Man muss halt nur die richtige Plattform bzw. den richtigen Platz finden.
So, sehen Sie, da sind wir beieinander. Darum geht es. Und da höre ich noch viel zu oft das wehleidige Klagen über LineUps und Positionierungen - diese Hürden, die sich die Sender selber stellen. Das sind Fragen, die sich Netflix oder Amazon Studios nicht stellen. Die gucken einfach nach guten Serien und wenn uns der Erfolg von Kabelsendern in den USA etwas lehren sollte, dann doch, dass gute Serien gefunden werden.
In Deutschland wird zu oft Bügelfernsehen gemacht - und das finden manche Programmmacher dann auch ganz gut so. „Mir ist es egal, ob meine Zuschauer bügeln“, sagte Kabel Eins-Chefin Katja Hofem kürzlich.
Also mir ist das nicht egal. Das kann für einen Produzenten nicht das Ziel sein. Das Medium Fernsehen muss doch Einschaltimpulse auslösen und nicht nur resigniert von denen zehren, die ohnehin den ganzen Tag laufen lassen. Da wird dieser Audience Flow der Feind neuer Ideen.
Sie haben das deutsche Fernsehen neulich als Supermarkt bezeichnet. Ist das zukunftsfähig wo doch - mit Blick in die USA - scheinbar die spezialisierten Fachgeschäfte derzeit im Kommen sind?
Ein Supermarkt schafft es, für jeden Bedarf etwas vorzuhalten. Und genau das muss das öffentlich-rechtliche Fernsehen leisten. SVoD-Plattformen, PayTV oder werbefinanziertes Privatfernsehen muss das nicht. Wer aber von der gesamten Bevölkerung finanziert wird, kann kein Programm für die Nische machen. Natürlich müssen sie mit ihrem Programm möglichst viele Gebührenzahler erreichen, denn sonst würden sie ihre Existenzberechtigung verlieren. Ein Privatsender oder meinetwegen ein Ableger der Öffentlich-Rechtlichen in der Sparte, der kann hingegen eine Boutique betreiben: Ein klar auf eine bestimmte Zielgruppe zugeschnittenes Angebot. Diese Unterscheidung wird in Deutschland viel zu selten getroffen. Da kommen dann Beschwerden, warum „Mad Men“ denn nicht im Hauptabendprogramm des ZDF läuft. Warum? Na, weil es Quatsch wäre, es da laufen zu lassen. „Mad Men“ hat auch in den USA nur eine sehr geringe Einschaltquote und läuft eben nicht bei CBS. Die kleine Reichweite reicht drüben, weil die Serie auf einem kleinen Sender läuft und AMC damit maßgeblich ein Prestige aufgebaut hat, was man wiederum kapitalisieren kann.
Sehen Sie denn die Lust beim Privatfernsehen, eine Boutique zu eröffnen, um mal im Bild zu bleiben?
Man muss da unterscheiden. Ich finde es beachtlich, wie sich ProSiebenSat.1 - und diese Gruppe hat es nicht immer leicht gehabt - zu deutschen fiktionalen Programmen bekennt. Neben Serienproduktionen darf man da nicht das Volumen der zahlreichen Dienstagsfilme unterschätzen. Das finde ich toll. Das konnte man von RTL lange nicht behaupten.
"Ich würde mir mehr Vertrauen in getroffene Entscheidungen wünschen."
Probiert hat man bei RTL schon Einiges, bloß meist enttäuschend. Frank Hoffmann will aber ja den Kurs in der eigenproduzierten Fiction ändern...
Hoffentlich ändert sich etwas. Dass ein Sender, der in Deutschland mal maßgeblich die deutsche Fiktion geprägt hat, das alles verloren hat, ist doch sehr schade. Für den Zuschauer und den Produzentenmarkt und auf lange Sicht auch für den Sender selbst. Ich habe große Hoffnungen, dass sich bei RTL viel tun wird. Die Gespräche, die ich bislang mit RTL geführt habe, gingen schon in diese Richtung. Und bei Sat.1 sowieso. Mit „Die Hebamme“ haben wir einen Genre-Mix aus Thriller, Drama und Crime angeboten, der irrsinnig gut funktioniert hat. Dort sieht man den Willen, dabei sein wollen, beim Trend der fiktionalen Programme.
Und bei den Öffentlich-Rechtlichen?
Sie sind hier meines Erachtens weiter. Dennoch wäre es schön, wenn man sich auch in Deutschland ein bisschen mehr in die Richtung bewegen würde, die Gießkanne durch gezielte Investments in einzelne Projekte abzulösen und dort aber auch mehr zu investieren. Ich würde mir mehr Vertrauen in getroffene Entscheidungen wünschen.
Wenn dann Sat.1 beispielsweise Serien macht, dann kamen auch nach dem bewiesenen Erfolg weitere Staffeln mit sehr geringen Folgenzahlen daher. Damit lassen sich dann auf Dauer keine festen Sendeplätze etablieren.
Da haben Sie Recht. Ich kann und will keine Senderentscheidungen treffen bzw. kommentieren, aber auch wir standen oft vor der Frage der Folgenzahl. Wir haben uns immer dafür entschieden, nur so viele Folgen anzubieten, von denen wir auch wissen, dass die Qualität dabei nicht gestreckt wird. Das würde ich inzwischen etwas anders bewerten, weil ich Vertrauen in die deutschen Autoren habe. Es heißt immer, es gäbe so wenige gute Autoren. Das glaube ich nicht. Was uns in Deutschland fehlt, ist eher eine gewisse Übung, konsekutiv seriell in dieser Art zu erzählen, obwohl wir das in der Vergangenheit schon sehr gut gemacht haben. Nehmen Sie Helmut Dietl oder auch RW Fassbinder. Wir holen da aber auf und deshalb würde ich heute auch höhere Folgenzahlen einer Serienproduktion anbieten als vielleicht noch zu vorsichtigeren Zeiten vor fünf oder mehr Jahren. Das soll aber nicht bedeuten, dass Masse per se das neue Kriterium ist.
