Frau Hofem, im Januar letzten Jahres haben Sie die Führung von Kabel Eins übernommen. Geht es dem Sender heute besser als damals?
Wir haben an Fahrt aufgenommen und ich bin sehr zufrieden, wie es läuft. Eine ehrliche Rückschau ist wichtig, denn es hat auch einiges nicht funktioniert. Das größte Learning aus dieser Zeit ist, dass kabel eins auch als Sender der zweiten Generation über die Jahre ein größeres Schiff geworden ist, das auch für eine minimale Kursänderung einen größeren Radius braucht. Aber in den letzten sechs Monaten habe ich das Gefühl, dass wir richtig auf Kurs sind.
Welcher Kurs ist das?
Der Kurs führt uns im Bereich Factual zurück zu den alten Stärken von kabel eins. Der Sender war immer gut positioniert im authentischen, glaubwürdigen und non-scripted Factual-Bereich. Die Magazine zu stärken, das ist uns extrem gut gelungen. Dabei ist permanentes Arbeiten an Bestandsformaten besonders wichtig. Am Vorabend gehen wir bei "Achtung Kontrolle“ soweit möglich auf non-scripted. Wenige Szenen müssen nachgestellt werden; diese kennzeichnen wir dann auch. Bei „Abenteuer Leben täglich“ haben wir den Marktanteil deutlich anheben können. Genauso wie beim "K1 Magazin“. Auch bei "Abenteuer Leben" haben wir wirklich viel Arbeit reingesteckt und ernten jetzt die Früchte.
Das Thema Survival - DMAX lässt grüßen - hat bei Kabel Eins beispielsweise nicht wie geplant funktioniert. Warum?
Auch ein ganz wichtiges Learning. In der Prime Time hat diese Farbe nicht funktioniert, aber interessanterweise am Sonntagnachmittag in der Wiederholung sechs bis sieben Prozent geholt. Ich finde es nach wie vor sehr wichtig, dass wir das ausprobiert haben. Man muss immer wieder auch Risiken eingehen, um neue Erkenntnisse zu erlangen. "Geschmacksjäger" war ein wirklich tolles Format und es macht nach wie vor richtig Spaß, es anzuschauen. Die beiden Köche wurden aber leider von unseren Zuschauern nicht angenommen. Sie waren zu flippig, zu jung und nicht auf Augenhöhe mit unserem Publikum. Die kabel-eins-Zuschauer sind etwas traditioneller in der Rezeption: Das muss ein Protagonist sein, mit dem man abends vielleicht auch mal ein Bierchen trinken geht, wie beispielsweise „Toto & Harry“. Die Programmfarbe ist für uns nach wie vor eine schöne und spannende, aber eben mit Protagonisten, die aus unserer Zuschauer-Welt kommen und in ihrer Liga spielen.
„Toto & Harry“ starteten zunächst sehr vielversprechend…
Ja, das war eine tolle Bestätigung, für alle, die an das Format geglaubt haben und vor allem für alle Redaktionen und Gewerke, die mit viel Herzblut und Leidenschaft daran arbeiten. Wir hatten zum Start eine wirklich harte Konkurrenz und haben lange diskutiert, ob wir wirklich gegen Fußball starten sollen. Wir haben es durchgezogen, weil ich nichts davon halte, immer nur auszuweichen. So lässt sich kein Sender programmieren. Zum Ende hin hatten wir in der ersten Sendung sogar 12 Prozent Marktanteil bei den jungen Männern. Wir hatten über den Abend einen tollen Verlauf.
Aber dann gingen in den Wochen darauf die Werte runter...
Stimmt. Da konnten wir uns gegen die noch härtere Fußball-Konkurrenz zwar nicht durchsetzen aber immerhin gut behaupten. „Toto & Harry“ eine treue Fangemeinde. Ich bin sicher, dass die Werte in den nächsten Wochen wieder deutlich nach oben gehen. Für jeden Sender sind Marken und Köpfe sehr wichtig. Für uns als Sender der zweiten Generation sind sie sogar noch wichtiger. Deshalb suchen und etablieren wir immer wieder eigene Senderköpfe. Wir haben mit Frank Rosin beispielsweise einen ganz großen Glücksgriff gemacht.
Frank Rosin müssen Sie inzwischen oft an Sat.1 ausleihen. Bei „Toto & Harry“ liefs mal umgekehrt.
Sagen wir mal so: Sie waren in einer nicht aktiven Erbmasse und da sind wir auch durchaus die „Trüffelschweinchen“ und haben sie uns rausgepickt. Ähnliches ist uns mit Tamme Hanken gelungen. Wir haben die Kollegen von unserem Schwestersender überzeugt, dass er ein toller Protagonist ist, der sehr gut zu uns passt. Der Test mit den zwei Reportagen hat bei kabel eins sehr gut funktioniert.
Wir sprechen bislang ausschließlich über Factual Entertainment, also Dokusoaps. Ist das die einzige Farbe, die kabel eins in der Eigenproduktion bespielen will? Reicht das als Leuchtturm im Programm?
"Toto&Harry" sind für uns schon so etwas wie Leuchttürme, aber auch unsere Magazine oder "Achtung Kontrolle". Ein erfolgreich etabliertes neues Daily-Format ist mir zudem sehr wichtig. Wie beispielsweise "Mein Lokal, dein Lokal", das sich derzeit mit bis zu 7,7 Prozent Marktanteil bei den 14- bis 49-Jährigen auf sehr gutem Niveau stabilisiert. Wenn das Format noch weiter wächst, dann ist es mein Leuchtturm des Jahres.
Sind Sie vor „Mein Lokal, dein Lokal“ zufrieden mit den Crime-Serien oder ist ein Ausbau der Eigenproduktionen in der Daytime denkbar?
Der wichtigste strategische Schritt war, um 17 Uhr wieder auf Factual zu setzen und die Eigenproduktionen damit in den Tag reinfließen zu lassen. Wenn das weiter gut funktioniert, könnte ich mir einen zusätzlichen Factual-Ausbau in der Daytime vorstellen. Allerdings besteht keine Not oder Zeitdruck. Unsere Crime-Serien laufen sehr erfolgreich. Aber in einem Zeithorizont von ein bis zwei Jahren wäre es gut, wenn wir über die Eigenproduktionen ein stärkeres Backup haben. Deshalb entwickeln und sammeln wir Formate, die wir immer wieder mal auf dem 17-Uhr-Slot ausprobieren wollen. In der Pause von „Mein Lokal, Dein Lokal“ wird es im Spätsommer die erste Pilot-Phase mit zwei neuen Formaten geben.