Und jetzt also der große Aufschlag bei den International Emmy Kids Awards und dem Kidscreen Summit...
Andrea Zuska: Um sich dem amerikanischen Markt zu präsentieren, braucht man eine Plattform, bei der man die Aufmerksamkeit der Branche hat. Und da wir bereits lange mit den International Emmy Awards zusammenarbeiten, haben wir uns dafür jetzt die International Kids Emmys, die nächste Woche in New York verliehen werden und die parallel stattfindende TV-Messe Kidscreen Summit entschieden. Da sind neben den Sendern auch die großen Merchandising-Agenturen vertreten. Dort wollen wir Amerika die Maus vorstellen.
Also haben Sie da vor Wochen schon einen Schiffscontainer mit Maus-Kostümen rübergeschickt?
Andrea Zuska: Völlig richtig (lacht), aber nicht nur mit Maus-Kostümen. Die Maus wird über den Purple Carpet der International Kids Emmys laufen und bei der Verleihung auch einen Preis überreichen. Und die Gäste des Abends bekommen die Maus auch im Gift Bag mit nach Hause.
Aber was genau verkaufen Sie eigentlich, wenn Sie sagen, die „Sendung mit der Maus“ soll die US erobern? Sind es die Maus-Clips als Rahmen oder auch die Lach- und Sachgeschichten?
Andrea Zuska: Sowohl als auch. Was die „Maus“ ausgezeichnet, uns in Japan gelungen ist und ihr international auch ein Stück weit ein Alleinstellungsmerkmal verschafft, ist dieses Baukasten-System. In Japan ist die „Maus“ ein Fünf-Minuten-Format. Ein Maus-Spot, eine Sachgeschichte und zum Abschluss noch einmal ein Maus-Spot. Die Maus ist die Markenklammer für edukative Programme oder fiktionale Animation. Ich glaube, es ist das modulare System, das die Marke „Maus“ für die etwas älteren Kinder, aber auch das neue Format „Sendung mit dem Elefanten“ für die etwas kleineren Kinder international attraktiv macht.
War Japan bislang das einzige Land, in dem die „Maus“ lief?
Andrea Zuska: Es gab sie Anfang der 2000er auch in Südkorea, allerdings als Buch. Das lief nur ein paar Jahre, aber es gibt gerade aktuell wieder eine neue, ganz konkrete Anfrage aus Südkorea. Und aus der Schweiz gibt es zur Zeit auch Interesse.
Das klingt alles so, als wenn Sie nach dem Jahr, in dem Germany‘s Gold geplatzt ist, eher auf dem internationalen als nationalen Parkett das Wachstum suchen.
Michael Loeb: Wir haben weiterhin eine duale Strategie. die unserem Auftrag für den WDR entspricht. Wir werden national weiter daran arbeiten, Reichweite für die WDR-Programme zu erzeugen und WDR-Inhalte gewinnbringend an VoD-Portale zu lizensieren. Auch das heimische Merchandising-Geschäft und die Radiovermarktung bleiben eine Priorität. Aber wir wollen ebenso im Ausland Erlöse erwirtschaften für den WDR. Das tun alle anderen Wettbewerber auch. Wir investieren mehr Energie als bisher, weil sich Kinderprogramme aber auch Dokumentationen, die wir zusammen mit dem Doku-Produzenten Autentic im neuen Joint-Venture Autientic Distribution vertreiben, nicht so einfach verkaufen wie vielleicht fiktionale Serien oder Showformate. Wir glauben, im Doku-Bereich mit viel Liebe zum Einzelprogramm noch viele kleinere Produzenten gewinnen können, um deren Produktionen international zu vertreiben.
Können Sie nachvollziehen, dass es manchem schwer fällt zu verstehen und akzeptieren, dass sich öffentlich-rechtliche Tochterfirmen in Geschäftsfeldern bewegen, die sich immer weiter vom eigentlichen Auftrag entfernen?
Michael Loeb: Das war so lange eine teilweise berechtigte Kritik, wie nicht transparent war, was zum öffentlich-rechtlichen Auftrag gehört und wie wir privatwirtschaftlich mit öffentlich-rechtlichen Programmen umgehen dürfen. Aber das ist seit dem 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag geklärt. Wir sind vom Gesetzgeber bewusst in die Kommerzialität entlassen worden. Das bedeutet auch, dass wir marktfähig sein müssen. Und wenn uns das Aggregieren Programme Dritter für das Vermarktungsportfolio hilft, mehr Aufmerksamkeit und Interesse zu generieren, dann hilft uns das auch bei dem Ziel, WDR-Programme zu verbreiten. Sie müssen immer an die Perspektive der Einkäufer denken: Würden wir uns auf uns selbst beschränken, wären wir international einfach zu klein, um wahrgenommen zu werden.