"Ich glaube das klare Drama könnte man wieder stärken. Das können wir auch"
Welche Farben würden der deutschen Fiktion denn gut zu Gesichte stehen?
Also Krimi müssen wir jetzt nicht noch mehr machen. (lacht) Ich glaube, das klare Drama könnte man wieder stärken. Das können wir auch. Erinnern wir uns an legendäre ZDF-Mehrteiler - was man heute halt Miniserie nennen würde. Dann wird in Deutschland immer nach der modernen Familienserie gerufen, wobei ich mich immer frage, was das dann ist. Es muss einfach erstmal eine gute Familienserie sein.
Oh, mir graust es auch immer davor, wenn man eine „moderne Familienserie“ angekündigt bekommt. Das klingt immer so nach Marktforschung beauftragt.
(lacht) Da habe ich auch immer Angst. Weil ich mich frage, was denn im Gegensatz dazu eine alte Familienserie ist? Wo wir auch richtig gut drin wären, da bin ich mir sicher, wären historische Serien. Bei der Aufarbeitung von zeitgeschichtlichen Stoffen in Fernsehfilmen oder Mehrteilern haben wir ja schon eine lange Tradition im deutschen Fernsehen. Das muss uns auch im seriellen Bereich gelingen. Das ist teuer und anspruchsvoll, aber dieses Genre können wir. Und da können wir auch auf internationalem Level produzieren, weil wir wissen, dass solche Stoffe aus Deutschland gerne gekauft werden. In diesem Segment können wir in der Weltspitze mitspielen.
Wenn man deutsche Sendervertreter z.B. bei den LA-Screenings fragt, dann schwärmen die oftmals von einem Production Value, den man in Deutschland ja gar nicht hinkriegen würde…
Da muss ich denen energisch widersprechen. Wir haben ein super Production Value. Gegen diese Behauptung verwehre ich mich in jeder Form. Schauen Sie sich allein nur mal die Qualität der Montagsfilme im ZDF oder der Mittwochsfilme in der ARD an - Woche für Woche Fiktion höchster Qualität. Das Hauptargument gegen neue Formen ist allerdings meistens eher der Sendeplatz. Dieses Argument ist gefährlich und sollte nicht pauschal verwendet werden. Die Entwicklung von Ideen, die Kreativität und die Umsetzung der Produktion liegt in der Verantwortung der Produzenten. Ein Sender kann sehr wohl „alte Gepflogenheiten“ ändern, wenn das Program es erfordert und die Zeiten sich verändern. Die öffentlich-rechtlichen Sender noch einfacher, als die Privaten, da sie nicht auf Werbekunden Rücksicht nehmen müssen. Die Medienwelt verändert sich, es wird immer gezielter konsumiert, aber das Sendeschema soll möglichst nicht verändert werden. Leider steht dieses oft in Stein gemeisselte Sendeschema so vielen tollen Ideen im Wege. Wie oft habe ich dieses Argument schon gehört.
Vor diesem Hintergrund ist die Ankündigung von ZDF-Programmdirektor Himmler ja erfreulich, für kommende Serienproduktionen neue, passende Sendeplätze schaffen zu wollen.
Ja. Ich glaube, dass wir da gerade entscheidende Bewegungen erleben und ich hoffe, dass das bei der ARD auch noch an Fahrt gewinnt, das dauert da ja immer noch ein bisschen länger als in Mainz. Aber der Serien-Sendeplatz am Donnerstag ist schon mal ein guter Anfang. Wir brauchen den Platz für fortlaufend erzählte Stoffe. Und dann müssen wir liefern. Wir lassen uns gerne an den gelieferten Produktionen messen. Es sind die Sender, die bereit sein müssen, den Platz zu schaffen und die Produzenten, die diese Chance dann auch ergreifen.
Neulich habe ich mich privat bei Facebook kritisch über „Um Himmels Willen“ geäußert, da gab es einen Proteststurm unter Freunden von mir, die die Serie ganz toll finden.
Die Serie soll unbedingt weiter laufen, um Himmels Willen! (lacht) Es stellt sich doch gar nicht die Frage, was man einstellen muss, um etwas Neues auszuprobieren. Wann immer dieses Argument kommt, könnte man den Eindruck bekommen es gäbe nur eine Möglichkeit pro Woche um Serien zu zeigen. Aus diesem Denken müssen wir raus. Man kann fragen, ob andere Genres gebraucht werden, ob manche Produktion in so hoher Schlagzahl erfolgen muss - da ergeben sich genügend Plätze.
"Wer behauptet wir könnten nicht genauso gut sein wie die Amerikaner, der versteckt sich hinter Ausreden"
Aber irgendetwas müsste es weniger geben im deutschen Fernsehen. Der Tag hat nur 24 Stunden. Worauf würden Sie verzichten?
Schauen wir uns doch mal eine Fernsehwoche an, wir kennen ja die Sendeschemen. Warum muss ein Sender zum Beispiel am Montag, am Mittwoch, am Donnerstag und am Samstag einen 90-minütigen Spielfilm zeigen. Warum nicht nur mal einen dieser Plätze für zwei 45-minütige Serien frei machen? Die Plätze sind da, das Geld ist da. Man muss es vielleicht ein bisschen anders aufteilen, aber wer behauptet, wir könnten nicht genauso gut sein wie die Amerikaner, der versteckt sich hinter Ausreden. Wir können, wenn man uns nur lassen würde.
Herr Berben, herzlichen Dank für das Gespräch.