Herr Ehring, was qualifiziert "extra 3" nach 38 Jahren im Dritten nun für den Sprung ins Erste?
Ich bin da natürlich befangen und habe nicht mehr die nötige kritische Distanz. Aber ich würde sagen: Wir sind ein eingespieltes Team und fangen nicht bei null an. Mir gefällt an "extra 3" vor allem, dass es eine klug komponierte Sendung mit Magazincharakter und tollen satirischen Einspielfilmen ist – nicht nur eine Kabarettshow, in die man wechselnde Gäste einlädt.
Was wird für Sie der größte gefühlte Unterschied zwischen dem Dritten und dem Ersten sein?
Fragen Sie mich das am Freitag nochmal! Es ist dasselbe Team, es sind dieselben Kameras. Und zum Glück sehe ich ja auch nicht, wie viele Menschen da gerade vor der Mattscheibe sitzen. Ein spürbarer Unterschied ist, dass wir jetzt etwas mehr Mittel zur Verfügung haben. Wir müssen nicht mehr mit dem ganz kleinen Besteck arbeiten. Ich finde es reizvoll zu sehen, was man unter ARD-Bedingungen aus diesem kleinen, feinen Nischenprogramm machen kann.
Kann man im Ersten denn das Gleiche sagen und wagen?
Das ist mir verbindlich zugesichert worden und ich habe bislang keinen Grund, daran zu zweifeln. Wäre das nicht so, hätte ich diesen Schritt nicht mitgemacht. In der Branche gibt es ja so ein allgemeines Lamento über mutlose Fernsehredakteure. Ich bin jetzt noch nicht so lange beim Fernsehen, kann das aber aus meiner bisherigen Erfahrung überhaupt nicht teilen. Mir sind in meiner kurzen Karriere vor allem Redakteure über den Weg gelaufen, die mich ermutigt haben, noch eine Schippe draufzulegen.
Oft ist es ja nicht nur die Angst vor Ärger, sondern auch eine Art vorauseilender Gehorsam vor dem vermeintlichen Massengeschmack, der dazu führt, dass bei prominenter Programmierung Spitzen abgeschliffen werden.
Bei "extra 3" ist es so, dass wir unser Publikum grundsätzlich für intelligent, reflektiert, neugierig und aufgeschlossen halten. Bei einer Zuschauerschaft, die vorher die "Tagesthemen" gesehen hat, kann man doch wohl einige Vorkenntnisse voraussetzen und satirisch ordentlich hinlangen.
Ist heute also die beste Zeit, um Satire und Comedy zu machen? Oder ging zu den goldenen Hildebrandt-Zeiten mehr, wie manche behaupten?
Heute geht definitiv mehr! Alles, wofür Satiresendungen damals kritisiert, beschimpft oder abgeschaltet wurden, würde heute problemlos durchgehen. Die Skandale von früher sind keine Skandale mehr. Man müsste ganz andere Geschütze auffahren, damit eine Sendung heute verboten würde. Da hat sich nicht nur die Gesellschaft verändert, sondern auch das Fernsehen.
Streben Sie selbst den kleinen, gepflegten Skandal denn bisweilen an?
Es spräche aus meiner Sicht nichts dagegen. Was die Kollegen von der "Anstalt", Max Uthoff und Claus von Wagner, geschafft haben – dass Josef Joffe sich aufregt und prozessiert – ist unter PR-Gesichtspunkten das Beste, was ihnen passieren konnte. Aber wie gesagt: Das ist heute nicht mehr so einfach. Früher ließ sich wenigstens die katholische Kirche verlässlich provozieren. Selbst das hat inzwischen nachgelassen.
In guten Wochen sind Sie künftig donnerstags mit "extra 3" im Ersten und freitags mit der "heute-show" im ZDF auf Sendung. Wie lassen sich die beiden Jobs miteinander vereinbaren? Gibt es gar Synergien für Sie?
Für "extra 3" brauche ich gut vier Tage pro Woche. In den NDR-Wochen haben wir freitags Themenkonferenz, in den ARD-Wochen montags – da bin ich jeweils per Skype dabei. Fürs Schreiben, Überarbeiten und Anpassen meiner Texte gehen in der Regel zwei Tage drauf. Dann reise ich am Sendetag nach Hamburg und bekomme vor der abendlichen Aufzeichnung nach und nach die fertig werdenden Einspieler zu sehen. Dagegen habe ich bei der "heute-show" die komfortable Situation, dass ich donnerstags vom Autorenteam meinen Text geschickt bekomme, den ich dann freitags aufzeichne. Ich freue mich immer, wenn die Kollegen nochmal einen ganz anderen Blick auf dieselben Themen haben.
Der NDR betont gern das journalistische Erbe von "extra 3", wo schon Dieter Kronzucker, Stefan Aust oder Wolf von Lojewski frühe TV-Schritte machten. In welcher Funktion werden wir Sie in zehn Jahren erleben? "Spiegel"-Chefredakteur? "Tagesthemen"-Anchorman?
Ich moderiere "extra 3" und habe das Gefühl, mehr kann man in der deutschen Medienlandschaft nicht erreichen. Ich bin kein gelernter Journalist und damit bei "extra 3" in der Minderheit. Ich versuche auch nicht zu simulieren, dass ich einer wäre. Insofern bleiben mir alle journalistischen Wege versperrt. Ich kann nur Quatsch machen.
Herr Ehring, vielen Dank für das Gespräch.