenz beigetragen hat?
Da haben einige Kollegen richtig reagiert, die beiden an Bord geholt und dem ZDF damit digitalen Rückenwind gegeben, den wir in den vergangenen Jahren spüren, sei es über die Präsenz von Jan Böhmermann oder Claus Kleber bei Twitter oder aber auch unsere Mediathek. So wie wir die Mediathek relaunchen, werden wir auch die Präsenz in Social Media auf ein neues Level heben. Da blieb aufgrund von Sparmaßnahmen noch manche Idee auf der Strecke bislang. Wir tun dies übrigens nicht, um jünger, sondern um moderner zu werden.
Herr Bellut, herzlichen Dank für das Gespräch.