Herr Zwiessler, Herr Krietsch, RTL II will sich für neue Genres öffnen und inhaltlich breiter positionieren. Müssen sich die Werbekunden bei der Ende April anstehenden Roadshow auf ein völlig anderes Programm gefasst machen?

Thomas Zwiessler: Wir machen RTL II vielfältiger. Es ist aber nicht so, dass wir jetzt ruckartig das gesamte Programm auf den Kopf stellen. Die neuen Themen, die wir angehen, sind zusätzliche Facetten eines im Kern klar positionierten Senders – nicht mehr und nicht weniger. Auf die Kernkompetenz der eigenproduzierten Reality setzen wir natürlich auch künftig, aber diese Formate sollen das Programm nicht dominieren. Wir wollen Monokulturen vermeiden.

Julian Krietsch: RTL II hat als jung positionierter Sender schon immer das Element der Überraschung und der ständigen Weiterentwicklung in sich getragen. Von "Popstars" über "Big Brother" bis "Berlin – Tag & Nacht" gab es viele wesentliche Innovationen. Insofern ist es nur logisch und richtig, dass wir immer wieder nach solchen Überraschungen suchen…

Thomas Zwiessler: … und wir haben schon einiges in der Pipeline, das definitiv Überraschungspotenzial hat und insofern perfekt zur DNA von RTL II passt. Die Relevanz der Themen im Programm ist dabei ein wichtiges Kriterium.



Heißt das: mehr journalistische Inhalte?

Thomas Zwiessler: Auch, aber nicht nur. Journalismus ist einer von vier Programmbereichen, in denen wir den Sender für neue Genres öffnen. Mitte des Jahres starten wir sonntags um 19 Uhr einen regelmäßigen Programmslot unter dem Titel "Echtzeit". Dort zeigen wir eigenproduzierte Dokumentationen und Reportagen mit einem breiten inhaltlichen Spektrum: Das geht von politisch brisanten Themen wie Menschenhandel bis hin zu einem ungewöhnlichen Beitrag zur Cannabis-Debatte, in dem wir anschaulich visualisieren, wie Menschen auf Drogen reagieren. Im Vordergrund steht das Thema. Wie es dann umgesetzt wird, da sind wir bewusst flexibel. Wir arbeiten mit rund 15 verschiedenen Produktionsfirmen zusammen und bieten eine neue Fläche für journalistische Talente, die völlig unterschiedliche Handschriften ermöglicht. In jedem Fall wollen wir jung und unterhaltsam, aber dennoch relevant erzählen.

Julian Krietsch: Ein weiterer bedeutender Neustart ist "Top Gear USA". Mit diesem weltweit bekannten Kult-Automagazin der BBC stärken wir den Sonntagnachmittag, der mit unserem eigenen "Grip – Das Motormagazin" seit Jahren ein wichtiger Sendeplatz für die Zielgruppe junge Männer ist. 

Thomas Zwiessler: Ganz wichtig auch: unsere "RTL II News", die erfolgreichste Nachrichtensendung in der jungen Zielgruppe. Die komplette Redaktion ist bereits Anfang des Jahres nach Berlin gezogen, im Sommer werden wir dann das neue News-Konzept vorstellen. Ziel ist es, unsere Nachrichten für junge Zuschauer noch attraktiver zu machen und das Format online und digital weiterzuentwickeln. 

"Vice ist eine großartige Bereicherung für uns. Wir haben gemeinsam Lust auf Innovation"

Thomas Zwiessler, RTL II


Ihr Senderchef Andreas Bartl hatte im DWDL.de-Interview "Vice" als journalistisches Vorbild genannt.

Thomas Zwiessler: "Vice" ist für uns nicht nur Vorbild, sondern künftig auch Partner. Wir starten eine Kooperation, die aus mehreren Elementen besteht: In einem wöchentlichen Magazin zeigen wir in Deutschland exklusiv die internationalen Programmhighlights aus der Reihe "Vice on HBO", die 2014 mit einem Emmy ausgezeichnet wurde. Vice Germany produziert darüber hinaus exklusiv für RTL II Reportagen und Dokumentationen über aktuelle Themen aus Deutschland. Wir sind sehr glücklich über die Zusammenarbeit mit Vice. Das ist die journalistische Leitmarke der Generation Y. Benjamin Ruth und sein Team sind eine großartige Bereicherung für uns. Wir haben gemeinsam Lust auf Innovation. 

Julian Krietsch: Wir werden auch große Primetime-Dokumentationen ins Programm holen. So haben wir kürzlich die Free-TV-Rechte für die neueste Kino-Doku von BBC Earth erworben: "Afrika – Das magische Königreich". Mit solchen Doku-Blockbustern aus der Tradition von "Planet Earth" wollen wir z.B. an Feiertagen neue Akzente in der Primetime-Programmierung setzen. Diese aufwändigen Produktionen erreichen ein sehr breites Publikum – und gerade junge Zuschauer spricht die spektakuläre Umsetzung sehr an. Generell spüre ich bei jungen Zuschauern großes Interesse an gut gemachten Dokus.