Bleibt noch die Comedy, die Sie ebenfalls nach mehrjähriger Pause wieder beackern wollen...
Thomas Zwiessler: Für den Herbst arbeiten wir zusammen mit Endemol an einem Impro-Comedy-Format. Dazu will ich noch nicht allzu viel sagen, außer dass eine Millionärsfamilie im Mittelpunkt steht und ein Genre-Mix aus Doku-Soap, Comedy und Fiction mit einem Improvisations-Modus geplant ist. Ganz frisch haben wir zudem eine Zusammenarbeit mit Produzent Christian Ulmen und der Ulmen Television vereinbart, worüber wir uns sehr freuen.
Sie haben zwar eingangs gesagt, dass Sie RTL II nicht auf den Kopf stellen wollen. Aber das ist, alles zusammengenommen, doch eine Menge Neues und Ungewohntes, an das Sie sowohl Ihr Publikum als auch die Produzenten, mit denen Sie zusammenarbeiten, erst einmal heranführen müssen.
Thomas Zwiessler: Viele der genannten Beispiele zeigen, dass wir den Sender nicht nur für neue Genres öffnen wollen, sondern auch für neue Produzenten. Wir sind momentan mit ziemlich vielen Partnern im Gespräch, die noch nie für RTL II gearbeitet haben. Wenn wir dezidiert neue Wege gehen wollen, brauchen wir auch das entsprechende Talent dafür. Wir wollen bewusst unterschiedliche Handschriften auf dem Sender haben. Gleichzeitig ist das alles überhaupt nur möglich, weil wir auf eine starke, verlässliche Basis mit beliebten, langjährig verankerten Programmmarken aufbauen können. Selbstverständlich werden wir an Formaten wie "Die Kochprofis", "Zuhause im Glück", "Die Geissens", "Frauentausch" und anderen nicht rütteln, sondern sie weiter intensiv pflegen. Wir haben in jüngster Zeit beispielweise den "Trödeltrupp", aber auch unsere Soaps "BTN" und "Köln 50667" inhaltlich justiert und werden dafür bereits mit einer stärkeren Performance belohnt. Pflege der Bestandsformate und Neues schaffen gehen Hand in Hand. Von daher befürchte ich nicht, dass wir unser Publikum mit den zusätzlichen Facetten im Programm überfordern werden.
"Wir bestreiten unsere Daytime phasenweise mit quasi kostenfreiem Programmvermögen"
Julian Krietsch, RTL II
Ist das Programmbudget so erhöht worden, dass Sie sich das alles ohne Probleme zusätzlich leisten können?
Thomas Zwiessler: Wie immer beim Fernsehmachen ist das Leben eine Mischkalkulation (lacht). Das Programmbudget steigt nicht plötzlich, sondern bleibt vielmehr konstant. Wir befinden uns aber in der glücklichen Situation, mit einer Reihe von beliebten Programmmarken auch dann erfolgreich zu sein, wenn wir Wiederholungen ausstrahlen. Gleichwohl gibt es im Genre Doku-Soap weiterhin auch Neustarts, wie etwa "Sarah & Pietro bauen ein Haus", "Babys! Das erste Jahr" und "Die Diät-Tester".
Julian Krietsch: Konkret bestreiten wir unsere Daytime derzeit phasenweise mit quasi kostenfreiem Programmvermögen – und erzielen trotzdem mit die besten Marktanteile seit über zwölf Monaten. Generell versuchen wir, in den Randzeiten stärker zu sparen. Für "exklusiv – die reportage" am späten Donnerstagabend etwa geben wir vorerst keine neuen Folgen mehr in Auftrag, sondern leben prima von den Vorräten. Natürlich sind auch neue, originäre Formate für die Daytime weiter in Entwicklung.
Thomas Zwiessler: Hinzu kommen neue Finanzierungsmodelle, die oft ähnlich innovativ wie die Inhalte sind. Wir sprechen nicht mehr automatisch über Total Buyout, sondern erwerben als Sender in manchen Fällen nur einen beschränkten Rechteumfang. Das ermöglicht uns, in Genres einzusteigen, die wir ansonsten nur schwer finanzieren könnten. Bei künftigen eigenproduzierten Serien könnten wir uns gut vorstellen, in eine Koproduktion oder Kofinanzierung mit einem Pay-TV-Sender zu gehen.
Was genau meinen Sie in diesem Zusammenhang mit "innovativ"? Geht das über einschlägige Koproduktionsmodelle oder geteilte Rechte hinaus?
Thomas Zwiessler: In der Zusammenarbeit mit Produzenten haben wir uns vorgenommen, deutlich schneller zu entscheiden und den Produzenten mehr gestalterische Freiheit zu überlassen als anderswo üblich. Das sind Faktoren, die für einen Produzenten durchaus bares Geld wert sind. Ich spreche da auch aus eigener Erfahrung. Oft verbringen Produzenten Monate oder gar Jahre in Diskussionsschleifen auf verschiedenen Entscheidungsebenen und gehen mit unzähligen Überarbeitungen eines Stoffes in Vorleistung. Bei uns sollen die Partner innerhalb weniger Wochen auf Basis eines überzeugenden Konzepts einen verbindlichen Produktionsauftrag bekommen. Das macht für Produzenten einen erheblichen Unterschied. Und aus Sendersicht ist es ein Weg, geringere Budgets zu ermöglichen.
Fahren Sie damit jetzt kontinuierlich über eine längere Strecke fort – auch dann, wenn sich zum Beispiel die eigenproduzierte Fiction nicht auf Anhieb als Quotenhit erweist?
Thomas Zwiessler: Wir haben gelernt, dass Nachhaltigkeit im Fernsehen ein Erfolgsfaktor ist. Es lohnt sich, an einer Konzeption eine Weile festzuhalten, weil man nicht immer gleich im ersten Schritt sehen kann, wie etwas auf Strecke funktioniert. Insofern würde ich unser weiteres Vorgehen als sukzessiv und kontrolliert-optimistisch bezeichnen. Was wir im Bereich der fiktionalen Eigenproduktion gerade starten, ist für RTL II eine komplett neue Erfahrung. Wir halten hier keine klassische Fiction-Redaktion vor, die den Produzenten die Drehbücher redigiert. Bei uns sind die Produzenten kreativ deutlich eigenständiger als bei anderen Sendern. Was dabei herauskommt, werden wir gemeinsam erleben. Über die genannten Projekte hinaus haben wir bereits drei bis vier weitere Stoffe in der Pipeline.
Herr Zwiessler, Herr Krietsch, herzlichen Dank für das Gespräch.