Die Aktivitäten von BBC Worldwide werden weit weniger kritisch gesehen. Woher kommt der deutsche Beißreflex bei dem Thema?
Michael Loeb: Gute Frage. Ich glaube, die BBC ist ein Teil des britischen Nationalstolzes. Die FreeTV-Landschaft ist dort eine andere, kleinere und die BBC spielt eine wesentlich zentralere Rolle. Man gesteht ihr eine gewichtigere Rolle zu. In Deutschland scheint es so, als wenn die Digitalisierung den Neid auf die Öffentlich-Rechtlichen geschürt hat, weil werbefinanzierte Unternehmen wie die Privatsender, aber auch Verleger, im Digitalen noch nicht das gleiche Geld verdienen wie in ihren klassischen Geschäftsfeldern. Und dann sucht man einen Schuldigen - und am ehesten den, den man als erstes greifen kann. Selbst wenn ihnen und uns andere Marktteilnehmer größere Angst machen sollten. Das kann man jedes Jahr bei den Münchener Medientagen beobachten, wo sich Verleger, Privatsender und Öffentlich-Rechtliche wie üblich zanken - und der Google-Vertreter daneben sitzt und zufrieden lächelt.
Wie gut läuft die Zusammenarbeit mit dem neuen WDR-Intendant Tom Buhrow?
Michael Loeb: Wir sehen bei Tom Buhrow eine große Offenheit und große Unterstützung für das, was wir tun. Nicht nur, weil wir wissen, dass er unsere Arbeit schätzt sondern auch, weil er ja bereits gesagt hat: Der WDR braucht Geld. Und das gibt uns das gute Gefühl, gebraucht zu werden.
Klingt schon so furchtbar glücklich. Haben Sie Herrn Buhrow also vor Weihnachten keinen Wunschzettel überreicht?
Michael Loeb: (lacht) Wir fühlen uns gut verstanden, aber natürlich hat man immer Wünsche. Wenn ich da einen äußern sollte, dann wäre es vielleicht - lassen Sie es mich so sagen: einen 360-Grad-Ansatz bei der Programmverbreitung. 180 Grad ergeben sich aus der TV-Ausstrahlung, den ARD-Mediatheken und Apps sowie Webauftritten innerhalb des gebührenfinanziert erlaubten Rahmens. Die restlichen 180 Prozent können wir realisieren - also die Vermarktung und Lizensierung im Inland, kommerzielle Apps, das Merchandising und den internationalen Vertrieb. Diese Sichtweise, die vielleicht noch nicht jeder verinnerlicht hat und die auch technisch - bezogen auf Apps oder VoD - früher gar nicht möglich war, braucht einen Dirigenten, der alle diese Maßnahmen rund um ein Programm oder eine Programmmarke aufeinander abstimmt um die Zielgruppen da abzuholen, wo sie sich befinden. Damit der Ton stimmt. Ich bin mir sicher, dass Tom Buhrow und der neue Fernsehdirektor crossmedial denken. Wenn das dazu führt, dass wir zu einem intensiveren Austausch auch über die Rolle der WDR Mediagroup kommen, würde mich das freuen.
Stichwort kommerzielle Apps: Da gibt es eine „Verbotene Liebe“-App und Sie vermarkten die Werbung in der App. Können Sie erklären wie das möglich ist?
Michael Loeb: Gut, dass Sie das ansprechen. Da lässt sich vielleicht etwas aufklären. Die App kommt von UFA Serial Drama, die die VoD-Rechte an „Verbotene Liebe“ halten. Und da ist natürlich Werbung erlaubt. Die WDR Mediagroup vermarktet also in diesem Fall ein privatwirtschaftliches Angebot, das gleichzeitig auch eine bekannte WDR-Marke ist. Das zeigt noch einmal sehr schön, wie wir mit kommerziellen Aktivitäten auch Abseits eigener Rechte dem WDR und seinen Programmmarken helfen können.
Frau Zuska, Herr Loeb, herzlichen Dank für das Gespräch.
WDR Mediagroup will mit der Maus die USA erobern
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